Die Kino-Kritiker

«Rapunzel»

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Mit «Rapunzel» feiert Disney seine visuell opulente Rückkehr zur Tradition des gesungenen Märchen-Trickfilms.

Um ewig jung bleiben zu können, entführt die alte, böswillige Einsiedlerin Gothel das Neugeborene des Königpaares. Denn das Königskind hat güldenes, magisches Haar mit heilenden und verjüngenden Kräften. Irgendwo, in einem versteckt gelegenen Tal, wächst die entführte Prinzessin Rapunzel in einem Turm eingesperrt unter der boshaften Obhut ihrer launischen Ziehmutter auf. Obwohl sie nahezu ihr ganzes Leben lang eingesperrt blieb, entwickelt Rapunzel sich zu einem wissbegierigen jungen Mädchen mit unerschütterlichem Lebenswillen. Ihr größter Traum ist es, einmal die alljährlich an ihrem Geburtstag am Himmel schwebenden Lichter aus der Nähe betrachten zu können. Als am Tag vor ihrem 18. Geburtstag der fesche und verwegene Dieb Flynn Rider in ihrem Turm Zuflucht sucht, erhält Rapunzel endlich die Gelegenheit, sich diesen Traum zu erfüllen: Sie ringt ihm das Versprechen ab, sie ins Königreich und zu den schwebenden Lichtern zu führen. Nur dann erhält Flynn seine Beute zurück. In der Freiheit erwarten Rapunzel allerdings nicht nur nach fast 18 Jahren Gefangenschaft ein überwältigender Kulturschock, sondern auch zahlreiche Gefahren. Denn sowohl Flynns übers Ohr gehauenen, einstigen Weggefährten und Rapunzels bösartige Ziehmutter haben es auf das ungleiche Paar abgesehen…

Es war einmal…


«Rapunzel» gehört zweifelsohne zu den Disney-Filmen mit der verworrensten Produktionsgeschichte. Dennoch sei an dieser Stelle die Vorgeschichte der blonden Prinzessin grob zusammengefasst: Seit Beginn der 90er versuchte der legendäre Trickzeichner Glen Keane, unter anderem verantwortlich für die Titelfiguren in «Arielle, die Meerjungfrau», «Aladdin» und «Tarzan», seine Arbeitgeber von diesem Märchen zu überzeugen. In den frühen 2000ern durfte er letztlich mit der Entwicklung beginnen und 2003 waren die Planungen erstmals so weit, dass man einen Produktionsstart in Erwägung zog. Anfänglich war ein klassisches Disneymärchen angedacht, aber die Kinorealität machte Regiedebütant Keane einen Strich durch die Rechnung. Während Disney-Trickfilme den gewohnten Erfolg missen ließen, brachen am Computer animierte Komödien wie «Shrek» einen Kinorekord nach dem anderen. Die Geschäftsführung, darunter der in späteren Jahren immer harscher kritisierte Michael Eisner, ordnete eine komplette Umgestaltung an. «Rapunzel Unbraided», so der neue Titel, sollte eine CGI-Komödie werden und in der Manier von «Shrek» klassische Disney- und Märchenformeln durch den Kakao ziehen. Die Hauptrollen spielten zwei Teenager aus San Francisco (ein Pizzalieferanten und eine zickige Diva) erzählen, die von einer bösen Hexe in die Märchenwelt verfrachtet wurden. Um die Geschichte abzukürzen: Die Fangemeinde revoltierte.

Drei Jahre später nahm das Langhaar eine neue Gestalt an. Die Pixar-Strippenzieher John Lasseter und Ed Catmull übernahmen das Sagen in den Trickstudios und wollten mit den Altlasten Eisners und Konsorten nicht viel zu tun haben. Aus der Disney-Parodie wurde wieder ein Märchen mit großen Ambitionen. Den Machern schwebte nichts geringeres als das epochalste Disney-Märchen aller Zeiten vor, inklusive Feen und Hexen. Nur die ersten zwanzig Minuten dieses Entwurfs überzeugten die Vorsitzenden Disneys. Der erste Akt, so hieß es, sei die Krönung der Studiohistorie, im restlichen Verlauf verlöre «Rapunzel» erheblich an Attraktivität. Nachdem auch weitere Bearbeitungen der Geschichte nicht abgesegnet wurden, erhielt Glen Keane mit dem «Der Gigant aus dem All»-Zeichner Dean Wellins einen Co-Regisseur. Daraufhin wurde es erneut still um «Rapunzel», es wurden lediglich Gerüchte laut, zwischenzeitlich wäre vergeblich mit einer eine besonders düsteren Story experimentiert worden.

Im Oktober 2008 trat Glen Keane als Regisseur zurück, unter anderem auch aus gesundheitlichen Gründen. An die Stelle Keanes und Dean Wellins traten Byron Howard (Co-Regisseur von «Bolt») und Nathan Greco (Storyboarder bei «Bolt») und unter ihnen begann endlich die Produktion von «Rapunzel». Anfangs sträubten sich einige Disney-Fans gegen diese Entscheidung, als aber bestätigt wurde, dass Glen Keane als Produzent und Animationsregisseur an Bord bleibt, glätteten sich die Wogen. So lange, bis das Marketing sich dazu entschloss, «Rapunzel» für den US-Markt in «Tangled» (dt.: «Verheddert») umzubenennen und in Trailern und Web-Marketing mehr auf Dreamworks-Humor zu setzen. «Rapunzel Unbraided» war zurück; zumindest in der Kinowerbung und somit auch den Erwartungen uninformierter Kinogänger.
Tatsächlich aber hat Disney nach dieser jahrelangen Odyssee aus der langhaarigen Prinzessin einen neuen Studioklassiker gemacht: In «Rapunzel», seinem 50. abendfüllenden Animationsfilm, besinnt sich der Disney-Konzern auf seine größten Erfolge im Trickbereich und achtet zur Freude seiner Fans wieder lieb gewonnene Traditionen. Zugleich wird die Disney-Formel mit fescherem Humor und zeitgemäßer Erzähldramaturgie versehen. «Rapunzel» ist gewissermaßen das, was «Cinderella» für die «Schneewittchen und die sieben Zwerge»-Generation und «Arielle, die Meerjungfrau» Ende der 80er war. Deshalb werden die Disney-Studios mit «Rapunzel» wohl schwerlich ihre schärfsten Kritiker überzeugen können, wer aber eine Schwachstelle für einige der großen Disney-Klassiker hat, wird sicherlich auch an «Rapunzel» große Freude haben.

…eine festgehaltene Prinzessin und ein selbstverliebter Dieb


Wie die erfolgreiche Modernisierung der bewährten Disney-Märchenformel aussieht, zeigt sich bereits in den ersten Minuten des Kinovergnügens: Anstelle eines ominösen Märchenerzählers führt uns der kesse Dieb Flynn Rider mit einer straffen Erzählung in die Geschichte ein, die klassische Märchenstimmung verbreiten kann, aber auch Tempo und Witz nicht vermissen lässt. Nachdem Flynn den Zuschauer in die Vorgeschichte eingeweiht hat, fokussiert sich «Rapunzel» stärker auf seine Titelheldin, führt aber den eingeschlagenen Stil des Jubiläums-Trickfilms fort: Die Regisseure Howard und Greno stellen sicher, dass die bewährte Formel allgegenwärtig bleibt, ohne sie zu überreizen.

Vor allem durch die Figurencharakterisierung bringen sie frischen Wind ins disney’sche Märchenreich: Mit der wissbegierigen und unverdorbenen Rapunzel schufen sie und Drehbuchautor Dan Fogelman eine sowohl zeitlose, wie auch moderne Märchenfigur, die sich im Verlaufe ihres Abenteuers auch selbst zu wehren weiß. Vor allem die Dynamik zwischen Rapunzel und ihrer bösen Ziehmutter Gothel verleiht Disneys neuster Prinzessin eine erfreuliche Charaktertiefe: Man spürt, dass sie ihre einzige Bezugsperson wirklich liebt, und dass sie gleichzeitig zutiefst von ihr enttäuscht ist, als sie ihr wiederholt klar macht, dass sie niemals ihren Turm verlassen darf. Die Beziehung dieser Figuren ist selbstverständlich nicht das komplexeste, was die Lichtspieltheater dieses Jahr anbieten durften, doch sie bewegt sich erfreulich vom üblichen Disney-Schema hinweg. Überhaupt dürfte Gothel schnell zu den animierten Lieblingsbösewichtern aufschließen: Ihre penetrant berechnende Weise und ihre ständigen sarkastischen Kommentare machen Gothel zu einer Schurkin, die man liebend gerne hasst. Die Disney-Animatoren verrieten, dass sie in einer Studiositzung die nervigsten Eigenarten ihrer Mütter sammelten, um diese schrecklichen Ticks in Gothel einfließen zu lassen – und das spürt man der hinterhältigen Figur auch an. Jeder wird in ihr irgendetwas wieder finden, das ihn an seinen eigenen Eltern gestört hat (oder im Falle des kindlichen Publikums noch immer stört). Sei es das Backenzwicken, der Tonfall, in dem Verbote ausgesprochen werden, oder dieser selbstgefällig-euphorische Singsang in der Stimme, wenn eine langweilige Überraschung vorbereitet wurde.

Mit dem Dieb Flynn, der den Part des zumeist obligatorischen Prinzen übernimmt, erschuf Disney seine ganz eigene Kreuzung aus dem Namenspaten Errol Flynn, Douglas Fairbanks und dem hauseigenen Aladdin. Und um sicher zu gehen, haben sie ihm auch eine winzige Prise Captain Jack Sparrow verliehen: Flynn ist ein gewitzter und ungesund selbstverliebter Abenteurer, der sich gerne aus Notsituationen zu quasseln versucht und seine Wirkung auf Frauen gehörig überschätzt. Dennoch ist er ein herzensguter Kerl, der Rapunzel nach anfänglichem Widerwillen während ihrer Welterkundung und Selbstfindung zur Seite steht. Das ist gewiss kein Fall für einen Innovationspreis, ist im Disney-Kanon aber noch recht unverbraucht und wird zudem sehr charmant und erfrischend umgesetzt.

Traditionsgemäß gesellen sich in diesem komödiantischen Märchenmusical auch einige witzige Tierfiguren hinzu. Das wären Rapunzels treuer Weggefährte, das freche Chamäleon Pascal, sowie das Palastpferd Maximus, das seine menschlichen Vorgesetzten an Kompetenz bei weitem überholt. Beide Figuren bringen durch ihre wundervoll übertriebene Mimik und Gestik sehr viel Witz mit und sind Paradebeispiele dafür, dass die vermeintlich steife Computeranimation genauso biegsam sein kann, wie der klassische Zeichentrickfilm. Pascal könnte einem Donald-Duck-Cartoon entsprungen sein und Maximus ist eine schrille Mischung aus Pferd, Hund und, so die Animatoren, Tommy Lee Jones in der Rolle des ultraharten Cops. Durch diese Figuren wird dem klassischen Disney-Märchen modernes Leben
eingehaucht, ohne ihn mit Popkulturreferenzen oder ironischen Brüchen zu bedecken.
Weitere Elemente der Frischzellenkur sind die eingestreuten Actionszenen, in denen Howard und Greno ihre Erfahrungen aus dem Action-Parodieintro von «Bolt» mitbringen. Die Actioneinlagen, die integrale Teile des Handlungsverlaufs sind und nicht bloß als Wegzehrung für quengelige Jungs im Publikum dienen, sind dynamisch und einfallsreich inszeniert. Sie sind zwar längst nicht das beste, was der Animationsfilm in diesem Bereich zu bieten hat, sehen allerdings gut aus und heben «Rapunzel» weiter vom klassischen Disney-Prinzessinnenfilm ab, ohne fehl am Platz zu wirken.

Rapunzel, lass dein Haar herunter


Eine der größten Herausforderungen in der Computeranimation ist die Darstellung menschlichen Haars, weshalb viele am Computer animierte Figuren entweder eine Kurhaarfrisur verpasst bekommen oder so aussehen, als hätten sie mit Tonnen von Haarspray mal eben ein neues Ozonloch erstellt. Keine guten Voraussetzungen für einen Animationsfilm über Rapunzel. Allerdings mag man beim Anblick dieses Films kaum glauben, dass es wirklich so schwer sein kann. Rapunzels ellenlange Mähne ist fließend und voll animiert, wie sich das Licht in ihrer Frisur bricht sieht überaus natürlich aus. Für die stilisierte Darstellung von Rapunzels Haaren, die nicht photorealistisch sein wollte sondern glaubwürdig, jedoch überzeichnet schön und üppig, musste neue Software entwickelt werden.

Dabei ist Rapunzels langes Haar nur das i-Tüpfelchen der visuellen Glanzlichter in diesem Märchenmusical. «Rapunzel» machte in seiner Produktionszeit zwar ungezählte inhaltliche Richtungswechsel durch, ein Vorhaben jedoch verband sämtliche Inkarnationen des Projekts: Tricksupervisor und ausführender Produzent Glen Keane wollte unter seiner Obhut die Stärken von Computeranimation und traditionellem Zeichentrick verbinden. Die Unterschiede zwischen «Rapunzel» und herkömmlichen Computeranimationsfilmen liegen im Detail, trotzdem sind sie gravierend: Die Figuren bewegen sich weicher und flüssiger, sie sind dehnbarer und wirken dadurch lebendiger. Die Figurenanimation in «Rapunzel» strahlt die Wärme solcher Filme wie «Die Schöne und das Biest» oder «Aladdin» aus, gleichzeitig profitiert sie von der Komplexizität der Computeranimation. Obwohl die Geschichte nicht zwingend danach verlangt, sind Mimik und Gestik äußerst subtil, wodurch die Persönlichkeit der Figuren zusätzliche Tiefe und Glaubwürdigkeit verlangt.

Am eindrucksvollsten sind den Filmemachern schließlich die Hintergründe gelungen:
Ob weitschweifende, malerische Landschaften, Rapunzels überaus detailreicher Turm, eine rustikale Schurkenkneipe oder ein pittoreskes Königreich, ganz egal, wo der Film gerade spielt, immer wieder können einen die Hintergründe ins Staunen versetzen. Entgegen den Trend einiger Konkurrenzstudios setzt Disney in «Rapunzel» mehr auf überhöhte Realität und stilisierte Raumzeichnung, als auf schieren Realismus. Das Design basiert vornehmlich auf S-Kurven, die der Märchenwelt des Films eine schwunghafte und sanft Note verleihen und die gesättigten Farben lassen sie wie ein stilvolles Gemälde erscheinen. Als Inspiration während der jahrelangen Vorproduktion nahm man den Stil des Rokoko heran, insbesondere Fragonards Ölgemälde «Die Schaukel». Testanimationen zeigten, dass man diesen Bildästhetik nahezu 1:1 kopieren konnte, durch besonderes Rendering sollte der Film wie ein sich bewegendes Ölgemälde erscheinen. «Rapunzel» ist in seinem endgültigen Kleid nicht ganz so detailreich, der Effekt wurde stark zurückgenommen und vor allem auf pinselartige Details auf Gegenständen und in der Landschaft reduziert. Dadurch ist das Bild nicht so überfrachtet und die Aufmerksamkeit des Zuschauers wird stärker auf die Figuren gelenkt, ein wenig Bedauern bleibt dennoch zurück. Etwas stärker hätte die Ölgemälde-Optik durchaus Eingang in «Rapunzel» finden dürfen.

Das 3D wird in «Rapunzel» dagegen beeindruckend eingesetzt, ohne penetrant zu wirken. Das Bild hat durchgehend eine große Tiefenwirkung und in prägnanten Szenen wird der 3D-Effekt besonders herausgestellt.

Der Hofkomponist


Für die Musik in «Rapunzel» holte Disney seinen heimlichen Hofkomponisten Alan Menken zurück. Zusammen mit dem Texter Glenn Slater schrieb er die Songs, außerdem komponierte er die instrumentale Hintergrundmusik. Dabei nahm er bewusst Abstand seiner berühmtesten Disney-Melodien (er schrieb u.a. die Musik zu «Arielle, die Meerjungfrau», «Die Schöne und das Biest» und «Aladdin») und orientierte sich beim dramaturgischen Einsatz der Lieder näher an den Disney-Produktionen der 50er und 60er Jahre. Dies wird einige Fans seiner früheren Arbeiten womöglich etwas enttäuschen, da die Gesangseinlagen weniger im Broadway-Stil zum großen Zentrum ganzer Filmpassagen aufgebaut werden und auch nicht unbedingt eine sofortige Ohrwurm-Garantie haben. Stattdessen entwickeln sich die Lieder nahtloser aus den vorhergegangenen Sequenzen und brauchen etwas Zeit, bis sie ihre volle Wirkung zeigen. Sie verfolgen einen sozusagen nicht bereits im Laufe der anschließenden Dialogszene sondern erst während der Heimfahrt oder am darauf folgenden Tag.

Obwohl Alan Menkens Lieder dieses Mal nicht der Dreh- und Angelpunkt des Films sind, sind sie aus dramaturgischen Gründen unerlässlich, da sie die Charakterisierung der Figuren vorantreibt. Zudem gehören sie schlichtweg zum Disney-Märchen dazu. Die besten Nummern sind klar die zentrale Ballade «Endlich sehe ich das Licht», das während der ikonischen Laternensequenz gesungen wird, und der Schurkensong «Mutter weiß mehr», der am ehesten Menkens Broadway-Wurzeln zur Schau stellt. Der Intro-Song «Wann fängt mein Leben an?» dagegen zeigt, wie man sich ein disneyfiziertes Lied von Joni Mitchell oder Cat Stevens vorzustellen hat und wirkt aufgrund eben dieser Andersartigkeit erstmal ein wenig befremdlich, bevor er sich mit seiner ekstatischen Reprise in das gewohnte Klangbild einfügt. Schwachpunkt des Films ist «Ich hab ‘nen Traum», eine komödiantische Einlage, die weder so beschwingt, noch so witzreich wie ihre Pendants aus vielen anderen Disney-Klassikern ist und dadurch zu einem falsch gesetzten Stimmungsbruch wird. Die Instrumentalmusik wiederum begnügt sich größtenteils damit klangvoll-funktional zu sein, trotzdem hat auch sie ihre stärkeren Momente. Vor allem Menkens mittelalterlich anmutende Festmusik lädt zum beschwingten mitwippen ein.

Das Haar in der Suppe


Während «Rapunzel» visuell zur Superlative im Animationsbereich gehört, sind erzählerisch ein paar Abstriche zu machen. Dass Disneys neustes Trickmärchen nicht zu den dramaturgischen Schwergewichten zählt, mag zwar kaum jemanden überraschen, ist aber dessen ungeachtet anzumerken, zumal Pixar etwa mit «Ratatouille» bereits eine Art modernes, gedankenvolleres Märchen schuf. Und obwohl die altbewährte Disney-Formel engagiert aufgefrischt wurde, hält sich inhaltliche Innovation bei «Rapunzel» in Grenzen. Ansonsten generieren sich viele Probleme, die Zuschauer mit dem Film haben könnten, dadurch, welche Erwartung sie an seine Mischung aus alt und neu stellen. Dem Märchenpuristen könnte «Rapunzel» einen Tick zu viel Slapstick haben, während andere Zuschauer gerade zum Schluss die schnell abgehandelten Abenteuerpassagen bedauern könnten. Und wer von den Trailern getäuscht eine reine Komödie erwartet, muss mit dem traditionell-schönen Disney-Kitsch auskommen, denn Märchenromantik wird in «Rapunzel» wieder groß geschrieben. Diese kommt ohne einige Klischeemomente nicht aus, aber ohne möchte man sein Disney-Trickmusical ja auch nicht haben. Was man den Regisseuren aber lassen muss, ist dass sie der Romanze in «Rapunzel» Zeit geben, sich erst zu entwickeln, wodurch sie zumindest vergleichsweise realistisch wirkt.

Die deutsche Synchronfassung überrascht übrigens mit einer großartigen Alexandra Neldel als Rapunzel, während Moritz Bleibtreu als Flynn dem oberen Durchschnitt zuzuordnen ist. In manchen Passagen ist er ein bisschen zu schnodderig, was er aber durch gutes komödiantisches Timing und viel Gefühl in seinen emotionaleren Sequenzen wieder wett machen kann. Puppenspieler René Marik wiederum knurrt sich künstlich als stiernackiger Ganove durch, während Synchronprofi Monica Bielenstein als Gothel bleibenden Eindruck hinterlässt. Die Übersetzung der Lieder ist eher durchwachsen geraten: Manche Stücke gewinnen durch die deutsche Fassung, während der Bösewichtsong «Mutter weiß mehr» zwar übersetzt, nicht aber bedachtvoll übertragen wurde, so dass sich der deutsche Text stellenweise mit der Melodieführung beißt. Die Auswahl der Gesangsstimmen ist indes makellos, vor allem bei Rapunzel könnte man glauben, dass die Sprech- und Gesangsparts aus dem selben Mund stammen.

Fazit: Mit ihrem 50. abendfüllenden Animationsfilm bringen die Disney-Studios ihre Märchenformel wieder einmal auf den Stand der Zeit und erzählen ein klassisches Märchen mit sehr viel Witz und Gefühl. «Rapunzel» bietet fabelhafte Bilder, tolle Musik und sympathische Figuren, die jung und alt zu gefallen wissen. Bloß die erzählerische Innovation kann nicht mit dem technischen Einfallsreichtum mithalten.

«Rapunzel» ist seit dem 9. Dezember in vielen deutschen Kinos zu sehen.

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