360 Grad: Heilige Fucking Scheiße, ey

Von drei neugestarteten RTL-Serien bleibt keine einzige übrig. Eine katastrophale Bilanz. Julian Miller mit einer Fehleranalyse - samt Einladung zu Kritik, Widerspruch und Ergänzung.

Alles ist schiefgegangen, was schiefgehen konnte. Von den drei Serien, mit denen RTL Ende August an den Start ging, überlebte keine einzige.

Dabei haben die Zuschauer zumindest «Doc meets Dorf» eine Chance gegeben. Die Woche für Woche sinkenden Quoten beweisen aber: Angekommen ist das Format letztlich nicht. Genauso wenig wie das Experiment, «The New Adventures of Old Christine» zu adaptieren, oder mit «Sekretärinnen» den x-ten Versuch einer Büro-Sitcom zu senden.

Um es mit einem Satz von Fritzi Frühling zu sagen, den Hans Hoff schon zum Leitmotiv auserkoren hat: Heilige Fucking Scheiße, ey.

Wenn nichts mehr geht, ist die Zeit für Fehleranalyse gekommen. Als Kritiker ist das müßig, schließlich hat man's ja gleich gesagt. Trotzdem hier ein paar Tipps, woran das Scheitern gelegen haben könnte. So viel Hybris muss sein:

1. Die Frauen sind Schuld. Oder besser: Schuld ist, wie ihr die Frauen seht. Nichts gegen Frauenaffinität, aber sie muss ehrlich sein – nicht so berechnet und durch Marktforschung in den Ruin optimiert. Glaubt es mir ruhig: Das weibliche Humorzentrum ist nicht am Gipfel angekommen, wenn die Städterin mit den High-Heels durch den Matsch watet. Da geht mehr. Und ihr könnt auch mehr. Traut es den Frauen ruhig zu, dass die das auch verstehen.

2. Macht aus euren Figuren mehr als nur Eyecandy. Gebt ihnen ruhig ein paar Ecken und Kanten – gerne auch ein bisschen einfallsreichere, als man sie im Dramaturgiehandbuch findet. Ihr müsst euch ja keinen Meth-kochenden Walter White oder eine bipolare Carrie Mathison ausdenken. Aber ein bisschen mehr als die Geschichte vom Mauerblümchen, die sich im männermordenden Bürobusiness zurecht finden muss, wäre doch drin.

3. Die Zeit ist nicht 1999 stehen geblieben. Erzählt ruhig ein bisschen flotter als damals. Wir Zuschauer sind das mittlerweile gewöhnt. Wisst ihr doch, von all den amerikanischen Serien, die wir statt «Sekretärinnen» geguckt haben.

4. Die Zeit ist auch nicht 2011 mit «Doctor's Diary» stehen geblieben, an das ihr mit «Doc meets Dorf» anknüpfen wolltet. Ein bloßes Anknüpfen reicht uns nämlich nicht. Wir wollen noch eine Schippe mehr. Überrascht uns ruhig. So clever wie wir ist keine Marktforschung. Fragt mal Jerry Seinfeld.

5. Erzählt einen deutschen Stoff – aber amerikanisch: Wenn wir Deutschen (oder Europäer) uns in unseren Serien nicht wiederfinden wollen würden, bräuchten wir sie nicht. Dass «Weissensee», «Verbrechen», – oder damals auch euer «Doctor's Diary» – erfolgreich liefen, beweist: Wir wollen das durchaus. Was wir aber nicht wollen, ist eine Neuauflage von «Das Amt». Unsere Seriengewohnheiten haben sich verlagert: weg von der deutschen Schlurfigkeit hin zur angelsächsischen Wittiness, weg vom behäbigen Geplänkel hin zum hohen Tempo, bei dem die tiefgreifende Charakterstudie aber nicht auf der Strecke bleiben darf. Kölner und Münchner sind nicht so cool wie New Yorker oder Londoner; das stimmt. Aber mit etwas gutem Willen kann man sie so cool schreiben.

Das wird doch zu schaffen sein. Heilige Fucking Scheiße, ey!
08.11.2013 13:00 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/67203