In einer neuer Sendung macht RTLZWEI normale Bürgern zu Richtern und lässt sie echte Kriminalfälle "nachverhandeln". Um einen sachlichen Austausch von Argumenten geht es diesen aber leider nur in begrenzter Weise...
Eine Nachbarin, die sich seit Jahren um einen älteren Rentner kümmert, wird von diesem sexuell genötigt. Die Frau greift den Alten daraufhin tätlich an, verletzt ihn schwer. Sie ruft keine Hilfe, der Mann stirbt letztendlich. Statt die Tat zu gestehen, verschweigt die Frau den Tod des Mannes und kassiert über Jahre hinweg weiterhin seine Rente, auf die sie über ein Kontovollmacht Zugriff hat. Um über 100.000 Euro bereichert sie sich, bis der Betrug nach vielen Jahren auffliegt. Welche gerechte Strafe hat sich die Frau für ihre Tat verdient?
Auf dem Papier erinnert das, was RTLZWEI in der neuen Sendung vor hat, ein wenig an den ARD-Film «Terror - Ihr Urteil» (Bild links), der ebenfalls zum Nachdenken über die Kategorien Recht und Gerechtigkeit motivierte. In ihm geht es um ein von Terroristen entführtes Passagierflugzeug, das mutmaßlich auf die vollbesetzte Münchener Allianz-Arena zusteuert. Sollte dem so sein, würde die Zeit zur Evakuierung nicht ausreichen. Der Luftwaffen-Major Lars Koch entscheidet daraufhin selbstständig, das Flugzeug abzuschießen und die Gefahr für die Menschen am Boden abzuwenden. Den Tod der Passagiere nimmt er damit hingegen sicher in Kauf. Der (äußerst gelungene) Film zeigt schließlich die Gerichtsverhandlung und stellt verschiedene juristische Fakten und philosophische Gedanken zu dem Thema dar. Letzten Endes konfrontiert er die Zuschauer mit der Frage, ob Lars Koch schuldig ist oder nicht.
Letztendlich tauschen sich die Laienrichter der Produktion von filmpool entertainment über den schwierigen juristischen Fall weniger mit kühlem Kopf und guten Argumenten aus, sondern werden in der zweistündigen Urteilsberatung schnell emotional, was die Dynamik der Sendung in einer unangenehmen Weise anheizt. Angesichts der schwierigen Bewertung des Falls, in der es keine klaren Kategorien von richtig und falsch gibt, ist das eigentlich nicht angemessen. Dass eine der Laienrichterinnen am Ende wegen des vermeintlich ungerechten Urteils in Tränen ausbricht, wirkt theatralisch und irgendwie überzogen.
In der Theorie hat RTLZWEI dabei durchaus auch versucht, eine spannende Jury zusammenzusetzen. Der Sender stellt den Anspruch, die Gesellschaft möglichst umfassend abzubilden. Männer und Frauen, Junge und Alte, Arbeitnehmer, Studenten und Rentner und Menschen mit einem Migrationshintergrund finden in der Laienrichter-Jury Platz. Spannender wäre es vielleicht tatsächlich gewesen, den Kriminalfall mit Philosophen verschiedener Strömungen zu verhandeln. Aber gut, das ist Wunschdenken und gehört wohl eher ins Programm von arte…