Quotenmeter.de vor Ort: Der ‚falsche Elton’ im «TV total»-Studio

Dass es auch nach zehn Jahren noch Sternstunden in der Late-Night von Stefan Raab gibt, erlebte Quotenmeter.de-Redakteur Jürgen Kirsch beim Auftritt des „falschen Elton“ vor Ort.

„Was war da denn los?“, die Frage kam diesmal nicht von «Switch Reloaded»-Parodist Max Giermann in seiner Paraderolle, sondern von den Zuschauerrängen im «TV total»-Studio des Originals. Als Stefan Raab eine weitere Runde «Blamieren oder Kassieren» im Rahmen seiner Comedy-Sendung auf ProSieben einläutete, ahnte das Publikum bei der Show-Aufzeichnung noch nichts. Dann holte der TV-Entertainer Elton auf die Bühne, der die Quizrunde regelmäßig Woche für Woche leitet. Elton sah auch aus wie Elton, klang aber gar nicht wie Elton. Verdutzte Gesichter auf den Zuschauerrängen.

Hatte der «TV total»-Showpraktikant etwa einen Ostdeutsch-Kurs besucht und wollte sein neues Wissen unter Beweis stellen? Nein! Aufmerksame Beobachter im «TV total»-Studio in Köln-Mühlheim hatten es an diesem Nachmittag schnell erkannt: Im roten Anzug steckte diesmal nicht Elton, sondern dessen Double. „Den hat Elton vor acht Jahren in seiner Sendung «elton.tv» noch selbst gecastet. Heute hatte er seinen ersten Auftritt als Elton-Double“, löste Stefan Raab nach der Aufzeichnung auf. Zuvor konnte man sich ein nachhaltiges Bild vom ersten Arbeitstag des Elton-Doubles machen. Wie Raabs Showpraktikant bereits im Quotenmeter.de-Interview bekannt gab, dreht er momentan für seine neue ProSieben-Sendung «Elton reist». Er befand sich zu diesem Zweck in Paris, während sein Double Mirko mit der Moderation von «Blamieren oder Kassieren» beauftragt wurde. „Wir wollten nicht wieder erzählen, dass Elton zu Dreharbeiten unterwegs ist. Da haben wir uns an Eltons Double erinnert“, erklärte Stefan Raab, der sich bei der Fragerunde mit dem ostdeutsch sprechenden „Elton“ ein Lachen auch nicht verkneifen konnte.

Denn «Blamieren oder Kassieren» wurde so in der Tat zu einem Highlight in dieser «TV total»-Ausgabe. Nicht nur, dass manche Aussprache der vorformulierten Fragesätze schier unverständlich war, mehr noch fehlte bei dem witzig anmutenden Dialekt nicht nur bei den Kandidaten jegliche Konzentration auf das Quiz in der Show. Vor der Show hatte sich Kaj qualifiziert gehabt, im Endeffekt aber gegen Stefan Raab (wenige Tage vor «Schlag den Raab») keine Chance gehabt. Umso lustiger, dass Eltons Double immer wieder betonte, dass der Publikumskandidat doch null oder minus hundert Punkte habe. Neben der sonstigen Ablenkung verhaspelte er sich auch gerne. Die Aufregung brachte Fehler mit sich wie das umgekehrte Herunterzählen und eine unsouveräne, aber dennoch konsequente Leitung der Fragerunde, die genau deswegen schon wieder sympathisch war. Aufnahmeleiterin Nicole lachte über den „falschen Elton“ genauso wie das Publikum, aus dem auch in der späteren Ausstrahlung lautes Kichern zu vernehmen war. Ein gelungener Gag und eine Bereicherung der Late-Night-Show also. Es sind jene Moment, die «TV total» letztlich am Leben erhalten. Denn das sind im übertragenen Sinne genau diese guten Ideen, die «TV total» zur Show-Schmiede von Stefan Raab bei ProSieben hat werden lassen. Viele Show-Ideen des Entertainers entstanden aus der Sendung, die viermal täglich am späten Abend zu sehen ist.

Stefan Raab selbst war an jenem Dienstagnachmittag bestens aufgelegt. Das merkte man allein daran, dass spontane Witze und Aktionen in die Sendung mit eingebaut wurden. Ein Beispiel: Als bei «Blamieren oder Kassieren» die richtige Antwort Jimi Hendrix lautete, sprang der Moderator auf und flitzte zu seinem Schreibtisch. Den ARD-Clip, den Raab mit Unterstützung seiner "Heavytones"-Showband zu einer Werbejingle für die Droge Crack umfunktioniert hat, ließ er zur Untermalung seiner Aussage, dass Hendrix der erste Musiker gewesen sein, der mit Drogenabhängigkeit aufgefallen sei, ertönen. Die Lacher hatte Raab auf seiner Seite. Ebenso als er sich bei einer Anmoderation eines «Volksmusik-Dampfer»-Einspielers verhaspelte und sagte, die Sendung liefe im ZDF, obwohl sie im Ersten läuft. Kurzerhand erklärte Raab seine eigene Fernbedienung, bei der er sich den Luxus erlaubt habe das ZDF auf den Programmplatz eins zu legen, auf zwei schon ProSieben käme, ehe auf Programmplatz drei DMAX zu finden sei. Der Gag kommt an.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Stefan Raab seinen Mitarbeitern einen Sonderapplaus beschert.

Dass es auch nach zehn Jahren noch Sternstunden in der Late-Night von Stefan Raab gibt, erlebte Quotenmeter.de-Redakteur Jürgen Kirsch beim Auftritt des „falschen Elton“ vor Ort.

Auch die Interaktion mit der Showband, den „Heavytones“ macht Spaß. Beim Stand-Up befragt er den Musiker César "Chino" Pérez (Posaune und Gesang) nach der Bundeswehr in Venezuela und vergleicht seinen Bassisten mit Justin Bieber. Selbst das Publikum wird auf den Arm genommen. Wer von den im Studio Anwesenden denn Zivildienst gemacht habe, will Raab zu Beginn von «TV total» wissen. Einige Hände gehen auskunftswillig nach oben. „Ach hier, die Drückeberger“, witzelt Raab. Zuvor redete er noch über die Schlagzeilen, die die Gattin von Verteidigungsminister zu Guttenberg machte und die Abschaffung der Wehrpflicht. Die Witze kommen auf die typische Raab-Art: Hin und wieder auch schon mal unter der Gürtellinie. Niemals vorher auswendig gelernt, aber echt und authentisch.

Dabei ist es auch jene Echtheit in der Moderation von Stefan Raab, die mit zum Konzept von «TV total» gehört. Wer als Late-Night-Sendung, die die TV-Landschaft mit Videoausschnitten durch den Kakao zieht, ernst genommen werden will, darf sich nicht zu schade sein, auch über die eigenen Fehler zu lachen. „Es wäre etwas Neues, wenn ich mich auf eine Sendung vorbereite“, hat Raab schon öfters zu Protokoll gegeben. Gelegentlich muss er deshalb manche Informationen von seiner Aufnahmeleiterin Nicole erfragen oder korrigieren lassen, seine „Aufsager“ wiederholen oder aber er verspricht sich bloß. Ein gutes Beispiel: Damit «Blamieren oder Kassieren» vorbereitet werden kann, muss sich Raab mit seinem fahrbaren Tisch in Richtung Studioband bewegen. Für Aufnahmeleiterin Nicole tut er das aber zu langsam, weshalb sie ihn mit hektischen Bewegungen zu mehr Schnelligkeit auffordert. Raab springt darauf an und interagiert mit ihr vor laufender Kamera.

„Du willst erst aufbauen? Dann mach doch“, stichelte der Entertainer etwas ironisch, während Mitarbeiter im Hintergrund Tisch und Stühle für die spätere Fragerunde mit dem „falschen Elton“ aufbauen. „Das können wir doch ruhig mal zeigen“, fordert Raab. Die emsigen Brainpool-Mitarbeiter erhalten prompt einen Sonderapplaus. Diese Szenerie ist typisch für die Echtheit beim Format «TV total». Dass hinter den Kulissen viel gearbeitet wird und viele helfende Hände nötig sind, um eine solche Sendung viermal pro Woche zu stemmen, verhehlt man nicht, sondern stellt die Menschen hinter den Kulissen gelegentlich auch mal gerne für ein paar Sekunden ins Rampenlicht. „Bei uns geschieht nichts durch Geisterhand“, setzt Raab mit «TV total» auf ein ehrliches TV-Format, während er in seinen Stand-Ups aufzeigt, wie in anderen Sendungen Zuschauer für dumm verkauft werden.

Doch auch «TV total» ist dem Wandel der Zeit erlegen. Den „Raab der Woche“ gibt es schon viele Jahre nicht mehr und in jeder Sendung geben sich oft zwei, drei Gäste die Klinke in die Hand. So gab Lisa Feller eine Kostprobe ihres Stand-Up-Programms, das sie vor der Aufzeichnung mit einer kleinen Konversation mit dem Publikum aufwertete. Im Rahmen der Promotion-Wochen für den «Bundesvision Song Contest» in der kommenden Woche war zudem die Band „kleinstadthelden“ zu Gast, die auch live spielen durfte. Die Akustik im Studio ist brillant und für jeden Musik-Fan ein Genuss. Bei der späteren Ausstrahlung kam das nicht ähnlich rüber. Promotion ist dennoch ein gutes Stichwort, denn die meisten Gäste bei «TV total» sind tatsächlich zu Promotions-Zwecken vor Ort. Nicht ungewöhnlich im Showbiz, doch hat sich die Comedy-Sendung im Laufe der Jahre dahingehend entwickelt, dass der Anteil der Gast-Promotion höher wurde. Das Grundgerüst des Konzepts der Anfangsjahre von «TV total» ist aber erhalten geblieben.

Damals war Raabs Late-Night für viele junge Menschen ein Muss jede Woche. Heute ist das Zuschauerinteresse geringer geworden, denn mit der erhöhten Taktung auf viermal wöchentlich war die Sendung ein stückweit auch gewöhnlich geworden. Dass «TV total» trotzdem noch viel Neues hervorbringt, dafür ist die besuchte Aufzeichnung in Köln-Mühlheim ein Paradebeispiel gewesen. Und tatsächlich wurde durch den Sieg von Lena Meyer-Landrut beim Eurovision Song Contest auch rund um «TV total» wieder ein Hype entfacht, der der Show gut tut. Ein eingespieltes Team mit nach wie vor guten Ideen steht hinter dem Format «TV total», das seit über zehn Jahren seinen festen Platz bei ProSieben gefunden hat. Nicht zu Unrecht, denn in der Tat ist die Late-Night, die Ideenschmiede von Stefan Raab, der hier gelegentlich weiter experimentiert. Auch wenn nicht jeder Gast ein Highlight ist oder mittlerweile nicht jede Sendung abräumt: Die Sternstunden im «TV total»-Studio, es gibt sie immer noch zu erleben.
28.09.2010 08:00 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/44828