Popcorn und Rollenwechsel: Was hätte sein können …

Wenn nach über 540 Ausgaben eine Kolumne schon mit Remakes anfängt, wieso dann nicht gleich auch ein "What if ..?"-Special ..?

Es gibt Phasen, da muss ich mir meine Kolumne von Woche zu Woche überlegen. Gelegentlich, das wird man nach über 500 Ausgaben auch mal zugeben können, kommen die Ideen sogar erst auf dem letzten Drücker. Ja, ich weiß, ihr seid nun alle total geschockt. Danke für euer Vertrauen.

Jedoch gibt es zugleich jene Momente, in denen mir mehrere Ideen für "Popcorn und Rollenwechsel" auf einen Schlag kommen. Somit entstand etwa die fünfteilige Saga "Popcorn, Rollenwechsel und Kritikerklischees" über Maria Muster, laut tönende Männer sowie erdrückende Mächte, die Frauen im Medienschreibereisektor Steine in den Weg legen. Oder eine ganze Trilogie an Ausgaben über Andrew Stantons Disney-Sci-Fi-Kassenenttäuschung «John Carter». Und manchmal kommen zwar nicht mehrere Ideen auf einmal, aber die Beendigung der einen Kolumne ist zugleich die Initialzündung für die nächste. So ist's auch nun geschehen.

Denn wenn ich jetzt echt ein Remake einer früheren Ausgabe verfasse, wieso sollte ich nicht direkt danach ein (erneutes) "Behind-the-Scenes-Special" nachreichen und mal darüber referieren, welche Kolumnen nie geschrieben wurden. So musste ich öfters zwischen zwei wochenaktuellen Filmthemen entscheiden: Welches bringt mehr Stoff für meine Kolumne her? Die Liste an so "gestorbenen" Ideen für diese Artikelreihe ist derart lang, es bringt nichts, sie alle aufzuzählen.

Und dann gibt es die Kolumneneinfälle, die ich aufgegeben habe, weil sie mir zu aufwändig wurden. Nach einem Christoph-Maria-Herbst-Synchronranking und einem Quentin-Tarantino-Synchronranking hatte ich beispielsweise einen Countdown sämtlicher deutscher Pixar-Synchronfassungen im Sinn. Bis mir einfiel, dass es von mir irrsinnig wäre, die Stärken und Schwächen aller Synchros eines Studios abzuwägen, das über 20 abendfüllende Filme herausgebracht hat. Ich mein, klar, würde ich nur "Popcorn und Rollenwechsel" schreiben, wäre das eine Option. Aber dem ist ja nicht so.

Dann gibt’s Themen, die ich gekippt habe, weil ich mich nicht zu sehr wiederholen will. Man gebe mir genug Rum, und ich könnte jede Woche über «Pirates of the Caribbean» schreiben, aber klickt euch mal durch das Archiv … Neee, nee, Leute, ich reiß mich hier schon echt zusammen!

Mein erster Gast stieg vom Senator eines kleinen Planeten zum Obersten Kanzler einer intergalaktischen Republik auf. Er hat immense diplomatische Fähigkeiten und beeindruckende Kenntnisse im höchst wichtigen Bereich der Wirtschaft. Seine nicht all zu steile These: 'In Krisenzeiten braucht es einen Anführer mit außerordentlichen Machtbefugnissen, um die Zukunft der Demokratie zu formen!' Ich begrüße Sie, Sheev Palpatine!
Frank Plasberg
Und dann gibt’s Ausgaben, die halbfertig auf meinem Desktop herumliegen, bei denen ich einsehen muss: Neee, ich schreibe die nicht mehr zu Ende. Es sind keine aufgegebenen Ideen, sondern unvollendete Mammutwerke, wenn man so will. Etwa eine über die sich wandelnde Rezeption von «Lilo & Stitch». Oder das Paradebeispiel: Ich wollte in der Tradition der "Popcorn und Rollenwechsel"-Ausgaben, die wirklich, wirklich, hundertprozentig echte, sensationelle Gespräche für die Nachwelt festhalten, eine exklusiv mir zugängliche, im Giftschrank der ARD versauernde Ausgabe von «Hart aber fair» transkribieren, in der Frank Plasberg mit Sheev Palpatine, Lotso Knuddelbär, Thanos, Auric Goldfinger von der FDP, dem Joker, Julian Reichelt und Donald Duck diskutiert.

"Wieso gestattet uns niemand, dass wir auf unsere Worte auch Taten folgen lassen? Wie ewige Stänkerer große Pläne vereiteln!", lautete das Thema und Plasberg wollte "Genies unserer Zeit" den Raum geben, zu erklären, wie unerhört es sei, "dass dauernd irgendwelche Meckererpel die Endziele schlauer Menschen niederquacken".

Plasberg ist in der Folge, wie man es von ihm gewohnt ist, in journalistischer Topform und beherrscht es, für eine ausgewogene Diskussion zu sorgen, in der sich endlich einmal jemand bei Thanos, dem Joker und Co. entschuldigt. Und dieser doofe Donald Duck bekommt die harte, vollkommen faire Kante, die ihm zusteht, weil er sich so vollkommen grundlos über die anderen Gäste in dieser «Hart aber fair»-Ausgabe aufregt.

Aber, Leute: Eine ganze Folge «Hart aber fair» abtippen, in der der keuchende Palpatine und der schmatzende Joker ganze Monologe halten, was vollkommen schwer zu verstehen ist? Neee. Das ist mir zu schwer, das dauert zu lang und mittlerweile interessiert sich doch niemand mehr dafür, bestätigt zu bekommen, welch wunderbarer Talkmaster Plasberg ist. Es ist ja verdientes Allgemeinwissen geworden. Da braucht es mein Transkript nicht mehr.

Nun liegt es in meinem Giftschrank. Ich hab's aufgegeben.
10.09.2020 14:21 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/121169