Popcorn und Rollenwechsel: Mit dem Logo geht’s direkt in die Welt des Films

Unser Kolumnist erklärt, wie Studiologos durch kreativen Einsatz den Einstieg in einen Film stimmungsvoller gestalten können.

Manche wissen es sicher: Die Parade an Studiologos, die in dieser Kinoära die meisten Filme eröffnet, haben wir Jerry Bruckheimer zu verdanken. Und so wurde eine kreative Plattform geschaffen, die quasi die Position langer Vorspannsequenzen aus früheren Kinoepochen einnimmt: Die große Präsenz von Studiologos gestattet es Filmschaffenden, die ersten Augenblicke eines Kinofilms für das Schaffen von Atmosphäre zu nutzen. Gewiss: Längst nicht jeder Film nutzt diese Möglichkeit, aber allein schon das Unterlegen der Studiologos mit gezielt ausgewählter Musik, erlaubt es, vor Einsetzen der Handlung bereits die Stimmung für die nachfolgenden Kinostunden zu etablieren.

Man kann, wie etwa die jüngeren «Mission: Impossible»-Teile, «Gone Girl» oder diverse andere Filme, eine kleine Ouvertüre mit neu geschriebener Instrumentalmusik während der Studiologos laufen lassen. Oder aber man wandelt die etablierte Standardmelodie des Studiologos passend zum Film ab. David Finchers «Alien 3» etwa beginnt mit der weltbekannten 20th-Century-Fox-Fanfare, deren letzte Note aber ungewöhnlich lang gehalten und verzerrt wird, ehe sie abrupt endet – womit sofort eine angespannte Stimmung entsteht. Das Queen-Biopic «Bohemian Rhapsody» dagegen wandelt die Fanfare rockig ab.

In Verbindung mit einer Abwandlung des typischen Studiologos vergrößert sich dieser Effekt: «Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten» und «Pirates of the Caribbean – Salazars Rache» etwa verdunkeln das übliche Disney-Logo, tauschen die Flagge mit Walt Disneys Familienwappen gegen eine Totenkopfflagge aus und setzen zudem auf eine eigene, neue Hintergrundmusik. Musicals wie «Greatest Showman» und «Moulin Rouge» spielen wiederum mit dem Fox-Logo, um direkt die Logik aufzuzeigen, nach der sie operieren:

«Greatest Showman» zeigt ein Retro-Fox-Logo, gefolgt vom modernen Fox-Logo, unterlegt mit den ersten, poppigen Klängen seines Titelsongs, und macht somit direkt klar, dass wir eine fesche, rasante Variante eines alten Musical-Typus sehen. Baz Luhrmanns «Moulin Rouge» zeigt, wie ein hektischer Dirigent ein Orchester anheizt, die Fanfare zu spielen, womit die artifizielle, überdrehte Stilistik des Films deutlich wird.

Eine ähnliche Logik verfolgt Doug Liman in seiner Thriller-Dramödie «Barry Seal - Only in America»: Der Film beginnt mit dem modernen Universal-Pictures-Logo, das jedoch plötzlich durch eine Retro-Variante ersetzt wird, während Walter Murphys Disco-Adaption von Beethovens Fünfter läuft. 80er-Jahre-Nachrichten-Archivmaterial läuft, das von weiteren Studiologos unterbrochen wird, die zwischen modernem Look und Retroästhetik wechseln. Wir werden also prompt in die Ära des Films versetzt und bekommen zugleich den postmodernen, selbstreferentiellen Tonfall dieser süffisanten Auseinandersetzung mit dem "Amerikanischen Traum" vorgeführt.



Noch weiter treibt es «Spider-Man: A New Universe»: Der Sony-Animationsfilm erklärt non-verbal in der ersten Filmminute sein Multiversum-Konzept und etabliert seine Comic-Stile vermischende Ästhetik, indem manisch Klang- und Bildwelten durcheinander gewirbelt werden.



Ein Studio, das im Umgang mit seinem Logo derzeit konservativer ist, ist derweil Warner Bros.: Zumeist sieht man nur farbästhetische Anpassungen des Warner-Schildes, etwa in Christopher Nolans «The Dark Knight»-Trilogie. Ein faszinierendes Beispiel, wo sich Warner entgegen der Gewohnheit dann doch eine größere, aufwändigere Variante seines Logos erlaubt, ist derweil die «Harry Potter»-Saga, in der das Logo kontinuierlich dunkler und rostiger wird.



Retro-Varianten sind bei Warner Bros. derweil eine Rarität, was uns zu einer kuriosen Anekdote in der Welt der Logos führt: Regisseur Steven Soderbergh wollte sein Stripper-Drama «Magic Mike» mit dem 70er-Warner-Logo eröffnen, das einst von Designlegende Saul Bass erdacht wurde. Damit wollte Soderbergh bereits die «Ocean's»-Filme eröffnen, die als Rückgriffe auf Heist-Movies der Saul-Bass-Ära wie dafür gemacht waren. Doch in den höheren Warner-Rängen war man vehement dagegen. Bei «Magic Mike» suchte Soderbergh dann aber ein Gespräch mit dem Studiopräsidenten, um ihn umzustimmen – erfolgreich. Von diesem Präzedenzfall profitierten darauf Ben Afflecks Thriller «Argo» und die Buddy-Cop-Komödie «The Nice Guys», die ebenfalls mit dem Saul-Bass-Warner-Logo beginnen.


24.06.2019 14:08 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/110227