Sülters Sendepause: Stirb, böses Sequel!

Der arme Neo durfte zwei Extraschichten schieben, in den 80ern wollte das Eis am Stiel einfach nicht versiegen und ein weißer Hai terroristerte gleich viermal arme Menschen. Dabei hätten wir doch so gerne nochmal Marty McFly in seinem DeLorean gesehen. Sequels sind böse und gemein! Oder?

Ein Kinofilm hat kommerziellen Erfolg und/oder kommt gut beim Publikum an. An sich handelt es sich bereits an dieser Stelle um eine runde Sache für alle Beteiligten. Ein Impuls, der viele Filmschaffende umtreibt, ist jedoch, diesen Erfolg möglichst weiter auszuweiten und per Fortsetzung einen Nachschlag auf die Leinwand zu bringen, der dann nicht nur die Geschichte weiterspinnen darf, sondern bitte auch den Erfolg zu wiederholen habe.

Die qualitative Streuung solcher Sequels ist jedoch enorm. Da gibt es solche, die ihre Vorgänger sogar noch übertreffen, solche die gut aber auch irgendwie überflüssig erscheinen und natürlich auch die, die von niemandem geliebt werden und nachträglich gar irgendwie den guten Erstling zerstören. Manchmal entstehen auch ganze Filmreihen über Jahre oder Jahrzehnte – im Guten wie im Schlechten.

Bevor ich mich dem Thema etwas globaler nähere, hier erst einmal stellvertretend zwei Vertreter, die für mich zur Creme de la Creme der Sequel-Geschichte oder eben doch eher in die berühmte Tonne gehören.

Böses Sequel: Zu wenig Speed um wahr zu sein


Keanu Reeves. Sandra Bullock. Dennis Hopper. Ein Bus und Regisseur Jan de Bont. Mehr brauchte es 1994 nicht, um dem Kinopublikum den Atem zu rauben und die Adrenalinproduktion in ungeahnte Höhen zu schrauben.

Mit einem Budget von nur 30 Millionen Dollar brachte der Niederländer de Bont bei seinem Regiedebüt das Script von Graham Yost (später erfolgreich mit «Band of Brothers» oder «The Americans») auf die Leinwand. Dass dabei sogar noch ein gewisser Joss Whedon für die knackigen Dialoge gesorgt hatte, kam erst später heraus. Mit über 350 Millionen Dollar Einspielergebnis weltweit war der Film ein Riesenerfolg. Ehrensache, dass man sich in Hinblick auf ein Sequel nicht beherrschen wollte.

Jason Patric. Sandra Bullock, Willem Dafoe. Ein Kreuzfahrtschiff und Regisseur Jan de Bont. Mehr brauchte es 1997 nicht, um dem Kinopublikum eine vollkommen uninspirierte, ausgelutschte und langweilige Fortsetzung zu kredenzen. Mit einem Budget von diesmal sogar 110 Millionen Dollar, jedoch ohne Keanu Reeves, der zu diesem Zeitpunkt «Im Auftrag des Teufels» drehte und mit seiner Band Dogstar tourte, verwirklichte man eine Story rund um einen Alptraum von de Bont, in dem ein Kreuzfahrtschiff in eine Insel krachte.

Das Ergebnis war erschreckend: Patric und Bullock besaßen keine Chemie, Willem Dafoe mühte sich redlich, gab jedoch nur einen Comic-Bösewicht ab, die wenigen guten Szenen waren purer Aufguss vom ersten Teil und die Effekte unterschritten oft das Zumutbare. Für Jan de Bont war es der Anfang vom Ende: Er führte später noch Regie bei «Das Geisterschloss» und dem zweiten «Tomb Raider»-Film. Nach diesen erneuten Rohrkrepierern kam dann nichts mehr.

Gutes Sequel: Indiana Jones zum Ersten, Zweiten uuuund Dritten!


Es gibt auch Kinoreihen, die einfach immer besser werden. Bereits die ersten beiden Abenteuer rund um Henry Jones jr. genannt Indiana Jones hatten vor abenteuerlichen Geschichten, knackigen Charakteren und viel Humor gestrotzt. Dennoch war erst 1989 und mit dem dritten Teil der Reihe «Indiana Jones und der letzte Kreuzzug» der Moment gekommen, dass ein zeitloser, nahezu in jeder Hinsicht perfekter Film geschaffen wurde.

Harrison Ford war inzwischen so sehr mit seiner Rolle verschmolzen, wie es sonst nur bei Han Solo gelungen war und Sean Connery gab an seiner Seite eine Galavorstellung als sympathisch-wirrer Vater.

Wir erhielten einen Rückblick in die Jugendjahre des Indy (was zudem einen wunderbaren Rahmen für den Film darstellte), konnten uns an John Rhys-Davies, Julian Glover und River Phoenix erfreuen, erlebten eine mitreißende Geschichte, die eine Brücke zwischen Glaube, fiktiver und echter Geschichte spannte und erlebten Kreuzritter, Abenteuer in der Kanalisation von Venedig, Bootverfolgungsjagden, einen Abstecher auf eine Burg in Österreich und schließlich sogar noch einen Besuch bei der Bücherverbrennung in Berlin, wo Indy sich vom Führer persönlich ein Autogramm in das Gralstagebuch seines Vaters schreiben lassen musste – samt anschließender Flucht mit einem Zeppelin.

Bis heute für mich eindeutig einer der fünf besten, humorvollsten, unterhaltsamsten und zudem noch inhaltlich ansprechendsten Filme aller Zeiten. Übrigens haben drei meiner anderen TOP-5-Filme zum Glück nie Fortsetzungen erhalten («Apollo 14», «Pans neues Labyrinth» und «Die erneute Jagd auf Roter Oktober» wäre aber vielleicht auch etwas zu sinnfrei gewesen), einer musste jedoch viele schlimme Nachschläge über sich ergehen lassen - dabei war der erste Teil von «The Crow» so ein poetisch-düsterer Liebesfilm gewesen, der gut für sich hätte stehen bleiben dürfen, ohne ein blutleeres Franchise in Kino & TV zu begründen.

Sequels zwischen Himmel und Hölle


Sequel sein ist schwer. Und neben dem zitierten Fehlschlag und Gewinner gibt es auch Reihen, die über die Jahre mit den verschiedenen Teilen alle qualitativen Seiten bedienen konnte. Die «Alien»-Reihe zum Beispiel legte mit «Aliens» einen famosen zweiten Teil nach. Der dritte sackte dann schon eine Ecke ab, der vierte war schließlich eher lachhaft. Ob man mit den aktuellen Versuchen (nach dem mittelprächtigen «Prometheus») nochmal in die Spur finden wird?

Auch «Jurassic Park» ließ dem ersten Teil (und verdientem Klassiker) einen starken (wenn auch überzogenen) zweiten Teil folgen. Der dritte wiederum konnte dann bei Weitem nicht mehr mithalten. Erst vor kurzem gelang mit «Jurassic World» (einem gefühlten Quasi-Remake des ersten Films) aber doch wieder ein klasse Film.

Die alte «Batman»-Reihe hatte zuerst zweimal geglänzt. Als dann jedoch im dritten Teil Jim Carrey als Riddler kasperte und Val Kilmer einen blassen Batman gab, begannen die Alarmglocken zu läuten. Im vierten Teil schließlich ließ Regisseur Joel Schumacher die Reihe zu einer albernen Nummernrevue verkommen, deren Negativhighlight neben der erneut unpassenden Batman-Wahl (George Clooney) Arnold Schwarzenegger als Mr. Freeze war (It´s cool man). Es bedurfte eines Neustarts, Mastermind Christopher Nolan und Christian Bale in der Hauptrolle, um Batman wieder zu einer ernstzunehmenden Reihe zu machen. Die in dieser Phase entstandenen drei Filme liegen übrigens auf einem erstaunlich gleichmäßig hohen Niveau – Kontinuität bei den Main Playern sei Dank.

Schöne Beispiele für durchweg gute bis sehr gute Reihen sind neben den «Zurück in die Zukunft»-Filmen noch die «Scream»-Reihe (die ihre Geschichte insgesamt sehr stimmig abschloss) oder die «Der Pate»-Trilogie. Gerade die Filme rund um Marty McFly (Michael J. Fox) und seine Zeitreiseabenteuer an der Seite von Doc Brown haben zu Recht bis heute Kultcharakter und eignen sich nach wie vor zum Rewatch. Hier wären durchaus weitere Geschichten möglich oder wünschenswert gewesen.

Tja – und was die andere Seite der Medaille angeht, gibt es dann noch Reihen, die zwar unfassbar viele Fortsetzungen heraufbeschworen, diese jedoch schon ab dem zweiten Teil eigentlich durchweg nicht mehr verdient hatten. Die schlimmsten Beispiele in dieser Kategorie sind «Eis am Stiel» (8 Filme), «Police Academy» (7 Filme), «Wrong Turn» (6 Filme) oder «Der weiße Hai» (4 Filme). Hier hätte durchweg nach dem Auftakt Schluss sein dürfen.

Apropos Schluss sein – gutes Stichwort.

Conclusio


Egal in welchem Bereich, meist steht die Gier der Verantwortlichen wirklich sinnvollen Folgeprodukten im Wege. Billig zu produzierende Reihen («Saw», «Paranormal Activity», «The Purge») werden zu wahren Goldgruben, ermüden aber inhaltlich schnell und werden mit jedem Teil redundanter. Ohnehin auf Langlebigkeit ausgelegte Reihen («Star Trek», «Star Wars», «Bond») ächzen gerne unter Ideenarmut und Wiederholungen. Und Romanverfilmungen («Herr der Ringe», «Harry Potter») können es den lesenden Fans ohnehin nie Recht machen.

Steckbrief

Björn Sülter ist bei Quotenmeter seit 2015 zuständig für Rezensionen, Interviews & Schwerpunkte. Zudem lieferte er die Kolumne Sülters Sendepause und schrieb für Die Experten und Der Sportcheck.
Der Autor, Journalist, Podcaster, Moderator und Hörbuchsprecher ist Fachmann in Sachen Star Trek und schreibt seit 25 Jahren über das langlebige Franchise. Für sein Buch Es lebe Star Trek gewann er 2019 den Deutschen Phantastik Preis.
Er ist Headwriter & Experte bei SYFY sowie freier Mitarbeiter bei Serienjunkies, der GEEK! und dem FedCon Insider und Chefredakteur des Printmagazins TV-Klassiker und des Corona Magazine.
Seine Homepage erreicht ihr hier, seine Veröffentlichungen als Autor auf seiner Autorenseite.
Am schlimmsten trifft es jedoch oft die Überraschungshits (wie eben zum Beispiel auch «Speed» oder «Matrix»), die selten auf Fortsetzungen ausgelegt sind und aus rein ökonomischen Überlegungen ein zweites oder vielfaches Leben erhalten. Im Serienbereich gibt es das Phänomen selbstverständlich auch. Man denke ganz aktuell an die mißlungenen Fortsetzungen der Serien «Under the Dome» oder «Wayward Pines».

Generell ist es natürlich nicht verkehrt, uns mit immer mehr von dem zu versorgen, was uns gefällt. Und ein paar Fortsetzungen wären sicher auch kein Grund für Diskussionen – die aktuelle Reboot/Remake/Rewamp/Prequel/Sequel-Politik der Kreativen zeigt jedoch ein großes Maß an Ratlosigkeit. Vielleicht weiß man schlicht nicht mehr, was der Konsument sich wünscht? Vielleicht sind die großen Studios aber auch einfach mutlos, risikoscheu oder schlicht zu pleite, um wirklich kreative Stoffe zu genehmigen, bevor nicht mindestens zehn neue Sequels parallel starten.

Die Kontroversen rund um die Qualität von «Independence Day 2» und dem «Ghostbusters»-Remake zeigen jedoch aktuell auch, wie leicht so ein feiner und vermeintlich sicherer Plan in die Hose gehen kann. Zwar besteht noch Hoffnung, dass beide durch starke Einspielergebnisse außerhalb der USA ihre Produktionskosten werden einspielen können, in den USA wird dies jedoch bei Weitem nicht mehr gelingen. Vielleicht war die Zeitspanne zwischen erstem und zweitem Anlauf doch zu lang? Auf der anderen Seite konnte es sich Pixar erlauben, stolze dreizehn Jahre nach dem ersten Teil mit «Finding Dory» nochmal richtig nachzulegen. Ähnliches war ihnen auch schon mit «Toy Story» gelungen – in allen Fällen übrigens qualitativ wie kommerziell. Doch braucht es dafür eben die richtigen Leute, den richtigen Zeitpunkt und das nötige Kleingeld. Und keine Schnellschüsse.

Der Sülter hat für heute Sendepause, ihr aber bitte nicht – Wie sind eure Erfahrungen? Welche Sequels taugen? Welche waren überflüssig? Gibt es Filme, die Fortsetzungen verdient aber nie erhalten haben? Welche Reihen wurden irgendwann durch die schiere Flut an Fortsetzungen qualitativ getötet? Und woran liegt der Trend zu immer mehr Alten und immer weniger Neuem? Denkt darüber nach und sprecht mit anderen drüber. Gerne auch in den Kommentaren zu dieser Kolumne. Ich freue mich drauf.

«Sülters Sendepause» macht nun Sommerpause und ist ab 10. September wieder am Start.

Die Kolumne «Sülters Sendepause» erscheint in der Regel alle 14 Tage Samstags bei Quotenmeter.de und behandelt einen bunten Themenmix aus TV, Film & Medienlandschaft.

Für konkrete Themenwünsche oder -vorschläge benutzt bitte die Kommentarfunktion (siehe unten) oder wendet euch direkt per Email an bjoern.suelter@quotenmeter.de.

30.07.2016 10:40 Uhr  •  Björn Sülter Kurz-URL: qmde.de/87132