In einer neuen Datingsendung sollen sich Singles gegenseitig ihre Liebe gestehen - ohne sich dabei jemals zuvor gesehen zu haben. Mit anderen Worten: Netflix führt eine spannende Idee durch ein radikales Konzept ad absurdum…
Die einen verteilen Rosen oder Krawatten, die anderen versuchen für ihr persönliches Glück, Paare auseinanderzubringen und die ganz Mutigen lernten sich in der Vergangenheit auch schon nackt auf einer Südsee-Insel kennen. Ohne Frage: Das Fernsehen hat in all den Kuppelformaten der letzten Jahre vieles ausprobiert, um Singles vor laufenden Kameras zu Paaren zu machen. Und ja, der Markt an Dating-Sendungen ist hart umkämpft. Auffallen ist also gut, und dieses Kunststück gelingt der Netflix-Sendung «Liebe macht blind» derzeit hervorragend. Ihr Konzept ist nämlich radikal. In der Sendung machen sich Singles einen Heiratsantrag, ohne sich vorher jemals gesehen zu haben. Erst wenn sie verlobt sind, begegnen sie einander zum ersten Mal. Vorab verlieben sie sich also völlig blind.
Der Clou: Bei den Dates sitzen die Teilnehmer in zwei Räumen, die durch eine undurchsichtige Wand voneinander getrennt sind. Sie hören einander, doch sie sehen sich nicht. Ihre Handys geben die Teilnehmer vor dem Experiment ab, sodass sie sich voll und ganz auf die Stimme und die Gespräche mit ihrem Gegenüber fokussieren können. Befinden sich die Teilnehmer nicht gerade in einem Date, verbringen sie die Zeit zusammen mit ihren gleichgeschlechtlichen Konkurrenten und tauschen sich über das Erlebte aus.
Und dennoch lässt die Sendung die Zuschauer an vielen Stellen irritiert zurück, weil sie in ihren Konsequenzen so radikal ist - und die Teilnehmer dieses Spiel auch mitspielen. „In weniger als 24 Stunden habe ich drei Männer gefunden, mit denen ich mir ein gemeinsames Leben vorstellen könnte“, sagt im Laufe der ersten Folge eine der Teilnehmerinnen. Sätze wie dieser tauchen in der Netflix-Sendung häufig auf. Das klingt schon arg verblendet. Das Aussprechen eines „Ich liebe Dich“ nach wenigen Tagen, gerichtet an eine Person, die man noch nie gesehen hat, deutet auf vieles hin, vermutlich aber nicht auf wahre Liebe.
Maximal bietet «Liebe macht blind» seinen insgesamt 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern übrigens zwei Wochen Zeit, um sich blind kennenzulernen. Hat man sich danach mit einem Partner verlobt, geht es in den Urlaub und direkt danach aufs Standesamt - nach gerade einmal einem Monat. Wie viele Tage es noch bis zur Hochzeit sind, blendet Netflix wie bei einer guten fiktionalen Serie fortlaufend ein. Auch rein visuell gibt «Liebe macht blind» durchaus etwas her, die Sendung wirkt wertig produziert und hebt sich schon optisch deutlich ab von deutschen Datingshows.