Popcorn und Rollenwechsel: Die besten Filme, die Gore Verbinski nie gedreht hat

Kinokolumnist Sidney Schering ist von den ständigen Kino-Hiobsbotschaften der vergangenen Wochen so gestresst, dass er gedanklich in eine bessere Welt flüchtet.

Was wäre, wenn … Was wäre, hätte Gore Verbinski, ein Regisseur, der kontinuierlich Filme kreiert, die mit der Zeit reifen wie guter Wein, stets das hätte umsetzen können, was er wollte? Das ist eine höchst aufregende Frage, denn Verbinski steht nicht nur für Filme, die ich mit hoher Verlässlichkeit abfeiere, sondern auch für einen hohen Output an Projektankündigungen, auf die dann letztlich doch nichts folgt. Ähnlich wie bei Kevin Smith, Robert Rodriguez und lange Zeit bei Quentin Tarantino. Was muss das für ein beneidenswertes Alternativuniversum sein, in dem Gore Verbinski so viel mehr Filme gemacht hat als in dieser, unseren Realität ..?

Platz 15: Online-Rollenspiel – Der Film
Ein Jahr nach «Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt» erwarben Verbinski und Universal Pictures die Rechte an einem Artikel aus dem 'Wall Street Journal' über einen 53-jährigen, kettenrauchenden Diabetiker, der 20 Stunden täglich am Rechner verbringt, um in einem Online-Rollenspiel einen muskelbepackten Unternehmer zu spielen.

Auch wenn ich sicher bin, dass Verbinski keinen technophoben, mahnenden, moralinsauren Film gedreht hätte, sondern nach einem Drehbuch von Steven Knight («No Turning Back») eher wieder sowas wie «The Weather Man» gemacht hätte, klingt das Projekt eher nicht so sexy. Eine Welt mit mehr Verbinski-Filmen ist eine bessere Welt, aber wenn ich nur ein paar der versäumten Verbinski-Filme Realität werden lassen kann, so wäre dieser hier weiter unten in der Prioritätenliste.

Platz 14: «Gambit»
Gore Verbinski gab im Rahmen der «A Cure for Wellness»-Pressetour zu Protokoll, nicht daran interessiert zu sein, je einen Superheldenfilm zu inszenieren. Das Thema läge einfach nicht auf seiner erzählerischen Wellenlänge. Umso größer war das Staunen, als er vorübergehend im Gespräch war, den «X-Men»-Ableger «Gambit» mit Channing Tatum in der Hauptrolle zu drehen. Das Projekt fiel letztlich flach, aber es wäre schon interessant, zu schauen, was Verbinski mit einer Filmgattung anstellt, die ihm weniger liegt. Andererseits: Vielleicht ist es ja besser, dass Verbinski «Gambit» nicht gedreht hat. Womöglich wäre es ja ein "Naja, nach dem wirtschaftlichen Rückschlag von «A Cure for Wellness» muss es ja irgendwie weiter gehen"-Rückschlag geworden? Obwohl … Unmöglich!

Platz 13: Ein futuristisches «Das Dschungelbuch»
Das klingt so absurd, man müsste es sehen können, um es sich vorzustellen: Nach einem Drehbuch von Matt Sazama und Burk Sharples, das unter anderem Disney unbedingt erwerben wollte, bevor Verbinski und Chernin Entertainment es der Maus unter der Nase weggeschnappt haben, erzählt dieses Prohekt «Das Dschungelbuch» neu. Aber in der Zukunft! 2011 kurz bei 'Deadline Hollywood' erwähnt, war nie wieder die Rede von diesem Projekt …

Platz 12: «The Host»-Remake
Verbinski hat mit «Ring» bewiesen, großartige Remakes abliefern zu können. Und «The Host» hat eh schon verbinskieske Versatzstücke. Da könnte er vieles rausholen. Andererseits wäre der Überraschungsfaktor hierbei natürlich was kleiner als meistens bei ihm.

Platz 11: Ein neuer «Cluedo»-Film
Zu Beginn des zurückliegenden Jahrzehnts wollte Universal den Brettspielklassiker, der bereits als «Alle Mörder sind schon da» zu einem morbiden Komödienklassiker wurde, mit Gore Verbinski neu adaptieren. Ich stelle mir einen höchst albernen, zugleich herrlich-fiesen Film vor. Später wanderte die «Cluedo»-Lizenz zu 20th Century Fox/Studios, wo man den Stoff mit Ryan Reynolds in der Hauptrolle neu auflegen will. Die «Deadpool»-Autoren Rhett Reese und Paul Wernick sind im Gespräch für das Skript (naja), James Bobin («Muppets Most Wanted», yay!) für die Regie. Das könnte sehr albern und meta werden.

Platz 10: «Das Doppelleben des Walter Mitty»
Vorübergehend sollte Gore Verbinski den 1947 entstandenen Geheimtipp «Das Doppelleben des Walter Mitty» neu adaptieren. Der Film über ein Muttersöhnchen von einem Schauerromanlektoren, der in seinen Träumen tollkühne Abenteuer erlebt, die sein Vorgesetzter als Vorlage für neue Romane, wurde schlussendlich an Ben Stiller übergeben, der daraus den Tagtraum-Road-Trip-Film «Das erstaunliche Leben des Walter Mitty» formte. Vielleicht ist Stillers Version näher daran, was mit Steve Conrad als Drehbuchautoren zu erwarten war – die 100-prozentige Verbinski-Version würde ich schon gern sehen …

Platz 9: «Black Hole»
Klingt nach Sci-Fi-Film, ist aber ein Rachedrama, basierend auf einem gefeierten, unproduzierten Drehbuch von Michael Gilio (wirkte am Jessica-Chastain-Vehikel «Jolene» mit). Anfang 2009 wurde Verbinski mit dem Projekt betreut, in dem ein Farmer auf einen Rachefeldzug gegen die Telefonbetrüger vorgeht, die ihm Haus und Hof kosteten.

Platz 8: «Light House: A Trifle»
Der 2000 veröffentlichte, satirische Roman «Light House: A Trifle» zeigt Karikaturen (die Frauen sind allesamt Sexobjekte, die Männer allesamt tumbe Jammerlappen), die letztlich auf genüssliche Weise aufeinander losgehen. Und nebenher werden nicht nur Genderstereotypen, sondern auch weitere gesellschaftliche Unsinnigkeiten von Autor William Monahan auseinandergenommen. Eine satirische, karikaturesk-aufgesetzte Streitkomödie mit dreckigen Zwischentönen – das hätte ich liebend gern von Verbinski gesehen.

Platz 7: «Butterfly»
Unmittelbar nach «Fluch der Karibik» wollte Gore Verbinski wieder zurück ins dunklere Fach, wo er kurz vor dem Disney-Piratenspektakel «Ring» ablieferte, und mit «Butterfly» einen Psychothriller über einen Mann drehen, der versucht, seine Frau wahnsinnig zu machen. Düster und spannend kann er, der Gore, und wer weiß, vielleicht hätte Verbinski mit der bestmöglichen Version dieses Stoffs (die ich ihm hier natürlich in die Hände träume, in diesem spekulativen Artikel) dringend nötige, gesellschaftliche Debatten, die erst kürzlich wieder massentauglich wurden, viel früher angeleiert?

Platz 6: Der Autofilm wo keiner am Steuer rumfuchteln tut
2015 kündigte Gore Verbinski eine epochale Slapstickkomödie an, für die er "die witzigsten Comedians unserer Zeit" besetzen wollte, um sie in der Rolle von Teilnehmenden an einem gigantischen Autorennen zu besetzen. Der Clou: Das Rennen findet in selbstfahrenden Autos statt und die Aufgabe der Menschen ist bloß, nicht einzuschreiten. "Nach und nach wird das Naturell" der Figuren enthüllt – und, ja, natürlich versaubeuteln sie alles. Dieses «Eine total, total verrückte Welt» für die Tesla-Autoära klingt einfach zu genial …

Platz 5: «Pyongyang»
Basierend auf dem Comicroman «Pyongyang: A Journey in North Korea» sollte dieses Steve-Carell-Vehikel davon erzählen, wie ein Trickzeichner nach Nordkorea reist, um die Produktion seines Trickfilms zu überwachen, dessen Zeichenprozess vom Studio aus Kostengründen in den Diktatorenstaat verlegt wurde. In Nordkorea angekommen verstrickt er sich in zahllose bizarre Situationen und wird der Spionage beschuldigt.

Die Vorlage vereint Dramatik, politischen Kommentar und rabenschwarzen Humor, eine Mixtur, die der Film beibehalten sollte. Bis das Studio den Stecker gezogen hat, weil Sony wegen «The Interview» in Trubel geriet. Verdammt!

Platz 4: «Spaceless»
Geht man nach der Hollywood-Legende, verfasste Jeff Vintar vor rund einem Jahrzehnt mit «Spaceless» ein abartig-geniales Drehbuch. Cary Fukunaga («True Detective») wollte es verfilmen, dann war Verbinski im Gespräch – mal als Produzent, mal als Regisseur, mal in beiden Positionen. Der Stoff, der «Gravity» vorgekommen wäre, handelt von einem Mann, der hilflos durchs All gleitend aufwacht, nur mit einem Computer im Kontakt, dessen Aufgabe es ist, ihn in seinen letzten Minuten zu begleiten, bis ihm die Luft ausgeht. Bevor er stirbt, will unser Held herausfinden, was passiert ist und so seinen sicheren Tod besiegelt hat …

Platz 3: «Beat the Reaper»
Kurz nachdem «Gambit» von Gore Verbinski aufgegeben wurde, kam ein anderes, sehr viel versprechendes Projekt von ihm ins Gespräch: Die Romanadaption «Beat the Reaper». In der Verfilmung des hierzulande «Schneller als der Tod» betitelten Romans von Josh Bazell hätte Verbinski, mit Produzent Leonardo DiCaprio im Rücken und «The Return of the First Avenger»-Star Sebastian Stan in der Hauptrolle, die knochenbrecherische Story eines jungen Arztes, der während der Nachtschicht für einen Ex-Mafiosi gehalten wird und alsbald der Mittelpunkt einer brutalen Hetzjagd wird. In meinen Gedanken höre ich schon einen metallisch schreienden, dröhnenden Score (vielleicht von Benjamin Wallfisch?) und vor meinem geistigen Auge sehe ich brutalste Stunts. Schade, dass das Projekt unterging.

Platz 2: «Heavy Metal»
Was passiert, wenn David Fincher, James Cameron und Gore Verbinski sich zusammensetzen, um einen Animations-Episodenfilm voller Gewalt, Nacktheit, Fantasy, Sci-Fi und Metal in die Tat umzusetzen? Obwohl es uns lange versprochen wurde, werden wir es wohl nie erfahren – und dafür seien die Filmgötter verflucht!

Platz 1: «Bioshock»
Gore Verbinskis «Bioshock»-Verfilmung stand kurz davor, offiziell in Produktion zu gehen, als Verbinski und Universal aneinandergeraten sind: Das Studio bekam kalte Füße und wollte, das Verbinski die Big-Budget-Adaption des einflussreichen Videospiels auf ein PG-13 hinbiegt, also auf ein «Fluch der Karibik»-Niveau. Verbinski wollte härteren Stoff und gab nicht nach – also verließ er das Projekt. Im Paralleluniversum, wo alle Verbinski-Ideen Realität werden, wäre der Videospielfluch längst gebrochen und die Welt um einen atmosphärischen, harten, smarten Blockbuster reicher.
06.08.2020 14:02 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/120395