Die Kino-Kritiker

«Snow White & The Huntsman»

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Nur wenige Wochen nach der Schneewittchen-Verfilmung «Spieglein, Spieglein» versuchte sich nun auch Werbefilmer Rupert Sanders an dem altbewährten Stoff der Grimm-Brüder. Heraus kam eine seltsame Mischung aus Fantasy-, Action- und kitschigem Märchenfilm.

Einst erschlich sich die böse Ravenna (Charlize Theron) den Platz im Herzen von König Magnus (Noah Huntley), doch ihr gelüstete es lediglich nach der Krone. Nach einem kaltblütigen Mord an ihrem Gatten bestieg sie den Thron und machte es sich fortan zur Aufgabe, als Schönste im ganzen Land und eisiger Hand über das Königreich zu regieren. Doch diese Rechnung machte sie ohne ihre Stieftochter Snow White (Kristen Stewart), denn mit ihren Lippen so rot wie Blut, ihrer Haut so weiß wie Schnee und ihrem Haar, so schwarz wie das Gefieder eines Raben überstrahlte sie ihre böse Stiefmutter mit ihrer Schönheit und vor allem mit ihrem reinen Herzen. So verbrachte sie ihre ersten Lebensjahre eingesperrt im Turm des Schlosses, bis ihr mit Hinterlist der Ausbruch glücken sollte. Auf der Flucht vor dem Bösen, mithilfe sämtlicher Zwei- und Vierbeiner gelingt es ihr, einen ausgereiften Plan zur Überwältigung der Königin auszutüftelt und sogar den auf sie angesetzten Huntsman (Chris Hemsworth) auf ihre Seite zu ziehen, der im Auftrag der Königin zunächst Jagd auf die holde Unschuld machte. Und so merkt Königin Ravenna in freudiger Erwartung auf die Ankunft ihrer Tochter nicht, dass bereits eine von Snow White angeführte Armee an Kriegern auf dem Weg zum Schloss ist.

Die zweite Verfilmung des Grimmschen Märchenklassikers „Schneewittchen“ in diesem Jahr kommt, im Gegensatz zum amüsanten «Spieglein, Spieglein», als düsteres Fantasyspektakel daher. Diese neue Herangehensweise hätte, wie von den Machern zuvor angekündigt, zu einem zeitlosen Epos werden können, wenn aus «Snow White and the Huntsman» nicht ein kurioser Misch-Masch aus «Der Herr der Ringe», «Die unendliche Geschichte» und der Otto Waalkes-Version von «Sieben Zwerge» geworden wäre. Allein diese Filme in einem Atemzug zu nennen und darauf hinzudeuten, dass sich sämtliche Attribute dieser mehr oder weniger erfolgreichen Streifen in einem Film vereinen, mutet kurios an. Doch genau so präsentiert sich «Snow White» tatsächlich.

Im Grunde lässt sich die Geschichte um Snow White, die vor der bösen Königin Ravenna flieht und schließlich vom Jägersmann – auch in der deutschen Version konsequent „Huntsman“ genannt – gejagt wird, in drei Teile aufteilen. Der erste Teil erzählt die Geschichte rund um die böse Königin und Stiefmutter von Snow White, die sich einst durch einen Trick in das Königshaus von Snow Whites Vater König Magnus schlich, sich mit ihm verheiraten ließ und ihn anschließend umbrachte. Es zeigt sich die Veränderung des Königreiches vom prunkvollen Schloss in kitschig harmonischer Landschaft zum düsteren Ort, an welchem kein Leben mehr entsteht und jede Existenz vor sich hinvegetiert. Das allerdings in solch düsteren Bildern und teilweise unter Nutzung von Horrorelementen, dass die angesprochene Zielgruppe, Mädchen und junge Frauen, eher verschreckt als angesprochen werden dürfte.

Da nur Snow White das Königreich von dieser Tristesse zu befreien vermag, sperrt Ravenna die 19-Jährige in einen dunklen Turm. Nach Snow Whites Flucht, dem Zusammentreffen mit dem Huntsman und dem gemeinsamen Plan, die böse Königin zu Fall zu bringen, trifft das ungleiche Duo auf die sieben Zwerge. Von hier an beginnt atmosphärisch betrachtet der zweite Teil, der solch ein großes Kontrastprogramm zur ersten Dreiviertelstunde bietet, dass man als geneigter Zuschauer meinen könnte, da hätte heimlich wer die Filmrolle ausgetauscht. Denn im „Feenland“ ist nichts mehr zu spüren von der Düsternis in unmittelbarer Nähe zum Königsschloss. Hier herrschen paradiesische Zustände, märchenhafte Harfenklänge untermalen das kitschige Geschehen und all die schlechte Laune scheint wie weggefegt. Und auch der Huntsman entwickelt in dieser Umgebung, wie für das klassische Prinzessinnen-Märchen üblich, allzu schnell Gefühle für die hübsche Snow White, was allerdings dazu führt, dass die aufkeimenden Liebeleien durch die rasende Entwicklung an Tiefe und Ernsthaftigkeit verlieren.

Allzu lange dauert diese quietschbunte Harmonie allerdings nicht an, denn schließlich benötigt jedes Epos sein großes Finale, in welchem sich Gut und Böse gegenüber stehen. Dass dies in einer großen Schlacht am besten funktioniert, ist seit jeher ein ungeschriebenes Gesetz im Fantasy-Genre.

Eigentlich hätte «Snow White and the Huntsman» viel Potential gehabt, diesem zeitlosen Märchen einen neuen Look zu verpassen, es optisch aufzupeppen, dann ins Hier und Heute zu schicken und schließlich auf das verwöhnte Publikum loszulassen. Doch leider verschenkte Regisseur Rupert Sanders, bislang ausschließlich für Werbefilme bekannt, sämtliches Potential. Optisch wurde aus «Snow White» ein zweites «Der Herr der Ringe». Doch während der erfolgreichen Trilogie jedwede Opulenz gebührt, so wirkt sie bei «Snow White» aufgesetzt und mehr gewollt als gekonnt. Daran ist vor allem die gewöhnungsbedürftige Bildqualität Schuld, die nicht ansatzweise Kinoqualität hat und szenisch beeindruckenden Bildern, die «Snow White and the Huntsman» unter all seiner Skurrilität trotzdem birgt, die Bildgewalt raubt. Selbiges gilt für die deutsche Synchronisation, die im Schnellverfahren innerhalb einer Woche entstand und damit ordentlich an Qualität einbüßen musste.

Schauspielerisch ist Charlize Theron als böse Königin das ganz klare Highlight des Films. Ihre Bosheit ist fast spürbar, ihre ansehnliche Optik täuscht zu keinem Zeitpunkt über versteinerte Mienen und ihren herzlosen Charakter hinweg. Im Bezug auf die Effekte wurde bei ihr ganze Arbeit geleistet, da sie in mehreren Szenen altert, um sich wenig später wieder zu verjüngen. Auch die weltbekannte Kostümdesignerin Colleen Atwood, die bereits für die Neuverfilmung von «Alice im Wunderland» tätig war, durfte sich laut eigenen Angaben bei Theron austoben, sodass sämtliche Roben mit beachtenswerter Liebe zu Detail verzaubern. Dass ausgerechnet die unscheinbare Kristen Stewart das immer als „viel schöner“ dargestellte Schneewittchen spielt, ist irritierend, da sie optisch zu keinem Zeitpunkt an Theron heranreicht. Und auch das gute Herz, das Snow White zur Guten im Märchen macht, kann man oftmals nur erahnen, wenn sie Gefangene nicht befreit oder ihr Pferd im Sumpf versinken lässt. Dem als «Thor» der breiteren Masse bekannt gewordenen Chris Hemsworth steht die Rolle des Jägersmannes hingegen gut zu Gesicht. Unrasiert mit längeren Haaren und einem rauen Auftreten besetzt er den Huntsman optimal.

Fazit: Der Regisseur von «Snow White and the Huntsman» scheint zu viel gewollt, dabei allerdings zu wenig gekonnt umgesetzt zu haben. Während der eine Teil viel zu düster geraten ist, ist der andere zu gewollt komisch und dabei unpassend humoristisch gelungen. Richtig unangenehm wird es dann, wenn man sich dabei ertappt, zu grinsen, sich aber im selben Moment fragt, ob beabsichtigt oder unfreiwillig. Die Schauspielerleistungen sind gut, doch Kristen Stewart als «Snow White» funktioniert nicht. Sie ist zu ausdruckslos und hat schlichtweg nicht die Ausstrahlung einer zukünftigen Prinzessin. Auf Durchschnittsniveau hebt sich «Snow White» schließlich aber doch noch, da vor allem die Bildsprache beeindruckend ist, wenngleich sie stark unter der bereits erwähnten Qualität leidet. Vor allem ist positiv hervorzuheben, dass gewisse Szenenabfolgen ganz klar dem Disney-Zeichentrickfilm von 1937 entstammen und sich erstaunlich nah am Original orientieren. Jedoch bleibt damit die Frage offen, wer sich diese Neuverfilmung von Schneewittchen anschauen sollte. Auch, wenn in den kommenden Wochen wenig Konkurrenz in den cinematischen Startlöchern steht.

«Snow White & The Huntsman» startet am 31. Mai 2012 in vielen deutschen Kinos.

Kurz-URL: qmde.de/56981
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