«The Bold and the Beautiful»: Von den Reichen, den Schönen und der populärsten Soap der Welt

In Deutschland läuft die wohl erfolgreichste Seifenoper der Welt schon lange nicht mehr, dafür noch in sehr vielen anderen Ländern – allen voran natürlich in den USA. Aber weshalb ist diese Serie eigentlich so beliebt?

Die einen lieben sie, andere bezeichnen sie als ihr „Guilty Pleasure“, manche schätzen sie als verlässliche und beruhigende Hintergrundbeschallung und wiederum andere hassen sie und werden nie verstehen können, warum sie sich nach wie vor weltweit derart großer Beliebtheit erfreuen: die Soaps. In Deutschland, wo RTL Marktführer in diesem Segment ist, seine drei Vorabendflaggschiffe («Gute Zeiten, schlechte Zeiten», «Unter uns» sowie «Alles was zählt») aber seit geraumer Zeit als „Daily Dramen“ bezeichnet, ist die Auswahl an ebendiesen mittlerweile recht überschaubar – selbst wenn man großzügig ist und die „Dailynovelas“ der ARD «Sturm der Liebe» und «Rote Rosen» mitzählt. Eine Entwicklung, die selbst vor den USA nicht Halt gemacht hat.

Die Auswahl dort ist ebenfalls längst nicht mehr so groß wie einst; allein in den letzten 12 Jahren hat sich die Anzahl an täglichen Serien dieser Couleur halbiert – nacheinander mussten sich die Treuesten der Treuen von «Guiding Light » (1952–2009), «As the World Turns» (1956–2010), «All My Children» (1970–2011) und schließlich von «One Life to Live» (1968–2012) verabschieden. Und trotzdem: Die Formate, die es noch gibt, eint allesamt, dass sie – wie auch die eben genannte Beispiele – ebenfalls bereits unglaublich lange ihre Sender prägen und nach immer noch absolute Aushängeschilder sind, obwohl sie aus Quotensicht natürlich längst nicht mehr in die Sphären von einst vorstoßen können. Außerdem erfolgte die letzte Einstellung einer solchen Daily vor acht Jahren, folglich haben sich die hämischen Mutmaßungen einiger Kritiker, dass es in einem der einstigen Soap-Opera-Länder schlechthin noch innerhalb des letzten Jahrzehnts zum Aussterben der Seifenoper kommen würde, nicht bestätigt.

Bis zum heutigen Tage geht es dank «Days of our Lives» (seit 1965), «General Hospital» (seit 1963), «The Bold and the Beautiful» (seit 1987) sowie «The Young and the Restless» (seit 1973) im Nachmittagsprogramm von NBC, ABC und CBS (2x) allerdings weiterhin äußerst dramatisch und emotional zu – Cliffhanger-Abonnement inklusive. Obwohl letztgenannte Produktion (kurz: «Y&R») in den USA schon eine gefühlte Ewigkeit auf dem Quoten-Thron verharrt und keine Anstalten macht, diesen zu verlassen, gilt deren Ableger «B&B», wie die zweite CBS-Daily auch genannt wird, als der global erfolgreichste Genrevertreter. Auch hierzulande wurde die Soap über viele Jahre ausgestrahlt: 1988 noch als «Fashion Affairs» auf Tele5 gestartet, wechselte «Reich & Schön», so der zweite deutsche Titel, bereits kurze Zeit später zu RTL, wo «R&S» zwischen 1990 und 2000 beheimatet war, bevor sich das ZDF der Reichen und Schönen annahm. Von 2002 bis immerhin 2011 wurden neue Episoden ausgestrahlt, ehe man sich auf dem Lerchenberg dazu entschied, keine weiteren Folgen mehr synchronisieren zu lassen. 2012 markierte dann den Auftakt zur vorerst endgültigen Abschiedstour, als Tele5 seinen „verlorenen Sohn“ wieder aufnahm, jedoch lediglich auf Wiederholungen setzte – bis 2016.

Eigentlich verwunderlich, denn gerade Streamingdiensten, Mediatheken oder Mischformen aus beidem wie etwa TV Now oder Joyn (+) kann ja im Prinzip nichts Besseres passieren, als ihr Portfolio um eine so etablierte Marke ergänzen zu können, die eine bestimmte Programmfarbe beispielhaft repräsentiert. Gerade auch, weil ebendiese besagten VoD-Services vor allem entweder komplett fehlt oder man ohnehin schon auf sie setzt. Und ja, Synchronfassungen kosten Geld, aber sicher nicht so viel wie die Realisierung das nächsten eigenen seriellen Projekts dieser Art, das schlussendlich nach einigen Monaten vorzeitig beendet wird. Doch was macht «The Bold and the Beautiful» eigentlich aus?

Ganz grundlegend könnte man antworten: das Drama. Und wer nun direkt schmunzelnd abwinkt und meint, davon gäbe es auch genug bei «GZSZ» oder «SdL», der irrt. Denn wenn US-Soaps eines deutlich von ihren deutschen Pendants unterscheidet, dann sind es Drehbücher voller Storylines, die voraussetzen, dass die sich täglich vor dem TV-Gerät Versammelnden nicht unbedingt viel Wert darauf legen, dass das Gezeigte sonderlich realistisch ist, sprich: Der „Guilty-Pleasure-Faktor“ ist allein deswegen bereits ziemlich hoch. Und eben darin besteht auch eigentlich der Reiz von «B&B»: Hier ist im wahrsten Sinne des Wortes (fast) alles möglich, und das wiederum ist der Hauptgrund dafür, dass Ideen verfolgt werden können, die sich wohl noch nicht einmal die selbstbewusstesten deutschen Kreativen trauen würden, zu pitchen. Und selbstredend gibt es auch gute Gründe dafür, Sendungen, die ein sehr breites Publikum ansprechen sollen, so zu konzipieren, dass sie dieser Erwartungshaltung auch gerecht werden können.

Dennoch darf man auch nicht vergessen, dass zwei der größten deutschen Sender für insgesamt knapp 20 Jahre einen Platz in ihrem Programm für überwiegend in der Welt der Mode angesiedelte Geschichten freigehalten haben. Für Geschichten, die sich praktisch von Anfang an primär um Vertreter zweier Familien gedreht haben, deren Nachnamen überhaupt nicht mehr ausgesprochen werden können, ohne in den Vereinigten Staaten Assoziationen an den nachmittäglichen Dauerbrenner zu wecken: Die Rede ist von den Forresters und den Logans. Zentraler Schauplatz der Handlung waren, sind und bleiben mutmaßlich auch noch sehr lange die Räumlichkeiten des weltweit erfolgreichen Modeunternehmens Forrester Creations, dessen Führungsmannschaft wohl so oft verändert wurde wie kaum eine andere (fiktive).

Und dies wiederum hängt in erster Linie mit Mitgliedern der eben erwähnten Familien zusammen, bei denen Hochzeit und Trennung ebenso nahe beieinanderliegen wie Versöhnung und Schwangerschaft, kurz: bei denen „Drama“ großgeschrieben wird. Am besten erklären lässt sich das an dem «Reich & Schön»-Urgestein schlechthin John McCook respektive an dem von ihm seit 1987 verkörperten Eric Forrester. Diesen lernte man an der Seite seiner Frau, der großen Matriarchin Stephanie (Susan Flannery), mit der er insgesamt viermal verheiratet war und die Kinder Angela (nie im Fernsehen zu sehen gewesen), Kristen (zunächst gespielt von: Teri Ann Lin (1987–1994); danach verkörpert von: Tracy Melchior (2001–2017))), Thorne (am längsten gespielt von: Winsor Harmon (1996–2016); zuletzt verkörpert von: Ingo Rademacher (2017–2019)), Felicia (zunächst gespielt von: Colleen Dion-Scotti (1990–2004); zuletzt verkörpert von: Lesli Kay (2005–2016)) und (vermeintlich) Ridge (am längsten gespielt von: Ronn Moss (1987–2012); seit 2013 verkörpert von: Thorsten Kaye) hat, kennen, die 2012 als Abschluss einer enorm berührenden Abschiedsgeschichte den Serientod gestorben ist.

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Eric heiratete allerdings zwischenzeitlich auch (sogar zweimal) Brooke Logan (seit 1987 (einige wenige Kurzzeitvertretungen inklusive) gespielt von: Katherine Kelly Lang), die große Liebe seines, wie sich später herausstellte, „Doch-nicht-Sohnes“ Ridge – sein eigentlicher Vater ist Massimo Marone (Joseph Mascolo), dessen anderer Sohn Dominick „Nick“ Payne/Marone (Jack Wagner) wiederum ebenfalls einer der Ehemänner von Brooke wurde. Aus dieser Verbindung gingen zwei Kinder hervor: Erick „Rick“ Forrester Jr. (zwischenzeitlich gespielt von: Kyle Lowder (2007–2011) ; am längsten verkörpert von: Jacob Young (1997–1999, 2011–2018), dessen Rivalität mit Ridge Ausgangspunkt zahlreicher Machtkämpfe war, sowie Bridget Forrester (zwischenzeitlich gespielt von: Jennifer Finnigan (2000–2004); am längsten verkörpert von: Ashley Jones (2004–2020)), der zweiten Ehefrau von Nick Marone. Um zu beweisen, dass man alles noch eine Spur komplizierter machen kann, trat Eric auch mit Brookes zweitältester Schwester Donna (zunächst gespielt von: Carrie Mitchum (1987–2001); seit 2006 verkörpert von: Jennifer Gareis) vor den Traualtar.

Darüber hinaus war er nach Stephanies Tod ebenfalls mit Dr. Taylor Hamilton Hayes (seit 1990 – inklusive diverser Auszeiten (einmal hielt man sie im Übrigen für tot) – gespielt von: Hunter Tylo) liiert, der zweifachen Ex-Frau von Ridge und ehemaligen Partnerin seiner tatsächlichen Söhne Thorne und Rick. Außerdem gab er einst der Meisterintrigantin das Jawort, die in beiden CBS-Soaps längst Kultstatus genießt: Sheila Carter (seit 1990 – inklusive einiger Pausen (sie wurde ebenfalls zwischenzeitlich für tot gehalten) und mehrerer Wechsel von «Y&R» zu «B&B» und umgekehrt – bis 2018 (mit einer klassischen Comeback-Hintertür) gespielt von: Kimberlin Brown). Und dies sollte nicht das einzige TV-Biest sein, mit dem er sich einließ: Auch aus Quinn Fuller (seit 2013 verkörpert von: Rena Sofer), die sich zeitweise sogar mit Carter anlegte, eine Affäre mit Ridge hatte und Brooke nicht ausstehen kann, machte er 2016 eine Forrester – die vorerst letzte.

Wer nur diese (bei Weitem nicht vollständige) Vita des «R&S»-Veteranen kennt, weiß, wie diese Daily funktioniert, welche Schwerpunkte gesetzt werden und ob einem diese Art Storytelling zusagt: Die wesentlichen Zutaten sind Liebe, Intrigen um Humor, die je nach Erzählstrang unterschiedlich stark betont werden – so weit, so international üblich. Bei der konkreten Ausgestaltung der Geschichten rund um das Ver- und Entlieben oder das Durchsetzen der eigenen Interessen haben die zuständigen Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren jedoch, wie bereits angedeutet, eine Menge Freiheiten. Natürlich erkennt das geschulte (wie auch das ungeschulte) Auge wiederkehrende Muster und klassische Seifenopermotive, trotzdem hat man wesentlich mehr Möglichkeiten, ebendiese unterschiedlich zu „verpacken“; und dies bedeutet im Endeffekt, das Gezeigte fühlt sich seltener, als man meinen könnte, nach „schon einmal da gewesen“ an – für eine Produktion, die seit mehr als 30 Jahren existiert, ist das keinesfalls selbstverständlich. Voraussetzung dafür ist aber selbstredend, dass das Publikum mitzieht, wobei hier sicherlich auch hilft, dass es bis zu drei Jahrzehnte lang Zeit hatte, sich daran zu gewöhnen.

All die Schicksalsschläge und Momente des Glücks müssen allerdings eben auch von jemandem erlebt werden, und da kommt das nächste Plus ins Spiel: ein Hauptcast, der gleichermaßen für Kontinuität und stetige Erneuerung steht. Am besten sieht man das im Grunde an all den wiederkehrenden Rollen. Bei diesem Format muss wirklich jederzeit damit gerechnet werden, dass eine beliebte Figur zurückkommt – mit einem bekannten oder einem neuen Gesicht. Und auch das ist ungewöhnlich: Bei «The Bold and the Beautiful», das einst von dem berühmten Ehepaar Bell (wie auch «Y&R») erfunden wurde und für das jetzt dessen Sohn Bradley Phillip Bell verantwortlich zeichnet, gehört das Recasten beinahe zum guten Ton. Und das kann auch bedeuten, dass der Nachfolger irgendwann wieder durch einen der Vorgänger (wie geschehen bei beispielsweise Rick Forrester) ersetzt wird. Dies beweist jedoch auch, wie sehr man an das familiäre Gerüst glaubt, das, wie beschrieben, seit Tag 1 vorhanden ist. Neben den obligatorischen Forresters und Logans ist auch längst wieder der Name Spencer (#spencerpublications) ein fester Bestandteil der Soap Opera, und als 2017 sogar drei Spectras (#spectrafashion) wieder in Los Angeles aufschlugen, dürften viele Fanherzen umgehend höhergeschlagen haben. Auffällig ist jedoch ebenfalls, dass Vertreter der jüngeren Generation immer mehr das Bildschirmgeschehen bestimmen dürfen. Deren diesen legendären „Dynastien“ entstammende Eltern und/oder Großeltern mischen zwar teilweise noch munter mit, doch den Weg, den man spätestens 2010 mit der „Brooke-Taylor-Rivalität 2.0" begonnen hatte, zu beschreiten, hat man bis heute nicht mehr verlassen.



Aber angefangen hatte alles damit, dass sich Hope Logan (am längsten gespielt von: Kimberly „Kim" Matula (2010–2016); seit 2018 verkörpert von: Annika Noelle) und Stephanie „Steffy" Forrester (seit 2008 gespielt von: Jacqueline MacInnes Wood; davor von diversen Kinderdarstellerinnen verkörpert) dreimal hintereinander für denselben Mann interessierten, wobei Letztere in beiden Fällen nicht unbedingt fair spielte und sehr berechnend vorging, allerdings dennoch auch echte Gefühle für die Auserwählten entwickelte. Vor allem für William III „Liam“ Spencer (seit 2010 gespielt von: Scott Clifton), den sie insgesamt dreimal heiratete und der jedoch – auch übrigens dreimal – mit Hope verheiratet war, bevor diese zuletzt Steffys Bruder Thomas (seit 2019 verkörpert von Matthew Atkinson; davor von vier weiteren Schauspielern und einigen Kinderdarstellern) ehelichte. Dieses ständige Hin und Her ist aber keine reine Kopie von Situationen aus der Vergangenheit ihrer Mütter, sondern zeigt vielmehr sehr deutlich, dass Kinder – die man im Sinne der Dramaturgie im Übrigen auch (stark) altern ließ – nicht unbedingt nach ihren Eltern kommen müssen. Während nämlich Steffy oftmals als Manipulatorin auftritt, die gezielt ihre weiblichen Reize einsetzt – und damit an Brooke erinnert –, wirkt Hope mit ihrem fast naiven Glauben an die große Liebe sehr unschuldig und anständig – quasi so, wie man einst Taylor kennen- und schätzen gelernt hatte.

Ein gutes Beispiel, um zu erklären, wie die inhaltlich Verantwortlichen bei der Umsetzung ihrer Ideen vorgehen: Schließlich zollt man auf diese Weise der Tradition Tribut und verliert dabei gleichzeitig nie die Zukunft aus den Augen. Wobei die Autorinnen und Autoren ebenfalls davon profitieren, dass «B&B» weniger auf Schwarz und Weiß als auf Grautöne setzt. Will heißen: Zu irgendeinem Zeitpunkt trifft jeder Charakter Minimum eine diskutable Entscheidung, bei der es in der Regel nicht bleibt. Natürlich macht es einem Unterschied, ob jemand eine Lüge deckt, selbst aktiv lügt, fremdgeht oder auf jemanden schießt, allerdings gibt es eben nahezu keinen Fanliebling mit komplett weißer Weste. Und das sorgt dafür, dass die Zuschauerschaft von Fall zu Fall für sich klären muss, auf wessen Seite sie sich schlägt, was zwangsläufig zur Bildung von Lagern führt, weil selbst bei dem Versuch, objektiv zu urteilen, Abwägeprozesse aufgrund der Fülle an zu berücksichtigenden Faktoren schlicht zu unterschiedlichen Ergebnissen führen müssen. Und so ist es dann auch möglich, Antagonistinnen und Antagonisten leichter mit ihren Machenschaften bis zu einem gewissen Grade durchkommen zu lassen, ohne sie „opfern“ und etwa direkt inhaftieren lassen zu müssen – siehe Quinn oder Sheila. Ein weiteres großes Plus für diejenigen, auf die sämtliche Plots zurückgehen, denn solche Figuren sind bekanntlich Garanten für denkwürdige Cliffhanger.

Ob man Gefallen an «The Bold and the Beautiful» (oder vom Grundprinzip ähnlich funktionierenden US-Daytime-Dramen) finden kann, hängt also maßgeblich davon ab, ob man dazu in der Lage ist, nicht zu sehr (beziehungsweise gelegentlich besser auch gar nicht) auf realistische Handlungsverläufe zu pochen, davon, ob man darüber hinwegsehen kann, dass Dialoge hin und wieder etwas redundant geraten und mit Sicherheit auch davon, ob man sich an den verhältnismäßig „einfach“ gestalteten Sets, die nicht im Ansatz mit beispielsweise denen von «GZSZ» mithalten können, stört oder nicht. Umgekehrt könnte man sagen, dass diese tägliche Serie etwas für all jene ist, die sich für Kurioses begeistern können und große Freude daran haben, sich immer wieder zu fragen: „Was kann da eigentlich noch kommen?“
30.04.2020 09:00 Uhr  •  Florian Kaiser Kurz-URL: qmde.de/117891