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Hinter den Kulissen von «Sturm der Liebe»

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Seite 2 Nun kann man eine Telenovela mit einer normalen Soap eigentlich nicht vergleichen: In dem aus dem vorrevolutionären Kuba stammenden Format dreht sich alles um eine – meist weibliche – Hauptperson. „Im Unterschied zu Seifenopern haben Telenovelas jedoch einen klar definierten Anfang und ein vorher festgelegtes Ende, normalerweise dauern sie mindestens vier Monate bis maximal ein Jahr (80 - 250 Kapitel)“ – so zumindest definiert die freie Enzyklopädie Wikipedia das Format. Eine Definition, mit der sich Süß etwas schwer tut. „Ich würde es einfacher erklären: Man erzählt eine Geschichte, die endlich ist.“



Trotz des wahren Booms, welchen die Formate im vergangenen Jahr erlebten – einige Kritikpunkte bleiben: So wird dem Genre an sich vorgeworfen, die Welt in schwarz und weiß zu unterteilen: So gibt es in jeder Serie etwa zwei Fieslinge, die im Normalfall vor nichts zurückschrecken und das Böse personifizieren. Alle anderen Figuren sind in der Regel liebeswert. Doch genau in diesem Punkt unterscheidet sich «Sturm der Liebe» von der klassischen Telenovela, meint zumindest Chefautor Süß: Besagte Figuren nennt er „Plus-Minus-Figuren, das sind Figuren, die sowohl positive als auch negative Charaktereigenschaften auf sich vereinigen. Robert beispielsweise ist aufbrausend, mitunter zynisch und jähzornig, zugleich aber auch ein hochsensibler Koch, der seine Mutter über alles liebt,“ so Süß. „Es ist eine wunderbare Erfahrung, dass Plus-Minus-Figuren wie Werner oder Robert Saalfeld bei den Zuschauern besonders beliebt sind.“ Sein Erfolgsrezept: „Jeder Zuschauer soll sich mit einer Figur in der Geschichte voll und ganz identifizieren und eine Figur so hassen, dass dadurch ebenfalls eine emotionale Bindung entsteht.“



Von der Idee über den Dreh bis zur Ausstrahlung

Bevor eine Geschichte, die sich Peter Süß an seinem Schreibtisch ausdenkt, dann die Zuschauer vor den Fernsehern erreicht, vergeht eine gewisse Zeit. „Die Idee wird mit dem Produzenten und dem Sender abgestimmt“, erklärt der Chefautor die Vorgehensweise. Sind alle Beteiligten einverstanden, beginnt die eigentliche Arbeit. Storyliner und Dialogautoren beginnen, die Geschichte umzusetzen. Etwa acht Wochen später werden die entsprechenden Szenen dann gedreht. Letztlich vergehen nochmals etwa acht Wochen bis die entsprechenden Szenen über den Bildschirm flimmern. „Das ist das Tolle daran“, sagt Süß, „man weiß, dass die Idee in etwa vier bis fünf Monaten auch wirklich zu sehen ist.“ Dies sei auch der große Unterschied zu Filmautoren. „Die müssen manchmal ein bis zwei Jahre warten, bis ihre Bücher von einem großen Publikum begutachtet werden.“








Kalte Abreise

Ob alle seine Ideen auch wirklich umgesetzt werden, steht dann aber noch nicht fest. Das liegt nicht nur am Produzenten oder am Sender, sondern teilweise auch an ihm selbst. „Es kommt auch vor, dass ich die Geschichte umschreibe, weil sie mir nicht mehr gefällt.“ Bestes Beispiel sei hierfür die Story mit dem Titel „Kalte Abreise“. Rentner Franz Hochleitner, gespielt von Wolfgang Freundorfer, sollte aus der Serie ausscheiden – und tat dies dann auch auf spektakuläre Art und Weise. Am Morgen nach seiner Hochzeitsnacht lag die Frohnatur leblos im Bett. „Diese Geschichte wollte ich schon immer einmal schreiben. Ein Toter – das ist für ein Hotel natürlich der Supergau.“ Nach ersten Schock waren nicht nur die Ehefrau Hochleitners, sondern auch das gesamte Hotelpersonal darum bemüht, dem Gast seinen letzten Wunsch zu erfüllen: Er wollte in Italien unter Olivenbäumen auf seinem kleinen Grundstück beigesetzt werden. Ein großes Problem stellte allerdings seine geldgierige Verwandtschaft dar, die in der Hotelhalle samt Anwalt schon wartete – aber nicht wusste, dass Frank bereits verstorben war.



So wurde der leblose Franz Hochleitner in einem Wäschewagen aus dem Hotel (im Bild: Das «Sturm der Liebe»-Hotel "Fürstenhof") transportiert und in einen weißen Kastenwagen verfrachtet. „Das war eine richtig schwarze Komödie – etwas, das man in einer Telenovela nicht vermuten würde“, erinnert sich Autor Süß zurück. Am Ende gab es doch ein Happy End: Franz erwachte mitten auf der Fahrt in den Süden wieder und erfreut sich nun an seinem schönen Leben bei seinen Olivenbäumen. „Eigentlich sollte er sterben“, plaudert Süß aus dem Nähkästchen. „Als ich dann aber die ersten Folgen mit ihm in seiner Rolle gesehen habe, entschied ich mich um“, so Süß. Die Figur sei einfach zu knuffig gewesen, als dass man sie hätte sterben lassen können. „Ich glaube, das hätten uns die Zuschauer verübelt.“



Neben einem Toten in der Hochzeitsnacht kennt Süß auch sonst keine wirklichen Tabuthemen – alles müsse sich lediglich innerhalb des finanziellen und produktionsbedingten Rahmens bewegen. „Aber innerhalb dieses Rahmens kann man viel machen und somit den Rahmen unter Umständen auch erweitern“, scherzt er. Von zu düsteren Geschichten sieht er allerdings doch ab. „Ich denke, es ist logisch, dass wir keine Geschichte über Terroristen erzählen, die gerade einen Massenmord planen“, sagt Süß.



Rund 30 Köpfe tüfteln tagtäglich an den Geschichten rund um den „Fürstenhof.“ Sie sind aufgeteilt in zwei Abteilungen: Etwa 10 Storyliner beschäftigt die ARD-Telenovela. Sie schreiben die jeweiligen Szenen als Storyline – beschreiben, was in der Szene passiert, wo sie stattfindet und welche Personen darin vorkommen. Anschließend entwickeln rund 15 Autoren die Dialoge, die die Rollen letztlich dann auch sprechen. Hinzu kommen noch fünf weitere Schreiber, die für die Dramaturgie zuständig sind.



Dass auch Autoren mit der Zeit gehen müssen, hat Süß selbst gespürt: „Früher habe ich die Stränge nach einem festen Plan gebaut“, erzählt er. So ging eine Geschichte zunächst über drei Episoden, machte dann zwei Folgen lang Pause und wurde wieder drei Episoden lang erzählt. „Hier haben sich die Sehgewohnheiten klar verändert“, erklärt er. Waren früher etwa drei Handlungsstränge parallel in einer Folge üblich, ist die Anzahl der parallel laufenden Geschichten mittlerweile deutlich angestiegen. „Wenn ich mir zum Beispiel «Emergency Room» ansehe, dann werde ich teilweise mit bis zu zehn Strängen konfrontiert“, sagt Süß.



Ohnehin lobt er die Arbeit seiner US-Kollegen. „US-Serien wie eben «Emergency Room», oder auch «Lost» (Foto) sind einfach gut erzählt.“ Zu seinen Lieblingen im US-TV gehört aber auch «CSI» und «Desperate Housewives». „Das ist schon ein Unterschied im Vergleich zu Deutschland.“ Dies liege aber vor allem an der von Grund auf anderen Struktur des US-Fernsehens. Dort hätten die Writer und die Producer die Macht, lobt Süß.



Genauere Pläne für seinen weiteren Werdegang hat der 41-Jährige noch nicht. „Ich habe eigentlich auch nie längerfristige Pläne gehabt,“ erinnert er sich zurück. „Alle meine Planungen gingen so lange, wie auch mein aktueller Vertrag lief“ – und das sei auch gut so. Das Schlimmste sei ohnehin, so Süß, sich bei seiner eigenen Routine zu erwischen. Routine hätte sich bei «Sturm der Liebe» aber keinesfalls eingestellt. Für die kommenden Wochen und Monate verspricht der Chefautor der Telenovela viele spannende und neue Geschichten. Zudem würden neue Gesichter den Cast hervorragend ergänzen.


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