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Kutcher, Deschanel und Co: Die neue US-Saison startet

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Zwei Tage vor dem Start der neuen US-Season: Worauf achtet die Medienwelt? Alle Geschichten, abseits von Ashton Kutchers Einstand bei «Two and a Half Men»…

Am Montag ist es wieder soweit, wenn alle Augen auf das US-TV-Programm gerichtet werden. Ein neues TV-Jahr voller Tops, Flops und Quotendesastern findet seinen Anfang, und es heißt wieder einmal Hoffen und Bangen für die Serienfans, wenn es darum geht, welche neue und alte Serie es über eine volle Staffel und vielleicht darüber hinaus schaffen wird. Favoriten für die ersten Serienabsetzungen sind gefunden, Favoriten für beeindruckende Erfolge gibt es auch. Wer am Ende jedoch die TV-Season 2011/2012 überleben wird, liegt in den Händen der Zuschauer, die qualitativ schlechte Programme mit rigorosem Abschalten bestrafen («Undercovers»), oder die Tradition fortsetzen, dass anspruchsvolles Fernsehen auf den Network-Sendern keine Zukunft findet («Lone Star»). Dieses Jahr sind die Networks jedoch ein wenig kreativer geworden, wenn es um die Jagd nach Zuschauerzahlen geht: Mit märchenhaften und teuren Prestigeprojekten wollen die Geschäftsführer der vier großen Networks zeigen, dass der Wille nach Mut noch nicht verloren gegangen ist.

Für ABC und NBC wird es ein Jahr der Entscheidungen. Beide Sender haben neue Geschäftsführer und beide versuchen auf ihre eigene Weise, ihre neuen Serien zu Hits zu machen. Während NBCs Robert Greenblatt es größtenteils mit aufgefrischten Ideen versucht, welche schon während seiner Zeit beim Premiumsender Showtime entstanden sind, wird ABCs Paul Lee eher damit beschäftigt sein, das Chaos des Programmplans im Überblick zu behalten. Die vergangenen beiden Jahre liefen für den Alphabetsender nicht unbedingt rosig, nachdem jeweils nur eine der neuen Dramaserien ins neue Jahr gerettet werden konnte (2010: «V», 2011: «Body of Proof»). Allerdings hat der Sender auch das Problem, dass die Programme mit einer Willkür ins Programm geworfen wurden, dass es den Anschein hat, als hätte Lee sein Wunschprogramm in einen Mixer gesteckt, und heraus kam der Herbstplan. Der Dienstag dürfte, wie im zurückliegenden Jahr, wieder für Probleme sorgen: Eine Krimistunde («Body of Proof») folgt einer Realitystunde («Dancing with the Stars»), die einer Comedystunde folgt («Last Man Standing» und «Man Up». Inwiefern ABC eine Gewährleistung des Zuschauerflusses sieht, ist wohl nur den Anzugträgern hinter dem Vorhang bekannt.

NBC hat derweil das Glück, mit Greenblatt einen erfahrenen Mann an der Front zu haben. Aus dem schon seit Jahren verschandelten Montag machte er kurzerhand einen Familientag, welcher mit den Castingshows «The Sing-Off» im Herbst und der zweiten Staffel von «The Voice» im Frühjahr 2012 besetzt wurde. Die Problemkinder wurden aussortiert oder auf einen anderen Tag verlegt, was dem Sender neues Publikum in der Zielgruppe bringen könnte. Das Konkurrenzprogramm sieht mit ABCs «Dancing with the Stars», den CBS-Comedys, und dem neuen Powerhouse von FOX zwar gefährlich aus, doch schlechter als im vergangenen Jahr kann es für NBC nicht mehr werden. Ganz im Gegenteil: Der Montag verwandelt sich langsam aber sicher zum wichtigsten Tag in der Woche, und da geschieht es nur recht, wenn NBC den Wochenanfang aufräumt und mit Familienware komplett neu besetzt. Ein Nachteil kann es jedoch für eines der neuen Prestigeprojekte sein. «The Playboy Club» um 22 Uhr hat zwar keine besonders große Konkurrenz, doch eine Version von «Mad Men» mit Playboyhasen kann nur eines bedeuten: Entweder es ist zu anspruchsvoll und intelligent für die Zuschauer, oder es kann nicht den Zeitgeist der 1960er Jahre einfangen. Nichts desto trotz ist der späte Montagabend für «The Playboy Club» der einzig richtige Sendeplatz: Später in der Woche hätten die Zuschauer sicherlich nicht zu einem Periodendrama gefunden.

Das ist ein Grund, warum das andere Periodendrama-Prestigeprojekt im Herbst am Sonntag aufzufinden ist, ebenfalls um 22 Uhr: ABCs «Pan Am», welches das in der Vergangenheit immer schwach gelaufene «Brothers & Sisters» ersetzt, wird mit den gleichen Problemen wie «The Playboy Club» zu kämpfen haben, und beide Serien werden womöglich das gleiche Schicksal wie «Swingtown» teilen – TV-Kenner wissen vielleicht noch, wie bescheiden der Versuch von CBS war, die sexuelle Revolution der 1970er Jahre in einer Networkserie unterzubringen. Dass auch «Grimm» am Freitag auf NBC und «Once Upon a Time» am Sonntag auf ABC nicht gerade prädestiniert dafür sind, eine große Zuschauerschaft auf sich zu ziehen, tut der Spannung im Quotenkampf jedoch keinen Abbruch: Es wird interessant zuzusehen, welches Prestigeprojekt der beiden Sender am Ende den längeren Atem haben und eventuell für ein zweites Jahr verlängert wird. Die Chancen stehen allerdings gut, dass es beide nicht über ein volles erstes Jahr hinaus schaffen werden. «Mad Men» ist zwar ein Darling der Kritiker und Preisvergeber, doch hat selbst AMCs Prestigeprojekt selten bis nie eine große Zuschauergemeinde.

CBS und FOX setzten derweil auf ihre starken Elemente und bauen ihr Programm deshalb weiter aus. FOX versucht es mit dem lange erwarteten, oft verschobenen und endlich startenden «Terra Nova», welches für den Sender die Woche eröffnet, und versucht weiterhin Fuß im Comedybereich zu fassen. Letztes Jahr scheiterten sowohl «Traffic Light» als auch «Running Wilde», und selbst «Raising Hope», welches schon frühzeitig für eine zweite Staffel verlängert wurde, hatte nicht gerade starke Quoten. Es wird interessant sein, ob Zooey Deschanel ihre liebreizende Beklopptheit in der neuen Comedyserie «New Girl» auf die Zuschauer übertragen kann, oder ob die Serie genauso um eine Verlängerung zu kämpfen hat wie das kürzlich erst in buchstäblich letzter Sekunde gerettete «Breaking In», Zwar hat «New Girl» mit «Glee» (Foto) ein starkes Lead-in, doch bevor die beiden Deschanel-Schwestern auf FOX mit Erfolgsserien gesegnet sind, muss «Glee» sich erst einmal als langlaufender Erfolg im dritten Jahr beweisen. Nach den ersten starken Kritikerstimmen während der zweiten Staffel ist der Erfolg in der Zielgruppe nämlich nicht mehr garantiert; ein garantierter Quotenhit ist allerdings die Premiere von «The X Factor» am Mittwoch und Donnerstag. Es muss schon ein weltweites Unglück geschehen, bevor FOX mit seiner neuen Castingshow komplett baden geht.

Mit «Two and a Half Men» hat die kommende Woche sicherlich den interessantesten Staffelstart. Ashton Kutcher hat Charlie Sheen ersetzt und Chuck Lorre nutzte die Eskapaden seines ehemaligen Serienstars in diesem Frühjahr für ein Retooling der inzwischen schon im neunten Jahr laufenden Comedyserie. Klugerweise hat CBS die Premiere zwischen die stark getestete neue Comedy «2 Broke Girls» und den Überraschungshit «Mike & Molly» gelegt – damit setzt CBS nicht nur auf den Hype des Reboots, welcher auch sein Lead-in und Lead-out zu hohen Quoten führen kann, sondern setzt auch weiterhin auf den zweistündigen Comedyblock am Montag, welcher nicht mal durch die Verlegung von «The Big Bang Theory» auf den Donnerstag erschüttert werden konnte. Überhaupt haben die letztjährigen Programmverlegungen von CBS sich als Erfolg erwiesen. «Survivor» wird auch weiterhin den Mittwoch eröffnen und den Krimiserien einen guten Einstand geben, während «The Big Bang Theory» am Donnerstag versucht, der neuen Comedy «How to be a Gentleman» zu einer quotenstarken Premiere zu verhelfen. «CSI» und «The Good Wife» haben dagegen einen neuen Sendeplatz gefunden, welcher beiden Serien tatsächlich neue Zuschauer in der Zielgruppe bringen kann. «The Good Wife», welches im Sandwich zwischen «The Amazing Race» und «CSI: Miami» platziert wurde, kann sicherlich die noch anhaltende Zuschauerresonanz beider Programme anzapfen und mit ordentlichen Quoten durchs dritte Jahr gehen, doch wird es für den Kritikererfolg schwierig werden, die Zuschauer zu halten, wenn erst einmal die Footballseason beginnt, und alle zwei Wochen sich das sonntägliche Programm weiter in die Nacht verschiebt.

Am zuschauerarmen Freitag duellieren sich derweil die fantastischen Projekte «Grimm» auf NBC und «Fringe» auf FOX – was man schon fast als Ausnahmesituation im Networkfernsehen sehen kann. Beide Sender zeigen jedoch, dass sie immer noch daran interessiert sind, CBS am Freitag Zuschauer stehlen zu wollen, um den Freitag allgemein aufzupeppen. NBC wird es ein wenig schwerer haben dieses Jahr, doch nach dem grundveränderten Montag bieten sie ihrem Publikum mit der finalen Staffel von «Chuck» auch einen grundveränderten Freitag. Offenbar hat die FOX-Kombination «Kitchen Nightmares» und «Fringe» den NBC-Executives gezeigt, dass an diesem Tag noch Zuschauer zu holen sind. CBS denkt derweil einige Schritte weiter und plant schon, den Samstag zum neuen Abstellgleis von Serien in Erstausstrahlungen zu verwandeln. «Rules of Engagement», das einzig fiktionale Programm am Samstag, welches nicht nur in Wiederholungen zu sehen sein wird, war selten ein Erfolg im CBS-Programm, hat aber trotzdem eine weitere Gnadenstaffel bekommen. Es ist fraglich, ob das Experiment funktioniert, speziell mit einer nicht gerade viel bedachten Serie wie «Rules of Engagement». Allerdings sprechen wir hier von CBS, deren Experimente im Programmplan letztens allesamt funktionierten.

Und dann ist da noch das kleine Network The CW, welches mit Mark Pedowitz ebenfalls einen neuen Geschäftsführer hat. Hier bleibt jedoch alles beim Alten, und damit ist auch der Rückgang der Reichweiten gemeint. Allein schon der Staffelstart von «90210» am Dienstag zeigte, dass die Serie ihren Zenit inzwischen überschritten hat, und selbst der mit Realityprogrammen befüllte Mittwoch zeigt schon seit Jahren, dass The CW mit einem Alternativprogramm aufwarten sollte – welches jedoch nicht mit Wiederholungen schon schwach laufender Serien, sondern aus neuem Material bestehen muss. Es ist jedenfalls nicht zu erwarten, dass «H8R» es in eine zweite Staffel schaffen wird: und die Zuschauer sollten sich langsam vorbereiten, «America's Next Top Model» zu verabschieden, oder auf einem kleineren Kabelsender (wie E! oder Bravo) zu suchen. «The Secret Circle» (am Donnerstag nach «The Vampire Diaries») und «Nikita» (am Freitag vor «Supernatural») haben derweil ihre Serienkameraden gefunden und warten auf den großen Zuschauerfluss. Vor allem «Nikita» wird es nötig haben, die Werte der ersten Staffel zu verbessern, um eine lange Laufzeit am Freitagabend zu garantieren.

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