«Hol dir die Kohle!»: Das Mini-Ding des Tages aus der Höhle der Stubentiger

Die neue RTL-Sendung «Hol dir die Kohle! - 5.000 Euro für deine Idee» soll im Gegenprogramm von «Bares für Rares» für einen Hauch von «Die Höhle der Löwen»/«Das Ding des Jahres»-Feeling sorgen.

Bei VOX läuft «Die Höhle der Löwen» in der mittlerweile fünften Staffel – und fährt weiterhin herausragende Quoten ein. Vermutungen von TV-Junkies, dass RTL irgendwann voller Neid auf die kleine Schwester das Erfolgsformat zu sich holt, wurden von beiden Seiten mehrmals zerschlagen – aber das heißt ja nicht, dass RTL Abstand von dem Themenspektrum 'Gründershow' nehmen muss. Auftritt «Hol dir die Kohle! - 5.000 Euro für deine Idee»: Auch hier werden Produkte und Ideen aus allen möglichen Geschäftsbereichen vorgestellt, von der App und dem Bratwurstbrathilfsmittel bis hin zum Wischmoppkostüm für Krabbelkinder. Die Gründerinnen, Gründer, Erfinderinnen und Erfinder stellen sich und ihr Produkt im von Holztönen und weißen Mauersteinen geprägten Studio vor und warten auf das positive oder aber harsche Urteil über ihren Pitch. Und im Glücksfall winkt eine Finanzspritze.

Während aber in «Die Höhle der Löwe» erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer den Pitches lauschen, die in der Sendung auch mal rund 30 Minuten in Beschlag nehmen, und es um Unternehmensanteile sowie riesige Summen geht, backt «Hol dir die Kohle!» deutlich kleinere Brötchen. Statt erfahrener Investoren folgen 100 'Normalsterbliche' den Produktvorstellungen, die im Studio sitzen und nach dem auf 100 Sekunden Laufzeit begrenzten Pitch abstimmen: Gefällt ihnen das Produkt oder nicht? Ist über die Hälfte des Saalpublikums positiv gestimmt, hat die Idee Aussicht auf einen Finalplatz. Und nur die erfolgreichsten Pitches ermöglichen den Gründerinnen und Gründern den Zugang zum eigentlichen Saalpublikum – während des ursprünglichen, 100-sekündigen Pitches werden die Erfinderinnen und Erfinder nämlich noch durch eine große Wand von der 100-köpfigen Jury getrennt. Die Erfinderinnen und Erfinder können bloß dann, wenn ihre Präsentation erfolgreich war, weitere Fragen des Saalpublikums beantworten.

Das bedeutet: Die Produktpräsentation muss schnell, verständlich und überzeugend sein, sonst wird nichts aus weiteren, vielleicht nötigen Erläuterungen. Und wie schon die Auftaktfolge zeigt: Es kann nicht schaden, sich dem «Hol dir die Kohle!»-Saalpublikum anzubiedern, indem man ankündigt, Leckereien zu verteilen. Oder indem man den Leuten verspricht, das Produkt noch direkt im Studio auszutesten. Dann sitzt der Finger schon etwas lockerer auf dem Abstimmungsgerät. Und wer am Ende der einstündigen Folge mehr Stimmen für sich begeistern konnte, geht mit 5.000 Euro nach Hause. Quasi Wechselgeld in der Welt der «Höhle der Löwen».

Dadurch, dass die Produkte jeder Folge in direkte Konkurrenz miteinander treten und es nach der ersten Abstimmungsrunde noch einmal ein Finale ansteht, werden auch Erinnerungen an Stefan Raabs «Das Ding des Jahres» wach. Und noch eine Sendung muss natürlich erwähnt werden, blickt man auf «Hol dir die Kohle! - 5.000 Euro für deine Idee»: RTL hat nicht rein zufällig montags bis freitags den Sendeplatz ab 15 Uhr als Programmslot ausgesucht. Denn damit tritt «Hol dir die Kohle! - 5.000 Euro für deine Idee» in direkte Konkurrenz mit «Bares für Rares» – und selbst, wenn die immens erfolgreiche ZDF-Trödelshow ein völlig anderes Konzept hat, ist den beiden Sendungen eine klare Konkurrenz zueinander nicht abzusprechen.

Tonal hat es der RTL-Neustart deutlich auf die Gemütlichkeit und Freundlichkeit der ZDF-Antiquitätensendung abgesehen – inklusive des hellen, freundlichen Studios und der munteren Mini-Vorstellung der Kandidatinnen und Kandidaten, ehe sie ihren 100-Sekunden-Pitch starten. Moderator Florian Ambrosius («Bachelor in Paradise», «Guten Morgen Deutschland») führt durch die Sendung mit einer dem entsprechenden, harmlosen Dauerfröhlichkeit – nicht anecken, den Erfinderinnen und Erfinder keine zu schweren Fragen stellen, einfach nur freundlich die Show am laufen halten.

Während «Die Höhle der Löwen» neben den Produkten als zusätzlichen Reiz den Spannungsborgen bietet, wie sich die einzelne Pitches so entwickeln (Kann ein schlechter erster Eindruck wieder wett gemacht werden? Verzocken sich die Gründer mit ihrem Angebot?), fällt dieser Aspekt bei der neuen RTL-Sendung aufgrund der kurzen Präsentationen flach. Stattdessen ist, wie schon bei «Das Ding des Jahres», der Vergleich zwischen der eigenen Meinung und dem Saalpublikum ein gewisser Unterhaltungsfaktor: Finden die Zuschauerinnen und Zuschauer im Studio einen neuen Pulloverversandhandel oder eine Laubzange attraktiver? Wieso scheitert die Haustier-App? Und kommt ein Glas-Trinkhalm bei «Hol dir die Kohle! - 5.000 Euro für deine Idee» gut an, nachdem ein Apfel-Trinkhalm in der «Höhle der Löwen» durchfiel?

Tja, und wie sieht das Urteil für die Show an sich aus? Also: An den VOX-Erfolg kommt «Hol dir die Kohle! - 5.000 Euro für deine Idee» beim besten Willen nicht heran, dafür ist das Konzept zu seicht, bleibt zu sehr an der "Guck mal, neue Produkte"-Oberfläche verhaften, wohingegen die Faszination «Die Höhle der Löwen» über diese Neugier hinausgeht. Aber im Kontext des Nachmittagsfernsehens (speziell bei den Privaten) ist «Hol dir die Kohle! - 5.000 Euro für deine Idee» angenehm harmlos: Keine Fremdschamattacken, kein Laienschauspiel, keine Drehbücher aus der Hölle – nur Menschen, die ihre Produkte feilbieten und damit Erfolg haben oder eben keinen Erfolg. Die Produktionswerte sind solide, das Konzept verständlich und die Redaktion hat (wenigstens in der Auftaktfolge) für eine bunte, kurzweilige Mischung aus Ideen gesorgt. Das ist ja auch schon was.
15.10.2018 16:19 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/104476