Die Kino-Kritiker

«Ready Player One»: 'Oh, hey, das kenne ich!' – Der Film

von   |  4 Kommentare

Steven Spielberg nimmt eine Kiste Nostalgie, schüttet sie auf der Leinwand aus und hofft auf Applaus. Den wird er zweifelsohne auch erhalten – aber auch das eine oder andere Augenrollen.

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Viel Gerede rund ums Rumspielen


Für einen Film, der einfach nur spielen will, schwafelt «Ready Player One» ganz schön viel heiße Luft, statt sich voll seinem Spieltrieb hinzugeben. Eine gute Handvoll an Filmreferenzen wird erklärt, was jeglicher Logik entbehrt. Wer im Kinosaal sitzt, «Ready Player One» schaut und eine gen Kamera springende Figur nicht erkennt, wird nicht auf einmal großen Spaß an den vorhergegangenen zwei, drei Sekunden haben, weil jemand auf der Leinwand sagt: "Oh, schau, das war Figur XY!" Und wer die Figur erkannt und sich an ihrem Cameo erfeut hat, hat nicht plötzlich den doppelten Spaß an diesem Gastauftritt, weil zudem der Name der Figur genannt wurde.

Zudem scheinen Cline, der an der Drehbuchadaption seines Romans mitgewirkt hat, und «Marvel's The Avengers»-Ko-Autor Zak Penn ihrem Publikum nicht zuzutrauen, während dieses Effekt- und Referenzgewitters ihre Konzentrationsfähigkeit aufrecht zu halten. Mehrmals werden Plotmechanismen bis ins kleinste Detail erläutert – und unmittelbar danach erneut erklärt und sicherheitshalber schon wieder angesprochen. Nur so, für den Fall, dass man beim ersten Mal etwas zu laut Nachos geknabbert hat und beim zweiten Mal kurz nicht hinhörte.

Diese redundanten Erläuterungen, "Noch einmal, nur anders formuliert"-Wiederholungen und erneuten Rückversicherungen nehmen «Ready Player One» narrativen Schwung und hemmen so die Spannungskurve. So bedrohlich können die Gefahren, denen sich die Protagonisten stellen, ja nicht sein, wenn sie Zeit haben, dieselbe Aussage zwei, drei Mal direkt hintereinander zu tätigen. Ebenso nimmt die Glaubwürdigkeit der Filmwelt Risse an, wenn die Hinweise auf die zu suchenden Easter Eggs in der OASIS mit der Deutlichkeit einer Michael-Bay-Explosion daherkommen, und sie angeblich trotzdem jahrelang niemand begriffen hat. Aber gut, vielleicht haben die Stunden, Tage, Wochen, die die Figuren aus «Ready Player One» in der hibbeligen OASIS verbracht haben, ihre Kombinationsfähigkeiten zersetzt, wer weiß das schon.

«Ready Player One» läuft immer dann zu Höchstform auf, wenn Steven Spielberg die austauschbaren Helden dieses Stoffes nimmt, die Dialoge auf das Nötigste drosselt und das, was er hier die ganze Zeit treibt, mit voller Inbrunst macht. Sobald sich der «Indiana Jones»-Regisseur seine Spielsachen schnappt, und sie einfach mit wilder Freude zusammenwirft, ist diese Bestselleradaption sich selber gegenüber endlich vollauf ehrlich – und profitiert von Spielbergs jahrzehntelanger Erfahrung als Orchestrator unterhaltsamer Actionspektakel.

Eine frühe Actionsequenz in Form eines extrem chaotischen Wettrennens ist die pure Umsetzung des in dieser Kritik mehrmals herangezogenen Spielstundenvergleichs: Unzählige Referenzen flirren über die Leinwand, und so turbulent das Geschehen sein mag, sorgt Spielberg dank souveräner Kamera- und Schnittarbeit für Übersichtlichkeit. Die Sequenz mag angesichts der dürftigen Figurenzeichnung und der überdeutlichen "Alles kann, nichts muss"-Attitüde nicht gerade als Exempel für nervenaufreibende Actionpassagen dienen, als überwältigende Sinnesattacke macht sie aber sehr wohl Spaß. Selbiges gilt für eine spätere Hetzjagd. Das Finale dagegen ist kaum mehr als «Der Hobbit – Die Schlacht der fünf Heere»-mäßiges Pixelgekloppe, doch durch eine geschickte Parallelmontage und ein paar vorsichtig dosierte Dialogwitze hält Spielberg das eher unkreative Finale davon ab, «Ready Player One» herunterzuziehen.

Und, wie gesagt: Wer einfach nur Referenzen sehen will, bekommt jede Menge Referenzen zu sehen – sowie zu hören. Alan Silvestri erschafft in «Ready Player One» zwar keine prägnanten neuen Melodien, webt clevere Rückverweise aber geschickt in seine effizienten, neuen Kompositionen ein.

Ein Film, der manchmal ist, was er anklagt


Dass bislang in dieser Rezension kein Wort über die Schauspielleistungen verloren wurde, liegt daran, dass es darüber nicht viel zu verlieren gibt. Abgesehen von Mark Rylance, der in seiner Rolle wie eine schlechte Nerd-Karikatur rüber kommt, agieren alle so adäquat, wie das Drehbuch es ihnen gestattet. In diesem überaus engen Rahmen zu brillieren, wäre nicht unmöglich; dass es niemandem gelingt, lässt sich dem Ensemble dennoch schwer vorwerfen. Denn die Schauspielerinnen und Schauspieler sind hier nur das lustlos mitgeschleifte Mittel zum Zweck.

Was dieser Zweck ist? Allen, die sich darauf freuen, im Kino zu sitzen und (hoffentlich nur in Gedanken) unentwegt auf die Leinwand zu zeigen und (bitte nur innerlich) zu rufen: "Oh, hey, das kenne ich!" eine gute Zeit zu bereiten. Alle Anderen sehen halt Steven Spielberg dabei zu, wie er mit Nostalgie-Spielsachen herumtobt, was in den besten Momenten von «Ready Player One» auf ansteckend-frohe Weise naiv ist.

Und, ja, diese Kritik begeht mit der ständigen Wiederholung dieses Bildes ein Verbrechen, dass sie dem hier besprochenen Film vorwirft. Das ist allerdings eine Bagatelle im Vergleich zu der Sünde, die «Ready Player One» in ihren schwächsten Augenblicken begeht. Denn für einen Film, der in einer Schlüsselszene über raffgierige Firmenbosse herzieht, die die Nostalgie ihrer Kundschaft ausbeuten wollen, ohne überhaupt zu verstehen, was die Leute da so sehr verehren, fühlt sich «Ready Player One» zwischenzeitlich arg kalkuliert und begriffsstutzig an.

«Ready Player One» wird am Sonntag ausgestrahlt und kann gestreamt werden.

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Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
dirkberlin
04.04.2018 07:41 Uhr 1
Hat der Film eigentlich noch viel mit dem Roman gemeinsam? Im Roman waren ja die Eastereggs vor allem Knobelaufgaben, Spielen und Auswendiglernen. Aber dadurch immer etwas überraschend, was jetzt kommt.
Nr27
04.04.2018 13:52 Uhr 2
@dirkberlin: Ich selbst kenne das Buch nicht, aber ich habe gelesen, daß wohl einiges geändert wurde. Allerdings habe ich auch schon mehrfach gelesen, daß die Änderungen sogar dazu führen, daß der Film besser sei als das Buch.



Frage an den Rezensenten: Ich bin bei "Ready Player One" irgendwie höchst unsicher, ob ich den im Kino in der Original- oder der Synchronfassung anschauen soll. Welche Fassung hast du denn gesehen? Falls die Originalfassung: Ist die (für jemanden mit guten, aber nicht perfekten Englischkenntnissen) einigermaßen gut verständlich? Falls die Synchronfassung: Hast du das Gefühl, daß sie die ganzen popkulturellen Anspielungen erstens alle mitbekommen und zweitens auch adäquat übersetzt haben?
Anonymous
04.04.2018 14:44 Uhr 3


In der PV lief der Film als Original ohne Untertitel. Das Vokabular und die Diktion der Figuren sind simpel und geradlinig, die Wortspiele sollten bei soliden bis guten Englischkenntnissen auch problemlos verständlich sein. Einziges Problem: Eine wichtige Nebenfigur hat in der OASIS einen Ork-Avatar mit relativ stark verzerrter Stimme. Die könnte, wenn man nicht sehr häufig Filme in Englisch schaut, schlicht daher, dass damit das englische Hörverständnis nicht so stark trainiert ist, sicher für manche Fragezeichen sorgen. Da empfehle ich, die Ohren zu spitzen.



Ich rufe gerne auf, dass hier noch Zweit-, Dritt- und Viertmeinungen (etc.) zu dem Thema hinterlassen werden. Was Verständlichkeit angeht, können Positionen ja doch arg variieren. :)
Nr27
04.04.2018 17:33 Uhr 4
Okay, danke für die Infos. Ich glaube, dann werde ich mir auch die OV anschauen (am liebsten wäre mir ja OmU, aber die bietet mein Stammkino bei diesem Film aktuell nicht an ...).
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