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Schawinski über «Blackout»-Flop: 'Blankes Entsetzen'

von  |  Quelle: Zeit Magazin Leben
In seinem Buch beschreibt der ehemalige Sat.1-Chef Roger Schawinski unter anderem die Entstehung des großen Film-Flops.

Foto: Sat.1Seit Monaten befindet sich Sat.1 auf einem ungewissen Weg: Die Quoten stimmen nur selten und seit der Übernahme des Fernsehkonzerns ProSiebenSat.1 sind negative Schlagzeilen über den Sender beinahe an der Tagesordnung. Nun meldet sich auch noch der ehemalige Sat.1-Geschäftsführer Roger Schawinski zu Wort, der Ende 2006 seinen Hut nahm. In seinem Buch "Die TV-Falle", das im September erscheinen soll, nimmt seine Zeit in Berlin einen großen Platz ein.

Nun veröffentliche das "Zeit Magazin Leben" einen längeren Auszug aus Schawinskis Medienbuch - er handelt von der Entstehung des im vergangenen Jahr spektakulär gefloppten Mehrteilers «Blackout», aber auch von der Zeit, nachdem die miesen Quoten auf dem Tisch lagen. Am Morgen nach der Ausstrahlung habe sich Schawinski die Zuschauerzahlen angesehen: "Aufgeregt spulte ich die einzelnen Sendungen herunter, bis ich es vor mir sah: Blackout 7,0 Prozent. Ich erstarrte augenblicklich. 7 Prozent! Das war eine Katastrophe! 7 Prozent. Wie war das möglich? Was war passiert?", schreibt der ehemalige Geschäftsführer in seinem Buch.




Foto: Sat.1Als er in den Sender kam, erlebte er auf den Gängen "eine Trauer, die alles und jeden erfasst hatte, wie mir schien". Schawinski weiter: "Meine Sekretärin empfing mich, als sei ein Todesfall zu beklagen. Auf unserer Wochensitzung bemühte ich mich um Contenance, aber das blanke Entsetzen über das Vorgefallene schlug mir weiterhin entgegen." Besonders bitter: Obwohl das Vorprogramm hervorragende Quoten erzielte, ging «Blackout» baden. "Doch sobald der Vorspann für Blackout anlief, raste die Quote in die Tiefe. Bereits nach zwei Minuten war sie bei 7 Prozent angelangt, wo sie dann weitgehend verharrte. Das heißt, die allermeisten unserer Zuschauer hatten sich schon im Vorfeld entschieden, dieses Programm nicht sehen zu wollen. Sie hatten ihm nicht den Hauch einer Chance gegeben!", zeigt sich Schawinski enttäuscht.

Dabei wollte sich Schawinski deutlich von RTL abgrenzen, dessen Mitgründer Helmut Thoma einst mit Sätzen wie "Im Seichten kann man nicht ertrinken" oder "Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler" auf sich aufmerksam machte. Mit Qualität wollte er Sat.1 nach vorne bringen. Doch das war letztlich nicht so einfach, wie Roger Schawinski schon nach dem ersten Ansehen von «Blackout» festellen musste. Als wir den Rohschnitt der ersten Folgen sahen, waren wir verstört. "Noch nie hatten wir etwas ähnlich Radikales, Eindringliches gesehen. Noch nie waren solche Abgründe in einer solchen Stringenz gezeigt worden. Es war großartig, ohne Zweifel, aber würde der Zuschauer der Komplexität der Handlung folgen können?"

Logo: Sat.1Diese Frage stellte er sich damals wohl nicht ganz zu unrecht. In der Folge sei ein Streit zwischen der damaligen Fiction-Chefin Alicia Remirez und Peter Keglevic entbrannt. Letztlich gab es dann doch eine Einigung, allerdings sorgte schon die anschließend durchgeführte Marktforschung wieder für Ernüchterung. "Folge 1 ist zu kompliziert, zu verworren, teilweise langatmig und kognitiv beanspruchend. Das Charaktergefüge insgesamt wird zwar als schlüssig und gut besetzt erlebt, aber es gibt nach zwei Folgen – vor allem für die Frauen – zu wenige Figuren, die sich als eindeutig 'Gute' einordnen lassen. Frauen können ihre Harmoniebedürfnisse bisher nur wenig befriedigen, ihnen werden zu wenige positive und emotional 'wärmere' Momente geboten", zitiert Schawinski aus der Zusammenfassung.

Die Resultate bezeichnet der Schweizer heute in seinem Buch als "ernüchternd". Nach der Ausstrahlung und der mäßigen Zuschauerresonanz brachte es Alicia Remirez laut Schawinski auf den Punkt: "Wir haben nur einen einzigen Fehler gemacht", zitiert er sie in seinem Buch, „wir hätten diesen Stoff nie machen sollen." Auch Schawinski selbst sieht inzwischen einen Fehler, wenngleich er sich keineswegs für seine Arbeit schämen muss: "Wir waren mit wehenden Fahnen untergegangen, weil wir unser allerwichtigstes Ziel – Fernsehen für ein großes Publikum herzustellen – nicht zum alleinigen Fokus unserer Bemühungen gemacht hatten. Wir hatten gehofft, dass der Köder diesmal dem Fisch und dem Angler zugleich schmecken würde, aber wir Macher hatten den Schmaus vorwiegend mit unserem eigenen Gaumen abgeschmeckt. Das war eine Falle."

Das Buch "Die TV-Falle. Vom Sendungsbewusstsein zum Fernsehgeschäft" erscheint demnächst im "Kein & Aber Verlag" zum Preis von 16,90 Euro.

Kurz-URL: qmde.de/21733
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