«For the People»: Im Namen von Shondaland

Die neue ABC-Serie aus dem Umfeld von Shonda Rhimes ist meilenweit von ihren Kritiker- und Quoten-Hits «Scandal» und «How to get away with Murder» entfernt.

Cast & Crew

Produktion: Shondaland, Davies Heavy Industries und ABC Studios
Schöpfer: Paul William Davies
Darsteller: Hope Davis, Ben Shenkman, Jasmin Savoy Brown, Ben Rappaport, Susannah Flood, Wesam Keesh, Regé-Jean Page u.v.m.
Executive Producer: Shonda Rhimes, Paul William Davies, Betsy Beers, Donald Todd und Tom Verica
Ich erspare Ihnen in dieser Review die Namen der Figuren. Die brauchen Sie auch gar nicht zu kennen. Denn in diesem halben Dutzend neuer Staatsanwälte und Pflichtverteidiger, die an einem in New York ansässigen Bundesgericht frisch vereidigt wurden und sogleich ihre ersten Fälle übertragen bekommen, in denen sie gegeneinander antreten, gleicht eine der anderen.

Zu tun bekommen sie es natürlich sofort mit den verschiedensten Bereichen: Ein junger arabischstämmiger Amerikaner ist des Terrorismus angeklagt, obwohl alle seine vermeintlichen Komplizen FBI-Agenten waren, die ihn zur Tat angestiftet hatten. Ein Jungstaatsanwalt will eine alleinerziehende Mutter hinter Gittern bringen, weil sie ihrem Ex-Mann bei angeblichen Insidergeschäften geholfen haben soll. Und ein dubioser Mann mittleren Alters mit einem halben Dutzend ausgedachten Identitäten soll dafür büßen, dass er kleine Unternehmen mit fingierten Geschäften um einen sechsstelligen Betrag gebracht hat.

Aber das ist weitgehend nebensächlich, auch wenn in einer der letzten Szenen der vermeintliche Terrorist eher wegen rassistischer Befindlichkeiten der Geschworenen und aalglatter Taschenspielertricks des Staatsanwalts hinter Gittern muss. Wichtiger sind den Autoren die melodramatischen Verstrickungen dieser zwar aus allen Ethnien und sozialen Milieus zusammengeklaubten Figuren, die sich in ihren Charakterzügen, Haltungen, Sprechweisen und Idealen aber doch so gleichen wie ein Nadelstreifenanzug dem anderen.

Dramaturgisch deutlich wichtiger scheint zu sein, dass dieses halbe Dutzend Jungjuristen ständig in wechselnden Konstellationen miteinander ins Bett geht, was selbstredend auch zu fachlichen Konflikten führt, wenn sich die Sexualpartner morgens auf verschiedenen Seiten im Gerichtssaal wiederfinden. Im Ansatz führt das im Piloten zu einem ethisch nicht ganz unspannenden Fall, der dann aber leider ohne jedwede intellektuelle Schärfe, sondern mit allerhand depperter Emotionalität gelöst wird.

Dieser Umstand geht jedoch eine gewisse substanzielle Diskrepanz mit dem Drehbuch ein, das in allerhand tumb und plakativ vorgetragenen Dialogpassagen essentielle Themen wie Aufrichtigkeit, Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit zu verhandeln vorgibt, das aber nur mithilfe von albernen Kalendersprüchen, Halbwahrheiten und Befindlichkeiten angehen will, und somit den ganzen Stoff der Lächerlichkeit preisgibt.

Man mag anführen, dass auch deutlich positiver rezensierte Serien aus dem Umfeld von Shonda Rhimes – «Scandal» und das ebenfalls im Juristenmilieu angesiedelte «How to get away with Murder» – nicht frei von allzu überkandidelt erzählten Geschichten und manchmal zu fahrigen Charakterzeichnungen sind. Doch nicht nur ist der Umfang dieser Kritikpunkte in «For the People» so massiv weitreichender, dass er bereits ein qualitativer Unterschied ist: Der wohl größte Unterschied zu den beiden Leuchttürmen aus Shondaland liegt nicht zuletzt in der Erzählweise. «Scandal» und «How to get away with Murder» erzählen ihre horizontalen Plots mit großem dramaturgischen Gefühl, und schaffen es mit sehr individuell und nahbar gezeichneten Figuren, ihre Zuschauer schnell emotional an sie zu binden. Mit der uninteressanten Ansammlung an Juristenklischees in «For the People», deren Namen man sich weder merken will noch muss, kann das natürlich nicht gelingen.
21.03.2018 11:00 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/99806