Kann der jüngste Streifen von David Fincher überhaupt in die Fußstapfen von «Citizen Kane» treten?
«Citizen Kane» gilt als einer der bedeutendsten US-Filme, die je gedreht wurden - und das auch noch nach fast 80 Jahren. Regisseur und Hauptdarsteller Orson Welles (†70) wurde damals mit gerade mal 26 Jahren als neues Wunderkind gefeiert, weil er zuvor mit seinem Hörspiel nach H.G. Wells‘ «Der Krieg der Welten», das er wie eine echt wirkende Live-Reportage aufzog, eine Massenpanik an der amerikanischen Ostküste auslöste. Die Menschen glaubten wirklich, dass eine UFO-Invasion bevorstünde. Wer so etwas schafft, der kann auch Filme drehen. Orson Welles wurde nach Hollywood gelockt, mit dem Versprechen, dass er seinen ersten Film völlig frei nach eigenen Vorstellungen inszenieren dürfte. Zunächst wollte er Joseph Conrads «Herz der Finsternis» inszenieren.
Der Film beginnt mit einer Autofahrt durch die Mojave-Wüste, 85 Meilen nordöstlich von Los Angeles. Es geht zu einer abgelegenen Ranch, wo sich der gefallene Autor Herman J. Mankiewicz (Gary Oldman) zurückziehen soll, um in 60 Tagen ein Skript zu schreiben. Gefallen ist Mank, wie er in Hollywood von allen gerufen wird, gleich im doppelten Sinne. Zum einen ist er ein schwerer Alkoholiker, den die Filmbranche eigentlich abgeschrieben hat, zum anderen hatte er einen heftigen Autounfall und ist seitdem mit gebrochenem Bein ans Bett gefesselt. Vielleicht verspricht sich Orson Welles (Tom Burke) genau von diesen Umständen Vorteile als er Mank den Auftrag gibt, eine erste Fassung seines Films «Citizen Kane» zu schreiben.
Mit «Mank» möchte David Fincher einen Teil der Entstehungsgeschichte von «Citizen Kane» nacherzählen. Als Grundlage diente ihm ein Drehbuch, das einst sein 2003 verstorbener Vater Jack Fincher (†72) verfasste. Für den Sohn war es daher eine Herzensangelegenheit, dieses nun endlich umzusetzen. Netflix gab ihm die nötige Freiheit wie sie etwa 1941 Orson Welles vom damaligen Filmstudio RKO bekam. Mit Spannung erwartete man, was Fincher sechs Jahre nach seinem letzten Spielfilm «Gone Girl» nun daraus machen würde. Denn Hintergründe eines sagenumwobenen Klassikers wie «Citizen Kane», in dem es auch noch selbst um ein Mysterium geht, lüften zu wollen, klingt erst mal verdammt vielversprechend - und das nicht nur für Filmhistoriker. Ein Mythos nährt den nächsten.
Darüber hinaus fehlt es auch an erzählerischer Stringenz. Fincher baut Rückblenden ein, um seine Hauptfigur zu psychologisieren, aber wirklich fassbarer wird sie dadurch nicht. Davon abgesehen, gilt es heute als bewiesen, dass Orson Welles auf jeden Fall einen erheblichen Anteil an der Fertigung des Drehbuchs zu «Citizen Kane» hatte. Egal, erzählerische Freiheit muss erlaubt sein. Was man Fincher in technischer Hinsicht aber so gar nicht verzeihen möchte, ist seine Entscheidung, uns einen Schwarzweißfilm vorzusetzen. Atmosphärisch sollen die 1940er-Jahre wiederaufleben – und das gelingt wie schon 2011 mit «The Artist» vor allem durch die Ausstattung, in diesem Fall aber nicht durch die Schwarzweißbilder. Diese wirken oft so, als hätte man mit dem Smartphone aufgenommen, um anschließend die Farbe herauszufiltern. Mit analoger Schwarzweißfotografie haben diese oft leicht verschwommenen Bilder jedenfalls nichts zu tun. Was bleibt ist das Gefühl, als hätte David Fincher diesen Film eigentlich nur für sich gedreht und dabei niemals an ein größeres Publikum gedacht. Irgendwie schade!