360 Grad

Noch eine «Lena»

von
Julian Miller über «Lena», die neue Telenovela des ZDF, und ihre Erfolgsaussichten.

Haben manche ein bestimmtes Alter überschritten, setzt bei ihnen der Jugendwahn ein. Man will hip, cool und trendy sein, trotz Bierbauch und Falten. Viele meinen, dies dadurch bewerkstelligen zu können, dass man sich die Haare so knallrot wie ein Feuerwehrauto färbt. Man gibt Unmengen an Geld für Anti-Faltencreme aus, und wer es sich leisten kann, spritzt sich als Ultima Ratio gerne tonnenweise Botox. Das ZDF scheint derzeit, mit ähnlichen Komplexen zu kämpfen und wohl auch zu ähnlichen Mitteln zu greifen. Die televisionäre Allegorie der Anti-Faltencreme ist wohl «Lena», die neue Telenovela des Senders.

Anders als ihre Vorgängerinnen «Alisa» und «Hanna» soll «Lena» ganz klar die Zielgruppe der 14-49jährigen ansprechen. War man bisher im Telenovela-Geschäft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens eher sehr bieder, wird in einer der ersten Folgen von «Lena» gleich mal ein One-Night-Stand gezeigt. Während es sich bei den Szenen der meisten bisherigen Serien dieser Machart um ellenlange Kitschansammlungen handelte, wird in der neuen Variante deutlich zackiger geschnitten. Auch wenn der Kitsch größtenteils geblieben ist. In ihrer Vorliebe dafür scheinen die Generationen den Autoren nach wohl vereint zu sein.

Bereits vor knapp einem Jahr versuchte das ZDF im Milieu der jüngeren Zuschauer zu wildern. Damals startete man in aktionistischer Manier mit ZDFneo gleich einen ganz neuen Kanal, der hauptsächlich mit US-Serien eine neue Generation zur Senderfamilie bringen sollte. Ob dieses Experiment geglückt ist, ist strittig. Schließlich lassen sich Spartensenderquoten im gerade so messbaren Bereich je nach Erwartungshaltung deuten, womit das ZDF mit seinem Neo-Projekt selbstverständlich einen Triumph nach dem anderen verkünden kann, sofern man den Erfolgsdruck nur weit genug zurückschraubt.

Mit «Lena» will man nun einen ersten Schritt machen, um auch im Hauptsender irgendwann das Klischee des Grauen-Panther-Kanals aus der Welt schaffen zu können. Um allerdings das Stammpublikum nicht zu vergraulen, ist hier Diplomatie gefragt. Die Produzenten Quirin Berg und Max Wiedemann erläuterten, man wolle hauptsächlich „in der Masse breiter werden“. Wohl deswegen sind in der Figurenorchestrierung der Serie auch gleich drei Generationen vertreten, jede auf ihre Weise im Rahmen der dramaturgischen Möglichkeiten dabei sehr stark. Man will Fernsehen für alle machen, gleichzeitig aber insbesondere ein junges Publikum an den Sender binden, das bei «Alisa» noch genervt zum RTL-Saustall gezappt hat. «Lena» soll ein Neuanfang werden, weswegen auch die bisher für ZDF-Telenovelas zuständige Produktionsfirma Grundy Ufa nicht für die neue Serie zuständig ist.

Man beruft sich ein wenig auf das, was bei Sat.1 am Anfang der deutschen Telenovela-Geschichte funktionierte. Wie «Verliebt in Berlin» eine Adaption eines lateinamerikanischen Formats war, so stammt auch das Konzept von «Lena» mit «Don Juan y su Bella Dama» aus Argentinien. Für den deutschen Privatsender ging die Rechnung damals auf: seichte Stories, armes Hascherl, junges Publikum, klasse Quoten. Das ZDF scheint nun ebenfalls eben diese Rechnung zu verfolgen. Doch aufgrund der bisherigen Aversion junger Zuschauer für ZDF-Fiction wird es zumindest längere Zeit dauern, bis eine wirkliche Marktanteilssteigerung in der Zielgruppe eintreten wird. Denn auch mit dieser kleineren Neuerung, eine Telenovela für die Unter-50-Generation zu machen, steckt unter den Talaren des ZDF wohl immer noch der Muff von 1000, pardon, 47 Jahren. Hoffen wir nur, dass «Lena» nicht zur ZDF-Version der Uschi-Glas-Hautcreme mutiert.

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