In Deutschland läuft die wohl erfolgreichste Seifenoper der Welt schon lange nicht mehr, dafür noch in sehr vielen anderen Ländern – allen voran natürlich in den USA. Aber weshalb ist diese Serie eigentlich so beliebt?
Bis zum heutigen Tage geht es dank «Days of our Lives» (seit 1965), «General Hospital» (seit 1963), «The Bold and the Beautiful» (seit 1987) sowie «The Young and the Restless» (seit 1973) im Nachmittagsprogramm von NBC, ABC und CBS (2x) allerdings weiterhin äußerst dramatisch und emotional zu – Cliffhanger-Abonnement inklusive. Obwohl letztgenannte Produktion (kurz: «Y&R») in den USA schon eine gefühlte Ewigkeit auf dem Quoten-Thron verharrt und keine Anstalten macht, diesen zu verlassen, gilt deren Ableger «B&B», wie die zweite CBS-Daily auch genannt wird, als der global erfolgreichste Genrevertreter. Auch hierzulande wurde die Soap über viele Jahre ausgestrahlt: 1988 noch als «Fashion Affairs» auf Tele5 gestartet, wechselte «Reich & Schön», so der zweite deutsche Titel, bereits kurze Zeit später zu RTL, wo «R&S» zwischen 1990 und 2000 beheimatet war, bevor sich das ZDF der Reichen und Schönen annahm. Von 2002 bis immerhin 2011 wurden neue Episoden ausgestrahlt, ehe man sich auf dem Lerchenberg dazu entschied, keine weiteren Folgen mehr synchronisieren zu lassen. 2012 markierte dann den Auftakt zur vorerst endgültigen Abschiedstour, als Tele5 seinen „verlorenen Sohn“ wieder aufnahm, jedoch lediglich auf Wiederholungen setzte – bis 2016.
Ganz grundlegend könnte man antworten: das Drama. Und wer nun direkt schmunzelnd abwinkt und meint, davon gäbe es auch genug bei «GZSZ» oder «SdL», der irrt. Denn wenn US-Soaps eines deutlich von ihren deutschen Pendants unterscheidet, dann sind es Drehbücher voller Storylines, die voraussetzen, dass die sich täglich vor dem TV-Gerät Versammelnden nicht unbedingt viel Wert darauf legen, dass das Gezeigte sonderlich realistisch ist, sprich: Der „Guilty-Pleasure-Faktor“ ist allein deswegen bereits ziemlich hoch. Und eben darin besteht auch eigentlich der Reiz von «B&B»: Hier ist im wahrsten Sinne des Wortes (fast) alles möglich, und das wiederum ist der Hauptgrund dafür, dass Ideen verfolgt werden können, die sich wohl noch nicht einmal die selbstbewusstesten deutschen Kreativen trauen würden, zu pitchen. Und selbstredend gibt es auch gute Gründe dafür, Sendungen, die ein sehr breites Publikum ansprechen sollen, so zu konzipieren, dass sie dieser Erwartungshaltung auch gerecht werden können.
Und dies wiederum hängt in erster Linie mit Mitgliedern der eben erwähnten Familien zusammen, bei denen Hochzeit und Trennung ebenso nahe beieinanderliegen wie Versöhnung und Schwangerschaft, kurz: bei denen „Drama“ großgeschrieben wird. Am besten erklären lässt sich das an dem «Reich & Schön»-Urgestein schlechthin John McCook respektive an dem von ihm seit 1987 verkörperten Eric Forrester. Diesen lernte man an der Seite seiner Frau, der großen Matriarchin Stephanie (Susan Flannery), mit der er insgesamt viermal verheiratet war und die Kinder Angela (nie im Fernsehen zu sehen gewesen), Kristen (zunächst gespielt von: Teri Ann Lin (1987–1994); danach verkörpert von: Tracy Melchior (2001–2017))), Thorne (am längsten gespielt von: Winsor Harmon (1996–2016); zuletzt verkörpert von: Ingo Rademacher (2017–2019)), Felicia (zunächst gespielt von: Colleen Dion-Scotti (1990–2004); zuletzt verkörpert von: Lesli Kay (2005–2016)) und (vermeintlich) Ridge (am längsten gespielt von: Ronn Moss (1987–2012); seit 2013 verkörpert von: Thorsten Kaye) hat, kennen, die 2012 als Abschluss einer enorm berührenden Abschiedsgeschichte den Serientod gestorben ist.
Eric heiratete allerdings zwischenzeitlich auch (sogar zweimal) Brooke Logan (seit 1987 (einige wenige Kurzzeitvertretungen inklusive) gespielt von: Katherine Kelly Lang), die große Liebe seines, wie sich später herausstellte, „Doch-nicht-Sohnes“ Ridge – sein eigentlicher Vater ist Massimo Marone (Joseph Mascolo), dessen anderer Sohn Dominick „Nick“ Payne/Marone (Jack Wagner) wiederum ebenfalls einer der Ehemänner von Brooke wurde. Aus dieser Verbindung gingen zwei Kinder hervor: Erick „Rick“ Forrester Jr. (zwischenzeitlich gespielt von: Kyle Lowder (2007–2011) ; am längsten verkörpert von: Jacob Young (1997–1999, 2011–2018), dessen Rivalität mit Ridge Ausgangspunkt zahlreicher Machtkämpfe war, sowie Bridget Forrester (zwischenzeitlich gespielt von: Jennifer Finnigan (2000–2004); am längsten verkörpert von: Ashley Jones (2004–2020)), der zweiten Ehefrau von Nick Marone. Um zu beweisen, dass man alles noch eine Spur komplizierter machen kann, trat Eric auch mit Brookes zweitältester Schwester Donna (zunächst gespielt von: Carrie Mitchum (1987–2001); seit 2006 verkörpert von: Jennifer Gareis) vor den Traualtar.
Wer nur diese (bei Weitem nicht vollständige) Vita des «R&S»-Veteranen kennt, weiß, wie diese Daily funktioniert, welche Schwerpunkte gesetzt werden und ob einem diese Art Storytelling zusagt: Die wesentlichen Zutaten sind Liebe, Intrigen um Humor, die je nach Erzählstrang unterschiedlich stark betont werden – so weit, so international üblich. Bei der konkreten Ausgestaltung der Geschichten rund um das Ver- und Entlieben oder das Durchsetzen der eigenen Interessen haben die zuständigen Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren jedoch, wie bereits angedeutet, eine Menge Freiheiten. Natürlich erkennt das geschulte (wie auch das ungeschulte) Auge wiederkehrende Muster und klassische Seifenopermotive, trotzdem hat man wesentlich mehr Möglichkeiten, ebendiese unterschiedlich zu „verpacken“; und dies bedeutet im Endeffekt, das Gezeigte fühlt sich seltener, als man meinen könnte, nach „schon einmal da gewesen“ an – für eine Produktion, die seit mehr als 30 Jahren existiert, ist das keinesfalls selbstverständlich. Voraussetzung dafür ist aber selbstredend, dass das Publikum mitzieht, wobei hier sicherlich auch hilft, dass es bis zu drei Jahrzehnte lang Zeit hatte, sich daran zu gewöhnen.
Bill sieht die Ablehnung seines Heiratsantrags durch Steffy als persönliche Herausforderung an.
Aber angefangen hatte alles damit, dass sich Hope Logan (am längsten gespielt von: Kimberly „Kim" Matula (2010–2016); seit 2018 verkörpert von: Annika Noelle) und Stephanie „Steffy" Forrester (seit 2008 gespielt von: Jacqueline MacInnes Wood; davor von diversen Kinderdarstellerinnen verkörpert) dreimal hintereinander für denselben Mann interessierten, wobei Letztere in beiden Fällen nicht unbedingt fair spielte und sehr berechnend vorging, allerdings dennoch auch echte Gefühle für die Auserwählten entwickelte. Vor allem für William III „Liam“ Spencer (seit 2010 gespielt von: Scott Clifton), den sie insgesamt dreimal heiratete und der jedoch – auch übrigens dreimal – mit Hope verheiratet war, bevor diese zuletzt Steffys Bruder Thomas (seit 2019 verkörpert von Matthew Atkinson; davor von vier weiteren Schauspielern und einigen Kinderdarstellern) ehelichte. Dieses ständige Hin und Her ist aber keine reine Kopie von Situationen aus der Vergangenheit ihrer Mütter, sondern zeigt vielmehr sehr deutlich, dass Kinder – die man im Sinne der Dramaturgie im Übrigen auch (stark) altern ließ – nicht unbedingt nach ihren Eltern kommen müssen. Während nämlich Steffy oftmals als Manipulatorin auftritt, die gezielt ihre weiblichen Reize einsetzt – und damit an Brooke erinnert –, wirkt Hope mit ihrem fast naiven Glauben an die große Liebe sehr unschuldig und anständig – quasi so, wie man einst Taylor kennen- und schätzen gelernt hatte.
Ob man Gefallen an «The Bold and the Beautiful» (oder vom Grundprinzip ähnlich funktionierenden US-Daytime-Dramen) finden kann, hängt also maßgeblich davon ab, ob man dazu in der Lage ist, nicht zu sehr (beziehungsweise gelegentlich besser auch gar nicht) auf realistische Handlungsverläufe zu pochen, davon, ob man darüber hinwegsehen kann, dass Dialoge hin und wieder etwas redundant geraten und mit Sicherheit auch davon, ob man sich an den verhältnismäßig „einfach“ gestalteten Sets, die nicht im Ansatz mit beispielsweise denen von «GZSZ» mithalten können, stört oder nicht. Umgekehrt könnte man sagen, dass diese tägliche Serie etwas für all jene ist, die sich für Kurioses begeistern können und große Freude daran haben, sich immer wieder zu fragen: „Was kann da eigentlich noch kommen?“