Deshalb ist es so schwer, eingestellte Netflix-Serien zu retten

Ein Medienreport erläutert, weshalb Netflix-Serien nach ihrer Einstellung nicht prompt eine neue Heimat erhalten und weswegen es «One Day at a Time» vergleichsweise gut getroffen hat.

So schnell kann sich das Blatt wenden: Es ist nicht lange her, als Serienfans nach der Einstellung eines Formats darauf zählten, dass Netflix zur Rettung eilt. Der Video-on-Demand-Dienst belebte unter anderem die vor Running Gags fast platzende Comedyserie «Arrested Development» wieder, holte sich die britische Sci-Fi-Anthologieserie «Black Mirror» und gab «The Killing» eine finale Staffel. Mittlerweile ist aber der Streamingservice, der sich lange als Serienanbieter darstellte, der keine Notwendigkeit kennt, Serien vorzeitig abzusetzen, absetzungswütig geworden – und Fans von Netflix-Serien rühren online die Werbetrommel für ihre abgesetzten Lieblinge, hoffend, dass ein anderer VOD-Dienst oder ein TV-Sender sie wiederbelebt.

Dass diesen Aktionen zum Trotz nun nicht die Fortführungen von ehemaligen Netflix-Serien aus dem Boden schießen wie Pilze, hat laut 'Deadline Hollywood' einen vertraglichen Grund: Wie der Branchendienst berichtet, gibt es einen Standardvertrag zwischen Netflix und Produktionsstudios, die für den VOD-Anbieter Serien produzieren. Demnach dürfen Netflix-Serien, nachdem sie abgesetzt wurden, für die Dauer von zwei bis drei Jahren bei keinerlei Konkurrenz fortgeführt werden. Damit hebt sich Netflix vom klassischen TV-Modell ab, wo Senderwechsel zwar nicht alltäglich waren, jedoch üblicherweise nicht verhindert wurden – so wechselte «Scrubs» für zwei weitere Staffeln nahtlos von NBC zu ABC und «Brooklyn Nine-Nine» wurde nach seiner FOX-Absetzung innerhalb weniger Stunden von NBC gerettet.

Diese besondere Klausel in Netflix-Verträgen ist der Grund, weshalb beispielsweise die beliebten Marvel-Serien von Netflix nicht prompt bei Disneys Network ABC oder auf dem von Disney mitgetragenen US-Streamingdienst Hulu fortgeführt wurden oder weshalb das von den CBS TV Studios sowie Funny or Die verwirklichte, hoch gelobte Mockumentary-Format «American Vandal» weder bei CBS All Access noch auf der Funny-or-Die-Webseite ohne nennenswerte Wartezeit zurückgekehrt ist.

Laut Quellen, auf die sich 'Deadline Hollywood' beruft, können diese Sperrphasen in den Verträgen zwischen Netflix und seinen Produktionspartnern in Einzelfällen sogar fünf Jahre umfassen. Darüber hinaus ist es Standard, dass Netflix in seinen Verträgen festhält, dass die als Netflix-Exklusivinhalte produzierten Folgen seiner Formate auch in jedem Fall auf dem Dienst bleiben – wenn beispielsweise Hulu nach der Sperrphase «Daredevil» fortsetzen sollte, würden die alten Staffeln weiter bei Netflix verharren. Nachverhandlungen sind selbstredend immer theoretisch denkbar.

Praktisch gesehen darf man sich jedoch darauf einstellen, dass die 'Ablösesummen' für alte Staffeln in Zeiten des mit immer härteren Bandagen ausgetragenen Streamingkrieges astronomisch ausfallen dürften. Was eine Fortführung früherer Netflix-Serien noch unwahrscheinlicher macht: Wieso sollten Disney, CBS oder Warner, wenn sie einen eigenen VOD-Dienst haben, eine Serie produzieren, deren Anfangsjahre noch bei der Konkurrenz liegen? Oder weshalb sollten sie riesige Summen zahlen, um alte Staffeln einer Serie freizukaufen, die nun ein paar Jahre gezwungenermaßen brachlag und daher an Hype verloren hat?

Fans der kürzlich abgesägten Netflix-Sitcom «One Day at a Time» dürfen allerdings aufatmen: Sony Pictures Television hat laut 'Deadline Hollywood' einen weniger restriktiven Vertrag mit Netflix ausgehandelt. Zwar soll auch er umfassen, dass es ein paar Jahre dauert, bis die Serie auf einem anderen Streamingdienst laufen oder für ihn weiterproduziert werden darf, allerdings sei die Sperre im Falle des klassischen, linearen Fernsehens nur wenige Monate lang. Eine vierte Staffel könnte also bald bei einem Network-Sender unterkommen, sollte sich einer für das Format erwärmen.
19.03.2019 10:32 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/108010