Fernsehfriedhof

Der Fernsehfriedhof: Ein «Golden Girl» für Arme

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Folge 160: Die Adaption einer US-Comedyserie, die nach nur einer Folge abgesetzt wurde.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir eines weiteren Hoffnungsträgers, dessen Strahlkraft schnell verblasste.

«Corinna» wurde am 30. Januar 1995 bei RTL geboren und entstand zu einer Zeit, als der Sender trotz des mäßigen Abschneidens der Serien «Hilfe, meine Familie spinnt!» und «Ein Job fürs Leben» weiter versuchte, amerikanische Sitcoms zu kopieren. Die Wahl für die nächste Reihe, die übernommen werden sollte, fiel dann auf die in Übersee erfolgreiche Produktion «Maude», von der zwischen 1972 und 1978 insgesamt 141 Episoden hergestellt worden waren. Das Original setzte jedoch nicht nur auf Humor, sondern traute sich auch, ernsthafte Themen wie etwa eine Abtreibung aufzunehmen und stellte so etwas wie einen Wendepunkt in der bis dato heilen Sitcom-Welt dar. Mit der deutschen Umsetzung wurde dann mit der Caligari Film- und Fernsehproduktions GmbH jene Firma beauftragt, die zuvor auch für einfallslosen die RTL-Versionen von «Eine schrecklich nette Familie» und «Wer ist hier der Boss?» verantwortlich war.

Wie in der Vorlage stand auch in «Corinna» eine Frau jenseits der 50 im Zentrum, die nach mehreren gescheiterten Ehen nun mit ihrem vierten Mann und ihrem erwachsenen Sohn zusammen lebte und regelmäßig von ihrem Nachbarn Arthur genervt wurde. In dieser Konstellation versuchte die emanzipierte und schlagfertige Frau stets die Tücken des Alltags zu meistern. Die Hauptrolle, welche im Original mit dem späteren «Golden Girl» Beatrice Arthur besetzte war, übernahm in Deutschland Ingrid Stein, die zuvor ausschließlich auf der Theaterbühne agierte. Ihr vierter Ehemann wurde vom Theaterschauspieler Wolf-Dietrich Berg dargestellt, der jedoch zum damaligen Zeitpunkt schon viele Engagements in Fernsehproduktionen vorweisen konnte. Unter anderem war er in mehreren Folgen «Unser Lehrer Doktor Specht» zu sehen.

Insgesamt ließ sich RTL die Produktion der ersten Staffel rund fünf Millionen D-Mark kosten und setzte große Hoffnung in das Projekt, denn es wurde direkt im Nachgang der noch teureren Comedyreihe «Otto – Die Serie» am Montagabend um 20.45 Uhr programmiert. Zusammen sollten beide Formate für viele Lacher und hohe Quoten sorgen. Doch obwohl der Ostfriese mit 7,64 Millionen Zuschauern für ein enorm starkes Lead-In und sogar das meistgesehene Programm des Abends sorgte, schalteten bei «Corinna» rund vier Millionen Zuschauer ab, sodass für die halbstündige Sitcom lediglich eine Reichweite von 3,76 Millionen Menschen gemessen wurde. Das schien für die Verantwortlichen ein derartiger Misserfolg gewesen zu sein, dass sie die Ausstrahlung der Serie sofort einstellten.

Ein Grund für das mangelnde Interesse dürfte dabei die Tatsache gewesen sein, dass die Vorlage «Maude» anders als die Ur-Versionen der anderen adaptierten RTL-Sitcoms niemals im deutschen Fernsehen zu sehen war. Der Sender machte für die Pleite die Kombination mit Komiker Otto verantwortlich. Zu unterschiedlich wären laut offizieller Stellungnahme die Zielgruppen gewesen. Aus diesem Grund wagte man rund ein halbes Jahr später einen neuen Anlauf. Am 13. Juli 1995 schickte der Sender die Produktion ein weiteres Mal auf den Schirm – diesmal jedoch im Anschluss an die volkstümliche Serie «Zum Stanglwirt» mit Peter Steiner. In ihr glaubte man nun ein passendes Format gefunden zu haben, dass eine ähnlich reife Zuschauerschaft ansprechen würde. Jedoch wurde dafür bereits im Vorfeld die Anzahl der geplanten Episoden um drei Folgen gekürzt. Ein Erfolg blieb dennoch aus. Auf dem neuen Sendeplatz hatte die Serie im Sommerloch noch weniger Zuseher. Die Programmverantwortlichen schauten sich die niedrigen Quoten genau fünf Wochen an, bevor die Produktion ein weiteres Mal und dann endgültig verschwand.

«Corinna» wurde letztlich am 10. August 1995 beerdigt und erreichte ein Alter von 13 Folgen, von denen jedoch nur sechs ausgestrahlt wurden. Die Serie hinterließ die Hauptdarstellerin Ingrid Stein, die im Anschluss regelmäßig in der Sitcom «Lukas» zu sehen war, die mit Richard Huber vom selben Regisseur inszeniert wurde. Danach wirkte sie im Hauptcast der Krimiserie «SK Kölsch» mit und spielte zuletzt in mehreren ZDF-Krimireihen mit. Ihr Serienpartner Wolf-Dietrich Berg tauchte nach dem Ende der Comedyreihe zunächst in der SItcom «Vier wie wir» und dann in zahlreichen weiteren Serien auf, bevor er im Januar 2004 starb. Seine letzte Rolle hatte er als Richter Joachim Schubert in der Reihe «Edel & Starck».

Möge die Serie in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann einer Show, bei der Bowlingkugeln über Millionengewinne entschieden.

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