Der Fernsehfriedhof: Wer hat an der Uhr gedreht?

Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 77: Die Einführung der Nullzeit.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir keines expliziten Fernsehformats, sondern einer groß angelegten Kampagne von Sat.1.

Der Slogan «Volle Stunde, volles Programm» wurde Ende 1995 geboren und sollte verdeutlichen, dass Sat.1 künftig sein Abendprogramm pünktlich um 20.00 Uhr starten würde. Dass in Deutschland die Primetime nicht zur vollen Stunde, sondern erst eine Viertelstunde nach 20.00 Uhr beginnt, liegt einzig und allein an der «Tagesschau». Die Nachrichtensendung geht seit dem 01. November 1952 pünktlich um acht auf Sendung und wurde im Laufe ihrer Geschichte zu einer derartig festen Institution des deutschen Fernsehabends, dass die Hauptabendprogramme fast aller Sender danach ausgerichtet wurden.

Als Fred Kogel im Jahr 1995 das Ruder bei Sat.1 übernahm, wollte er nicht nur zahlreiche neue Projekte wie «Gottschalks Hausparty», «XXO - Fritz & Co», «Harald Schmidt Show» oder «Schwurgericht» etablieren, sondern auch den Versuch starten, die Macht der «Tagesschau» zu untergraben. Dazu wurde der Slogan «Volle Stunde, volles Programm» kreiert und im Jahr 1995 eingeführt. Fortan begannen alle Shows und Serien von Sat.1 zur sogenannten „Nullzeit“.

Dem Konzept schlossen sich ProSieben und kabeleins an, die über die Beteiligung der Kirch-Gruppe schon lange vor dem Aufkommen der ProSiebenSat.1 Media AG indirekt mit Sat.1 verbunden waren. Begleitet wurde dies durch eine große Anzeigenkampagne und zahlreiche Trailer. So gab es im Sat.1-Programm unter anderem ein Männchen mit einer Uhr als Kopf, das auf den neuen Slogan hinwies. Auch Konkurrent RTL wurde angeblich um eine Teilnahme gebeten. Der Kölner Sender lehnte diese jedoch ab, da er die Einführung der „Nullzeit“ bereits im Jahr 1989 erfolglos versucht hatte.

Letztendlich konnte sich die „Nullzeit“ nicht durchsetzen, da die Zuschauerzahlen der beteiligten Sender merklich sanken. Dies lag allerdings weniger an der Macht der «Tagesschau», als vielmehr daran, dass das erfolgreiche Programm von RTL, RTL 2 und VOX weiter um Viertel nach begann. Gegen diese Dominanz konnten Sat.1 und seine Partner nicht gewinnen und nahmen im Sommer 1996 die Umstellung wieder zurück.

Möge die Idee in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann Ingo Appelts Skandal-Show.
04.03.2010 09:27 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/40536