25 Jahre «Unter uns»: Die Soap mit dem klarsten Profil?

Als „beständig und bodenständig“ wird «UU» gern beschrieben, aber ist das wirklich etwas Schlechtes oder nicht vielleicht sogar der Grund für die Langlebigkeit des Formats?

Ein ganz bestimmter Name hat seine Popularität der tägliche Serie zu verdanken, die in Köln gedreht wird und tatsächlich auch in Köln spielt (im Gegensatz zu «AWZ», der «Lindenstraße» oder einst «VL»): nämlich „Weigel“. Dieser dürfte mittlerweile einen ähnlich festen Platz in den TV-Geschichtsbüchern des Landes haben wie etwa Kling, Gerner, Busch, von Anstetten, Saalfeld, Steinkamp oder Flickenschild – wahrscheinlich sogar einen der besonders festen –, und das vollkommen zu Recht. Denn kaum eine Daily-Produktion wurde so sehr von einer Fernsehfamilie geprägt wie «Unter uns» von den Weigels.

Seit Folge 1, die 1994 ausgestrahlt wurde, ist deren Bäckerei und Konditorei eine der wichtigsten Konstanten des RTL-Dauerbrenners. Beheimatet ist diese bekanntlich in der Schillerallee – ebenso wie das „Schiller“, eine sehr beliebte Kneipe. Ein und aus gehen dort nun schon seit einem Vierteljahrhundert die «UU»-Protagonistinnen und -Protagonisten. Und ja, im Laufe der Jahre wurden die bekannten Locations natürlich auch immer einmal wieder etwas modernisiert, allerdings definitiv mit Bedacht, sodass sich jeder langjährige Fan, der zwischenzeitlich vielleicht einmal etwas pausiert hat, sofort wieder zurechtfinden würde.

Man sollte im Übrigen auch ganz generell nicht unterschätzen, wie wichtig es für „Seifenopern“ ist, stets die richtige Balance zwischen Bewahren und Erneuern zu finden. Und diesbezüglich ist ein Fakt von entscheidender Bedeutung: Dieser Prozess läuft bei jedem Genrevertreter etwas anders ab. So ist «Unter uns» etwa eindeutig ein Format, das sehr davon lebt, sich vertraut anzufühlen und dem Publikum ein verlässlicher Ort der Entspannung und Entschleunigung zu sein. In einem „Quotenmeter“-Interview sagte die für die Daily verantwortliche Redakteurin der ersten Stunde Frau Katharina Katzenberger kürzlich, dass man auch immer die Besonderheit des Sendeplatzes im Blick haben müsse, und das ist vollkommen nachvollziehbar.

Um halb sechs kommen viele von der Arbeit zurück und sind vielleicht noch gar nicht richtig „da“ – weshalb der Vergleich mit den beiden großen „Schwestern“ «Alles was zählt» und «Gute Zeiten, schlechte Zeiten», die kurz nach 19.00 Uhr und um 19.40 Uhr starten, in Sachen Quote auch sehr hinkt. Diesen „Nachwehen“ eines stressigen Arbeitstages mit 30 – in weiten Teilen – „Wohlfühlminuten“ zu begegnen und das Drama im Verhältnis eher dosiert einzusetzen, leuchtet ein. „Nachbarschaft“ war seit jeher und ist bis heute der Kern der Sendung und sicherlich ein wesentlicher Faktor für den Erfolg der Serie. Gleichzeitig dient dieser Umstand all jenen, die die dritte deutsche „Soap Opera“ kritisch sehen, als Vorlage. Und interessanterweise lassen sich gute Argumente für die Positionen beider Seiten finden. Denn selbstredend verkleinert eine solche Grundsatzentscheidung den Aktionsradius der Figuren immens, was wiederum Auswirkungen auf denkbare und passende Geschichten hat, die man unter diesen Voraussetzungen erzählen kann – und als passend wahrgenommen werden.

Die richtig spannenden und dramatischen Handlungselemente müssen sehr stimmig und plausibel hergeleitet sein und können nur sehr dosiert verwendet werden, da der angesprochene „Kern“ sehr viel mit Glaubwürdigkeit zu tun hat. Und dies bedeutet eben eher Verliebtsein, Zusammenziehen, Hochzeit, Geburt, Streit, Trennung, Jobwechsel, Jobverlust oder Arbeitsalltag als Entführung, Vergiftung oder gar Mord. Dazu passt auch, dass die beiden Hauptantagonisten der Soap Viktor Falkenberg (Arnold Dammann) und Rolf Jäger (Stefan Franz), die durchaus tief in die „Intrigantentrickkiste“ gegriffen haben, letztlich beide den Serientod gestorben sind, ihre Taten also keinesfalls folgenlos geblieben sind, sondern Konsequenzen hatten.

Wenn jedoch wie aktuell Britta Schönfeld (Tabea Heynig) im Prinzip die Letzte ist, die die „Biestfahne“ ein ganz klein wenig hochhält, weiß man, dass es in der Schillerallee 10 verhältnismäßig ruhig zugeht. Außer ein paar schnippischen Kommentaren ist von der Frau, die seit 2009 die Nerven ihrer Mitmenschen gerne einmal arg strapaziert, nichts zu befürchten – und so ganz hat die ehemalige Frau Sturm und Frau Winter den Pfad der Tugend ohnehin nie verlassen. Das andere „Teilzeitbiest“ war lange Eva Wagner respektive Weigel (Claudelle Deckert). Die Rechtsanwältin, die durchaus nicht immer komplett legale Mittel wählt und primär auf ihren eigenen Vorteil bedacht ist, kennen treue Zuschauerinnen und Zuschauer sogar noch länger: Erstmals tauchte sie 2001 in der Rheinmetropole auf. Und ist somit eine weitere der vielen noch recht jungen Cast-Konstanten.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was die großen Geschichten der Jubiläumswoche mit dem „Kern“ des Formats zu tun haben.


Ein Blick auf die Charaktere, die im Zentrum der Jubiläumswoche stehen, genügt, um zu sehen, dass die inhaltlich Verantwortlichen großen Wert darauf legen, dass vertraute Gesichter nicht ins Hintertreffen geraten, sondern weiterhin das «UU»-Herzstück bilden. Die nun schon mehrere Monate andauernde Dreiecksgeschichte rund um Eva, den Mann, dem sie zweimal das Jawort gegeben hat, und dessen Sohn betrifft außerdem direkt oder indirekt nahezu alle Hausbewohner – vor allem aber – wie könnte es auch anders sein? – die Weigels. Schließlich hat sich die Juristin nach einem langen Hin und Her für eine Beziehung mit Conor Weigel entschieden. 2003 erblickte dieser das Licht der TV-Welt und wurde logischerweise (unterbrochen durch Pausen) zunächst von Kinder- und Jugenddarstellern gespielt. 2018 übernahm dann Ex-«Sturm der Liebe»-Gesicht Yannik Meyer die Rolle. Die Folge: Der ehrgeizige Top-Kicker stieg endgültig in die Riege der Hauptfiguren auf.

Dieser ist das Kind von Tillmann „Till“ Weigel, der ursprünglich zwischen 1994 und 1996 vom späteren «AWZ»-Darsteller Stephen Dürr und ab 2000 bis heute von Ben Ruedinger verkörpert wurde beziehungsweise wird, und dessen Ex-Frau Ute Kiefer, die ununterbrochen seit 1995 von Isabell Hertel dargestellt wird. Dass Mutter und Stiefmutter von Conor nicht unbedingt das „unbelastetste“ Verhältnis haben, ist ein offenes Geheimnis – und ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass sich Till nie so recht entscheiden konnte, für welche der beiden nun wirklich sein Herz schlägt. So gesehen hat es fast schon eine Art „Komik“, dass die Autoren nun Vater und Sohn zu Konkurrenten gemacht haben. Die Ausgangsüberlegungen, die zu diesem Plot geführt haben, sind also durchaus auf dem Papier plausibel. Nur, Ideen sind Ideen und nicht selten lassen sich diese dann doch nicht so einfach umsetzen, wie man sich das ursprünglich gedacht hat. Und in Bezug auf dieses „Familiendrama“ der besonderen Art, trifft dies zweifellos zu.

Obwohl es selbstverständlich angebahnt wurde, ist das Ganze – gefühlt – deutlich zu schnell eskaliert respektive muss man sich im Grunde einfach nur einmal vergegenwärtigen, was der „neuste“ Conor seit seinem Debüt alles erlebt hat, und das, obwohl er erst seit 2018 fester Bestandteil des Hauptcasts ist. Dann wirkt sein Sich-Verlieben in Eva, deren Verlieben in ihn und dessen Hass auf seinen Vater einfach bei Weitem nicht so glaubwürdig, wie er es müsste, um das komplette Potenzial, das zweifelsohne in einer solchen Storyline steckt, ausschöpfen zu können – die Tatsache, dass Meyer (Jahrgang 1991) einen, wie erwähnt, Anfang des neuen Jahrtausends geborenen Charakter mimt, verstärkt diesen Eindruck zudem eher, als dass er ihn abschwächt. Gerade für «Unter uns» ist es doppelt wichtig, dass der viel beschworene Realitätsbezug gewahrt bleibt – insbesondere im Kontext der Highlight-Geschichten –, und das setzt eben Plausibilität und Nachvollziehbarkeit voraus. Inwiefern die letztgenannten Punkte auf den Handlungsstrang rund um das letzte verbliebene Urgestein der Serie Petra Blossey alias Irene Weigel-Küpper zutreffen, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verärgerung vieler Fans in jedem Fall nachvollziehbar, sie speist sich allerdings vornehmlich aus einer über mehr als zwei Dekaden gewachsenen Verbundenheit zu einer Figur, die in den Augen der Anhänger einen würdigeren „Abschied“ verdient gehabt hätte. Aus dramaturgischer Sicht betrachtet ist dieser Schritt hingegen nicht nur mutig, sondern auch einer, der normalerweise noch sehr lange nachhallen und dem Format inhaltlich völlig neue Wege eröffnen dürfte. Es liegt folglich in den Händen der kreativ Verantwortlichen die Wogen wieder zu glätten.

Die sieben Jubiläumstage hatten jedoch nicht nur Dramatisches zu bieten, sondern auch eine Hochzeit, und zwar die von Richard „Ringo" Beckmann («Hanna – Folge deinem Herzen»-Veteran Timothy Boldt) und Ingo „Easy" Winter (Lars Steinhöfel). Und diese Feier steht sinnbildlich für die verbliebenen und bis dato noch nicht thematisierten Säulen dieser Daily: Liebe und Freundschaft. Und bevor jemand auf die Idee kommt, einzuwenden, dass diese beiden Zutaten ja wohl zu der Grundausstattung einer jeden Soap gehören, sei Folgendes gesagt: Ja, dem ist so, und dennoch hat es «UU» über all die Jahre mit am besten verstanden, aus Freunden Paare werden zu lassen, Ex-Partner Freunde bleiben zu lassen und manchmal auch einfach nur von Menschen zu erzählen, die sich lange kennen, sich mögen und stets – selbst wenn sie eigentlich gerade Stress miteinander haben – aufeinander verlassen können. Berücksichtigt man überdies in diesem Zusammenhang, dass all diese Personen entweder Tür an Tür wohnen oder sie nur ein Stockwerk trennt, leuchtet auch leichter ein, weswegen sich diejenigen, die vom heimischen Wohnzimmer aus zuschauen, in den gezeigten Situationen gut wiederfinden können – vom WG-Leben bis zum Mehrgenerationenhaushalt hat die Sendung immerhin alles zu bieten. Das Präsentierte zeichnet sich oft durch eine Nahbar- und Unmittelbarkeit aus – weil es eben auch häufig um Alltägliches geht. Und hierin besteht die vielleicht größte Herausforderung für jene, die für die Drehbücher verantwortlich zeichnen: Wie erzeuge ich dieses Gefühl bei den Zuschauerinnen und Zuschauern, bleibe dabei authentisch und langweile sie trotzdem nicht?

Ein wenig hat dieses Unterfangen etwas von der berühmt-berüchtigten Quadratur des Kreises. Daher ist es nur logisch, dass das Ergebnis in der Regel eine Art Kompromiss ist, der stets unterschiedlich bewertet wird – und ebenfalls erklärt, warum manche «Unter uns» längst als ihnen „zu langweilig“ abgestempelt haben und andere die Seifenoper für ihre Art Geschichten zu erzählen schätzen und sie nicht selten sogar explizit aus diesem Grund anderen Genrevertretern vorziehen. Und wenn man darüber hinaus noch weiß, dass nicht 5 – wie es bei «AWZ» und «GZSZ» üblich ist –, sondern 6 Episoden pro Woche entstehen und das Budget insgesamt niedriger ist, worauf Produzent Guido Reinhardt von UFA Serial Drama kürzlich im Gespräch mit den Kollegen von „DWDL.de“ noch einmal eingegangen ist, nötigt einem das nur noch mehr Respekt vor der Arbeit des gesamten Teams vor und hinter der Kamera ab – den Kölner Dom aus dem neuen Logo zu entfernen, bleibt trotz allem aber eine …„streitbare“ Entscheidung.
02.12.2019 10:00 Uhr  •  Florian Kaiser Kurz-URL: qmde.de/114079