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Die Freiwillige Selbstkontrolle völlig außer Kontrolle: Absurde und umstrittene FSK-Entscheidungen

von   |  4 Kommentare

Die FSK und die BPjM haben im Laufe ihres Wirkens so manche Entscheidung getroffen, die die Gemüter hat hochkochen lassen. Wir unternehmen eine Reise durch blutige, vermeintlich verwirrende und sexuell aufgeladene Beispiele …

Alarm! Alarm! Dieser Film macht schwul!


Sabine Bernardis Jugenddrama «Romeos... anders als du denkst» (oder kurz: «Romeos») ist ein von der ZDF-Redaktion Das kleine Fernsehspiel geförderte Coming-of-Age- und Coming-Out-Geschichte: Ein 20-jähriger Junge, der lange als Mädchen wahrgenommen wurde, befindet sich noch mitten in seiner konträrgeschlechtlichen Hormontherapie. Daher macht «Romeos»-Protagonist Lukas einiges an Diskriminierung durch. Er wird auf einer Party attackiert und Bürokratie sowie Gesellschaft beißen sich daran die Zähne aus, ihn in Schubladen zu packen.

Auch in Lukas erster ernstzunehmender Beziehung macht er einige Ärgernisse durch, da sein Schwarm Fabio nicht weiß, wie er mit Lukas umgehen soll. In dem Film werden Lukas' Probleme explizit angesprochen, grafisch wird das Drama aber nie – er orientiert sich am typischem Jugenddramaniveau. In der ursprünglichen FSK-Freigabebegründung hieß es jedoch, dass «Romeos» ein schwieriges Thema behandle, "welches für die Jüngsten der beantragten Zuschauergruppe, die sich in diesem Alter in der sexuellen Orientierungsphase befinden, sehr belastbar sein könnte. Das Thema selbst ist schon schwierig für 12- bis 13-Jährige und die Schilderung einer völlig einseitigen Welt von Homosexualität im Film könnte hier zu einer Desorientierung in der sexuellen Selbstfindung führen." Oder anders gesagt: Warnung, der Film könnte schwul machen, Alarm!

Die FSK wurde für diese Begründung sowie die damit erteilte FSK-Freigabe ab 16 Jahren scharf kritisiert, unter anderem vom LSVD und mehreren Filmportalen. Letztlich räumte die FSK ein, sie habe diskriminierend geurteilt und senkte die Freigabe auf eine FSK ab zwölf.

Freitag, der Beschlagnahmte


Ein Großteil der «Freitag, der 13.»-Reihe hatte nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern so ihre Probleme mit den Jugendschützern – was ihr womöglich auch zum Vorteil gereichte, da Maskenmörder Jason Voorhees sich so einen derben Ruf als Teenieschreck und Schutzpatron der Slasherfreunde erarbeiten konnte. Aus der Slasherreihe ist aber wohl «Und wieder ist Freitag der 13.» das Paradebeispiel dafür, dass das, was einst als Filmstoff gehandelt wurde, der die Jugend gefährden könnte, heute als seichte Kost durchgeht:

«Und wieder ist Freitag, der 13.» (alias: «Friday the 13th Part 3») kam 1983 noch ungekürzt in die deutschen Kinos – mit einer FSK ab 18 Jahren. Die ungekürzte VHS wurde jedoch 1985 indiziert. Der Film, in dem Jason überhaupt erst seine ikonische Maske erhält, wurde drei Jahre später dann sogar beschlagnahmt. Der Rechteinhaber legte zwar Einspruch ein, hatte damit jedoch keinen Erfolg, weshalb der Slasher 1989 letztlich eingezogen wurde. 2009 veröffentlichte Paramount in Österreich fälschlicherweise eine ungekürzte Blu-ray mit altem FSK-18-Logo, was zunächst für Verwirrung unter deutschen Horrorfans sorgte – erweckte Paramount so doch den Anschein, der Film sei vom Index.

Letztlich war es erst das kleine Label '84 Entertainment, das sich die Mühe machte, gegen die Beschlagnahmung und daraufhin gegen die Indizierung vorzugehen – ein Prozess, der aufgrund des Paragrafenwirrwarrs das Ausnutzen ein paar Schlupflöcher und das Hoffen auf ein paar zugedrückte Augen benötigte. Bei der BPjM kam es dann zu einer kuriosen Begründung, um die Listenstreichung des Films zu rechtfertigen: Das zuständige Gremium sah zwar einige Szenen "nach wie vor als verrohend an", befand jedoch (angeregt durch die Argumentation des Labels), "dass der Film aufgrund seines Alters heute nicht mehr jugendaffin und damit auch nicht mehr jugendgefährdend ist.".

Nachdem «Und wieder ist Freitag, der 13.» also quasi als zu out, um die Jugend zu gefährden, betrachtet wurde, wurde er erneut der FSK vorgelegt. Von Verrohung war da dann nicht mehr die Rede: Eine FSK ab 16 wurde erteilt, die Veröffentlichung erfolgte im März 2017.

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Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
Kingsdale
20.09.2019 14:13 Uhr 1
Tja, über Rambo II könnte man ein Buch schreiben und noch heute, sogar nach 23 Uhr, sollte man den Film nie, nie im Free-TV schauen. Er ist immer Cut und das auf grausame Art. Am Lächerlichsten war allerdings mal eine Nachmittagsausstrahlung von "2012" auf Pro7 wo eine harmlose Erdbebenszene geschnitten werden mußte, weil die FSK dachte, es würde Kinder abschrecken in Kaufhäuser zu gehen. Selten so gelacht!

Aber auch ich kann ein Lied von dümmlichen Entscheidungen der FSK singen, schließlich haben die uns (der Astro Distribution) oft genug die Staatsanwaltschaft auf Pelz gehetzt! Am meisten bei der ersten Top-Qualitäts Verkauf des ersten Tanz der Teufel (Evil Dead) Films. Da war was los! Aber wir hatten schon damals Glück, einiges an der FSK vorbei zu schmuggeln und einige Sammler mit Uncut-Filmen eine Freunde zu machen. Tja, die Zeiten haben sich geändert, dennoch fragt man sich bei manchen Filmen, ob die FSK diese sich überhaupt angeschaut haben. In den 80ern braucht nur im Titel Zombie stehen, Schwubbst hatte er einen 18 Stempel!
Vittel
20.09.2019 15:00 Uhr 2
Noch verrückter war es bei Computerspielen in den 80ern.



Kaum mehr als ein paar Pixel erkennbar, aber kriegsverherrlichend: Blue Max, Silent Service, Beach Head.

Was hätten die Prüfer von damals wohl zu den heutigen Spielen gesagt?



Wobei ein Einfluss von Gewaltdarstellung in den Medien und Medienkonsum an sich insbesondere auf Kinder und Jugendliche natürlich nicht wegzudiskutieren ist
Anonymous
20.09.2019 15:08 Uhr 3


Die Vorstellung habe ich ja immer mit Filmen. :')



Wenn Disneys "Die drei Musketiere" 1993 eine 16 bekam, was wäre passiert, wenn "Pirates of the Caribbean - Am Ende der Welt" exakt so, wie er 2007 erschien, schon 1993 zur Prüfung eingereicht worden wäre?



Bei manchen Filmen reicht sogar eine kürzere Zeitreise - "Captain America: Winter Soldier" (alias "The Return of the First Avenger") bekam 2014 bequem eine 12, aber ich glaube, selbst gegen Ende der 2000er hätte es da je nach Zusammensetzung des Gremiums eine 16 geregnet. Und in den frühen 90ern, wer weiß? :grin:



Noch lustiger ist natürlich die Vorstellung, Filme, die HEUTE wegen grafischer Gewaltdarstellung beschlagnahmt werden, in die 70er und 80er zu kippen, wo Filme auf dem Index landeten, die heute eine 16 bekommen.



(Königskategorie ist es wohl, den Prüfern, die "Manche mögen's heiß" ursprünglich mit einer FSK 18 belegt haben, direkt danach "Love 3D" vorzusetzen. Ja, hätte ich eine Zeitmaschine, ich würde nur Unsinn anstellen ... Ich frage mich nur, wie ich diese ganzen aktuellen Filme auf VHS/Filmrolle gepackt bekomme ... )
Vittel
27.09.2019 17:28 Uhr 4
Gibt doch dieses Gerücht, dass die ersten Kinogäste schreiend den Saal verließen, als ein Dampfzug auf der Leinwand auf das Publikum zuraste.



Wie hätten diese Menschen auf aktuelle Filme in Farbe, 3D und entsprechender Soundkulisse reagiert?
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