Über etwas mehr als 20 Jahre durften Fans der einstigen Edel-Soap miterleben, wie in Düsseldorf gelebt, geliebt und natürlich leidenschaftlich intrigiert wurde. 2015 fiel dann endgültig die letzte Klappe. Und seitdem klafft in Daily-Deutschland eine Lücke.
Und im ersten Moment sah es sogar so aus, als könne «VL» als großer Gewinner aus diesen Entwicklungen hervorgehen, denn Das Erste gönnte dem Vorabenddauerbrenner (bis dato 25 Minuten/Folge) ab diesem Moment beinahe doppelt so viel Sendezeit, sprich: die Programmfarbe des Slots blieb erhalten. Manch ein Fan sieht darin im Übrigen bis heute den entscheidenden Schritt, der letztlich vier Jahre später zur Einstellung der Serie führte. Doch viele der von den Machern im Kontext der unausweichlichen Neuausrichtung getroffenen Entscheidungen waren nachvollziehbar und zeugten von einem klaren Plan: So nutzte man die Gunst der Stunde, um – aus Sicht der langjährigen Fans – „endlich“ das As aus dem Ärmel zu schütteln, auf das diese im Grunde seit 2001 gehofft hatten: Das Comeback von Clarissa von Anstetten, einer der wohl besten Antagonistinnen, die TV-Deutschland je gesehen hat.
Den Kontrahentinnen waren – gemessen an der Qualität ihrer früheren Auseinandersetzungen – regelrecht die Krallen zum Ausfahren abhandengekommen. Die eine, Tanja, zeigte sich nach ihrem Wiedereinstieg 2004 spätestens mit der Geburt ihres ersten Kindes immer häufiger wesentlich nahbarer als gewohnt und ja, für das Geschäft war sie nach wie vor bereit, viel zu tun, von der eiskalten Killerin von einst war jedoch irgendwann nur noch wenig übrig. Die Hoffnung der Fans: Mit dem Auftauchen ihrer alten Erzfeindin würde die aktuelle Gräfin Lahnstein und ehemalige Gräfin Anstetten wieder zu alter Form auflaufen. Nur: Auch Clarissa entdeckte ihre weiche Seite – als Großmutter, richtig gehört: als Oma! Selbstverständlich waren diese Entwicklungen auf der einen wie auf der anderen Seite schlüssig und fügten sich organisch in die Gesamtgeschichte ein, waren aber an einem solch entscheidenden Moment für die weitere Ausrichtung des Formats problematisch. Nun soll allerdings auch kein falscher Eindruck entstehen: Die beiden ließen keine Gelegenheit aus, um der jeweils anderen zu schaden und zur alleinigen Chefin von „Ligne Clarisse Lahnstein" zu werden, doch es fehlte eben diese Kompromisslosigkeit, dieses „Alles-auf-eine-Karte-Setzen".
Allerspätestens ab diesem Moment Anfang 2013 verlor sich die Glamour-Soap mehr und mehr im Klein-Klein. So konnte man in vielen Fällen gar nicht mehr von echten Intrigen sprechen, da es sich oftmals eigentlich nur um kurzfristige „taktische Manöver“ – gern auch innerhalb der Familie von Lahnstein – handelte und die eine große dramatische Geschichte fehlte. Als man diese über Familie Berg, Alexa (Henrike Fehrs) und deren Vater (Bernd Reheuser), nachzureichen versuchte, fühlte es sich dann bedauerlicherweise auch genau so an: Das Pacing stimmte einfach nicht und darüber hinaus sprach wenig dafür, dass sich hieraus eine neue langanhaltende Rivalität entwickeln würde. Hinterher ist man selbstredend immer schlauer und beweisen lässt sich diese These ebenfalls nicht, nur: Die Daily, die man von der Tonalität womöglich am ehesten mit «Verbotene Liebe» vergleichen könnte, ist «The Bold and The Beautiful» («Reich und Schön»), eine der weltweit bekanntesten, langlebigsten (seit 1987 on air) und erfolgreichsten „Soap Operas“ überhaupt. Und dort dreht sich alles seit jeher um die Forresters und die Logans – und gelegentlich auch um weitere „Clans“ wie die Spectras oder Spencers.
Das Argument „Cast-Größe“ kann hier nur bedingt als Erklärung herhalten, da Branchenkenner stets betonen, dass ein festes Team aus 20 Schauspielerinnen und Schauspielern ideal für ein solches Format sei. Im Umkehrschluss würde dies bedeuten, dass sich die Zusammensetzung ändern müsste – und zwar auf Kosten einiger Akteure, die eben nicht der Uperclass angehören. Und diese Gruppe hat selbst «VL» nie zu sehr ausgedünnt. Sicherlich einerseits, weil die Macher in einem Kosmos, in dem Luxus in sämtlichen Facetten vorhanden ist, viel Wert darauf legen, diesen durch die Abbildung des „normalen Alltags“ vieler Menschen angemessen zur Geltung kommen zu lassen. Andererseits aber auch schlicht deshalb, weil ebenjene den Zuschauerinnen und Zuschauern ein viel größeres Identifikationspotenzial bieten. Und ja, schaut man in Kommentarbereiche auf Fanseiten, in Mediatheken oder unter Trailern fällt immer wieder auf, wie wichtig es für viele hierzulande ist, dass das Dargestellte in irgendeiner Form einen Realitätsbezug hat. Und dieser wäre in einer nahezu ausschließlich von Mitgliedern der feinen Gesellschaft handelnden Produktion weitaus schwieriger herzustellen.
Rückblickend ist es aber durchaus legitim, zu fragen, ob dieses Daily Drama, das so gut wie kein anderer deutscher Genrevertreter „Drama konnte“, nicht – spätestens, als sich abzeichnete, dass ein Aus ein durchaus realistisches Szenario war – hätte mutiger und mit mehr Risiko erzählt werden müssen. Immerhin wurde das Prinzip „Larger than life“ bei dieser Serie immer schon großgeschrieben. Warum es also nicht richtig ausreizen? So hätte auch der Letzte erkannt, wie klar sich «Verbotene Liebe» von den übrigen „Seifenopern“ abgrenzen lässt. Denn «Marienhof» war beispielsweise noch einmal bodenständiger als «Unter uns», «Alles was zählt» hat zwar die Steinkamps, allerdings auch sehr viel Sport, während «GZSZ» sich längst als „Großstadttitel“ etabliert hat. Die Unverwechselbarkeit des Formats durch etwa den Einbau einer weiteren reichen Familie, die nicht als schlichter Ersatz für die aktuelle (gängige Praxis bisher) gedacht war, wäre auf diese Weise noch mehr betont worden und hätte mutmaßlich nach einiger Zeit auch wieder zur „Relevanzsteigerung“ von «VL» geführt.
Als dann schließlich von Senderseite verlautbart wurde, sich von dem 18.00h-Platzhirsch ebenfalls von einst trennen zu wollen, mobilisierte dies noch einmal zahlreiche Fans und die zuständigen Kreativen bei UFA Serial Drama dazu, zu versuchen, das scheinbar Unvermeidliche doch noch abzuwenden. Und tatsächlich: Es gelang ihnen auf diese Weise, das eigentlich bereits besiegelte Ende dieser Ära immerhin hinauszögern zu können: Im Februar 2015 wurde aus der Daily nämlich eine Weekly. Der ohnehin schon im Vergleich sehr hochwertige Look wurde im Zuge dessen nochmals optimiert und es wurde fortan fokussierter erzählt. Das Ergebnis konnte sich definitiv sehen lassen und war ein klarer Schritt in die richtige Richtung, „All-in“ – im oben erläuterten Sinne – ging man jedoch auch diesmal nicht. Dass man sich angesichts der geringeren Schlagzahl in Zukunft aber noch das eine oder andere mehr als in der jüngeren Vergangenheit getraut hatte, ist nicht gerade unwahrscheinlich. Zu diesem Zeitpunkt war das Kind allerdings genau genommen längst in den Brunnen gefallen, denn Sendeplätze müssen bekanntlich „gelernt“ werden, und das ist bei einer wöchentlichen Ausstrahlung selbstverständlich anspruchsvoller als bei einer täglichen. Doch das eine, was «Verbotene Liebe» nicht mehr hatte, war Zeit, weshalb Ende Juni 2015 die endgültig letzte Folge 4664 ausgestrahlt wurde.
Sat.1 hat mit «Alles oder Nichts» einen ersten respektablen Versuch unternommen, eine Serie zu etablieren, die am ehesten als würdiger «Verbotene Liebe»-Nachfolger durchgehen würde – und ist aus unterschiedlichen Gründen, die noch zu bereden sein werden, damit gescheitert. Dennoch sollte man jeden, der auch nur mit dem Gedanken spielt, sich als Nächstes dieser Herausforderung zu stellen, gut zureden. Eine solche Produktion hat nämlich nach wie vor großes Potenzial, auch wieder verstärkt, jüngere Menschen zu erreichen – vielleicht aber eher auf einem der großen Streamingportale, die – Mediatheken und YouTube beweisen es (s. etwa «SdL») – für Daily-Formate wie geschaffen zu sein scheinen.