«Gotham»: Der Lichtblick in FOX' Flop-Gewitter

Zwar hat «Gotham» bei den Live-Ausstrahlungen am Montagabend einen schweren Stand, die FOX-Serie erweist sich jedoch als Phänomen im zeitversetzten Fernsehen - ein Zwischenfazit.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: DC Entertainment, Primrose Hill Prod., Warner Bros.
  • Schöpfer: Bruno Heller («Rome», «The Mentalist»)
  • Darsteller: Ben McKenzie, Donal Logue, David Mazouz, Erin Richards, Jada Pinkett Smith ua.
  • Executive Producers: Danny Cannon, Bruno Heller
  • Regisseur (Pilot): Danny Cannon
Bei all den Serienadaptionen von Comicbüchern und insbesondere in Anbetracht des neuerlichen Superhelden-Trends im US-amerikanischen Fernsehen, der zuletzt Formate wie «Arrow», «Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.» oder «Flash» hervorbrachte, wirkte FOX' Ankündigung von «Gotham» am vielversprechendsten. Denn auch nach Marvels Offensive in Sachen Kinofilmen, stellt das «Batman»-Franchise nach Christopher Nolans Kinotrilogie und diversen Videospielen noch immer den beliebtesten Helden-Stoff dar. Der Fledermausmann ist das Non-Plus-Ultra was die Verwertung von DCs Comicbuchreihen angeht. Für «Gotham», das die Heimatstadt seines Alter Egos Bruce Wayne darstellt, gab es nur einen Haken: Zwar sollten die zahlreichen Schurken im Batman-Universum mehr Beachtung finden, vom verbrechensbekämpfenden Lebemann im Fledermauskostüm wird aber selbst nichts in der Serie zu sehen sein.

Als Origin-Story zog Showrunner Bruno Heller («The Mentalist») die Superheldenserie auf, die eigentlich gar keine ist. Stattdessen rückte Heller Batmans späteren Weggefährten und talentierten Polizisten Jim Gordon in den Fokus, der zur Zeit der Handlung noch weit vom Posten des Commissioners entfernt ist. Dennoch beginnt das Format mit einem der denkwürdigsten und vielfach porträtierten Momente des Franchises: Dem Mord an Bruce Waynes Eltern Thomas und Martha, woraufhin der kleine Bruce den Entschluss fasst, dem Verbrechen in «Gotham» auf lange Sicht einen Riegel vorzuschieben. Dieser Vorfall dient als roter Faden des Formats, denn schon früh verspricht Gordon dem wohlhabenden Waisenjungen, den Verantwortlichen für diese Tat zu fassen. Das gestaltet sich jedoch schwerer als gedacht, denn es stecken größere Mächte hinter dem Mord, die sich um Vertuschung bemühen. Zusätzlich dazu scheint das gesamte Polizeirevier, inklusive Gordons Partner Harvey Bullock (Foto links), korrupt zu sein und dem organisierten Verbrechen deutlich näherzustehen, als die Beamten sollten. Wie Al Pacino in «Serpico» scheint Gordon der einzig aufrichtige Cop in der moralisch verkommenen Stadt zu sein.

Etliche «Batman»-Fans gingen den Kompromiss ein, zwar nicht ihren Lieblings-Helden in Aktion zu sehen, dafür aber viele Details zum Werdegang einiger Schurken, Jim Gordon und dem jungen Bruce Wayne zu erhalten. Schon zur Terminierung der neuen TV-Saison zeichnete sich jedoch ab, dass «Gotham» es um 20 Uhr am Montagabend alles andere als leicht haben würde. Zur gleichen Zeit liefen zwei Folgen von Amerikas wohl derzeit beliebtester Serie «The Big Bang Theory», NBC setzte dem die ebenfalls außerordentlich erfolgreiche Castingshow «The Voice» entgegen und ABC geht am ersten Tag der Woche vor allem beim Gesamtpublikum mit «Dancing with the Stars» auf Beutezug. Dementsprechend präsentierte sich die Premiere von «Gotham», die runde acht Millionen Zuschauer ab zwei Jahren anzog und dadurch zehn Prozent bei den wichtigen 18- bis 49-Jährigen generierte. In Anbetracht der direkten Konkurrenz waren das starke Werte für FOX, das sich wohl dennoch etwas mehr erhofft hatte.

Zeitversetztes Fernsehen in den USA

Viele Beobachter des US-Fernsehens streiten sich über die Wichtigkeit nonlinearer Sichtungen. Dabei hat zeitversetztes Fernsehen in den USA ganz andere Dimensionen als in Deutschland. Die Ratings, die durch den DVR-Konsum verbucht werden, sind so groß wie der Durchschnitt der vier großen Networks (NBC, CBS, FOX, ABC) zusammengenommen. Unterdessen nahm die Live-Reichweite zwischen 2008 und 2013 bei 18- bis 24-Jährigen um 17 Prozent und bei den 25- bis 54-Jährigen um 15 Prozent ab. Lesen Sie darüber auch diesen Artikel.
Live+3-Ratings, die auch die Zuschauer messen, welche sich das Programm mithilfe ihres Festplattenrekorders innerhalb von drei Tagen zeitversetzt zu Gemüte führten, entschädigten im Nachhinein die gedämpften Erwartungen von FOX. Zusammen mit «Sleepy Hollow» führte «Gotham» die Liste der Montags-Formate in diesem Punkt an. In Sachen Rating, das die Prozentzahl aller zusehenden 18- bis 49-Jährigen der ganzen USA misst, unabhängig davon, ob diese gerade Fernsehen schauen oder nicht, steigerte sich «Gotham» um 56 Prozent und führte mit einem Rating von 5,0 den Montagabend noch vor NBCs «The Blacklist» an, das zusammengenommen 4,9 Prozent aller in den USA lebenden 18- bis 49-Jährigen unterhielt. Verrechnet man die Live-Zuschauer mit den Interessierten, die sich das Programm zeitversetzt ansahen, kommt man auf insgesamt 14,15 Millionen Personen. Tatsächlich führte «Gotham» sogar vor ABCs «How To Get Away With Murder» zudem die On Demand-Charts der Woche zwischen dem 21. und 27. September an. Innerhalb von 30 Tagen verfolgten sogar insgesamt 22,2 Millionen Menschen den Serienstart – das größte nonlineare Publikum seit drei Jahren.

Zwar schalteten zur Erstausstrahlung am darauffolgenden Montag mit 7,45 Millionen nur etwa eine halbe Million Zuschauer weniger ein als in der Vorwoche, die Episode, die Catwomans bürgerlichen Namen „Selina Kyle“ trug, verbuchte beim jungen Publikum jedoch nur noch acht Prozent. Wahrscheinlich war dieser Zuschauerrückgang bei den Werberelevanten dem nicht mehr vorhandenen Anfangshype geschuldet, dennoch stellte dies einen zufriedenstellenden Marktanteil dar, insbesondere weil sich FOX wieder über einen gewaltigen Zuwachs bei zeitversetzten Zuschauern freuen durfte und damit insgesamt auf 11,81 Millionen Interessierte kam. So langsam monierten einige Fans jedoch, dass es sich bei «Gotham» schon bald nur noch um ein Police Procedural handeln würde. In der Tat rückte die Rahmengeschichte um Bruce Wayne, die Mafia-Oberhäupter Salvatore Maroni und Carmine Falcone sowie die durchtriebene Fish Mooney und den „Pinguin“ für einige Folgen eher in den Hintergrund, stattdessen setzte «Gotham» für einige Episoden auf einen „Killer of the Week“. „The Ballonman“ erreichte dementsprechend am 6. Oktober nur noch 6,36 Millionen Zuschauer, womit zumindest die Gesamtzuschauerzahl in einen bedenklichen Bereich rückte. Mit acht Prozent hielt sich «Gotham» jedoch in der Zielgruppe konstant. Erneut steigerten sich die Werte auch mit Einbezug der zeitversetzten Sichtungen deutlich.

Noch vor Ausstrahlung der vierten Episode gab FOX bekannt, insgesamt 22 Episoden von «Gotham» zu bestellen, was in Anbetracht der vielen Flops beim zielgruppenorientierten Network keine große Überraschung war. Am gleichen Tag unterhielt «Gotham» insgesamt 6,39 Millionen Zuschauer und damit in etwa gleich viele, wie in der vorherigen Folge. Bei den 18- bis 49-Jährigen rutschten Jim Gordon und Co. jedoch um einen Prozentpunkt hinunter. Sieben Prozent standen dort nun zu Buche – eine Quote, die für die nächsten Episoden beibehalten werden sollte. Die Live+3-Werte maßen innerhalb der nächsten drei Tage weitere 4,5 Millionen Zuschauer. Am 20. Oktober gab «Gotham» jedoch insgesamt weiter ab und stand beim Gesamtpublikum noch bei 6,09 Millionen Interessierten da. Zwar verabschiedete sich «The Big Bang Theory» schon in dieser Woche aus dem Montagsslot und wurde dort durch die «2 Broke Girls» ersetzt, der Zuschauerrückgang von «Gotham» hielt jedoch noch bis zum 27. Oktober an, als 5,89 Millionen einschalteten.

#Themenwoche US

Seit eineinhalb Monaten läuft die neue TV-Saison in Amerika. Die großen TV-Stationen haben ihre ersten Entscheidungen getroffen und Sendungen verlängert oder gecancelt. Auf die spannendsten Projekte blickt Quotenmeter.de in dieser Woche.
Am Dienstag starten wir mit einer Analyse der US-Sitcoms. Zahlreiche neue Formate sind gefloppt und etablierte Sendungen wie «Two and a Half Men» gehen bald zu Ende. Ebbt der Sitcom-Boom also ab?
Am Mittwoch werfen wir einen Blick auf das neue «Gotham», den Lichtblick in einer Reihe von FOX-Flops.
Am Donnerstag betrachten wir das kleine Network The CW, das sich zwar über den tollen Start von «The Flash» freuen darf, aber mit «Jane the Virgin» auch einen Wackelkandidaten hervorgebracht hat.
Wie sich Kabelserien von Showtime, AMC und FX schlagen (u.a. mit «The Affair» und «The Walking Dead», erfahren Sie am Freitag.
Und am Samstag folgt noch ein Blick auf die drei «NCIS»-Formate von CBS.
Die siebte Episode am 3. November lockte jedoch bereits wieder 6,63 Millionen Zuschauer an – die dritthöchste Live-Reichweite seit der Premiere. Dies könnte zum einen mit der zuvor erwähnten fehlenden Präsenz der CBS-Nerds zusammenhängen, aber auch damit, dass sich „The Penguin’s Umbrella“ wieder ausschließlich mit dem roten Faden beschäftigte, der seit dem Seriendebüt gesponnen wird: Jim Gordon kämpft für Bruce Wayne gegen das organisierte Verbrechen. Die siebte Ausgabe lieferte einige actionreiche Szenen und Auflösungen und lässt damit auch auf Besserung der Serien-Zahlen hoffen, die sich dank der nonlinearen Sichtungen in einem ansehnlichen Bereich bewegen, gleichwohl die Live-Ausstrahlungen etwas schwächeln und bei sieben Prozent stagnieren.

FOX musste diese Saison bereits etliche Rückschläge hinnehmen. Drama-Serien wie «Red Band Society» und «Gracepoint» kommen beim US-Publikum gar nicht an, zusätzlich gab FOX auch das sündhaft teure Reality-Projekt «Utopia» frühzeitig auf. Im Vergleich dazu stellt «Gotham» einen Lichtblick beim US-Network dar, welches vor gar nicht allzu langer Zeit bei den 18- bis 49-Jährigen noch die Spitzenposition innehatte und nun immer tiefer rutscht. Viele Batman-Fans werden dranbleiben, da sie sich auf weitere Auftritte von Schurken wie dem Pinguin, dem Riddler, Catwoman, Poison Ivy, Harvey Dent und sogar dem Joker freuen dürfen. Dabei baut «Gotham» nicht nur auf die «Batman»-Fanbase, auch in qualitativer Hinsicht sind sich Kritiker einig, dass «Gotham» zumindest eine überdurchschnittliche Performance auf die Bildschirme bringt. Allem voran muss dabei der Cast genannt werden, in dem Robin Lord Taylor als „Pinguin“ Oswald Cobblepot alles überstrahlt und eventuell auf einen Golden Globe hoffen darf. Daneben erweisen sich vor allem Ben McKenzie als James Gordon und Donal Logue als sein nicht ganz so korrekter Partner Harvey Bullock als gute Besetzungen. Man merkt der Serie zwar visuell an, dass sie im Networkfernsehen angesiedelt ist, dies wird aber durch eine oft großartige Stilisierung wettgemacht. Statt oft bunten und poppigen Bildern anderer Genrevertreter, setzt Bruno Heller auf eine eher düstere Atmosphäre im Stile von Christopher Nolan. Die Chancen auf eine zweite Staffel stehen nach einem Drittel der ersten Season nach anfänglichen Bedenken gar nicht so schlecht.
12.11.2014 10:24 Uhr  •  Timo Nöthling Kurz-URL: qmde.de/74352