Kabarettist Tobias Mann: „Schmerzhaft, der AfD Öffentlichkeit zu geben“

Wie soll Comedy mit Erscheinungen wie der AfD umgehen? Ist viel Sendezeit für die extremen Parteien überhaupt gerechtfertigt? Mit Tobias Mann («Mann Sieber») haben wir unter anderem darüber gesprochen.

Zur Person Tobias Mann

Tobias Mann, 1976 geboren, trat erstmals Ende der 90er in Karnevalssendungen auf. Es folgten Engagements bei «Mitternachtsspitzen», dem «Satire Gipfel» und anderen Formaten. 2010 hatte er mit «Mann an Bord» seine erste eigene Sendung im WDR. Gemeinsam mit Christoph Sieber macht er nun seit September 2015 acht Mal pro Jahr im ZDF (gewöhnlich dienstags gegen 22.45 Uhr) «Mann Sieber».
Es ist eine klassische TV-Macher-Floskel: Die 20. Sendung ist nie wie die erste oder die zweite? Wie hat sich «Mann, Sieber!» seit dem Start im September 2015 verändert?
Die Struktur ist natürlich ähnlich geblieben. Wir haben weiterhin den Wechsel zwischen MAZen, also Einspielfilmen, und Studio-Parts. Der Stand-Up-Part zu Beginn ist immer aktuell, während wir versuchen, bei den anderen Sendungsteilen auch mal zeitlosere, aber nicht minder dringliche Themen unterzubringen. Ich habe dennoch das Gefühl, dass wir uns in Sachen Zusammenspiel zwischen Christoph und mir und vor allem im Bereich der MAZen deutlich weiterentwickelt haben – auch, weil wir neue Ideen immer konsequenter durchziehen. Die Einspielfilme sind definitiv aufwändiger geworden. Uns macht es viel Spaß, politische oder gesellschaftsrelevante Themen auch auf diese filmische Art und Weise umzusetzen. Wer genau hinschaut, erkennt vor allem da unsere große Liebe zum Detail. Darüber vernachlässigen wir aber natürlich nie unsere Studio-Sequenzen. Hier wollen wir auf satirische Art und Weise Kritik äußern, aber auch Kausalitäten aufzeigen. Es haben sich auch wiederkehrende Elemente entwickelt – etwa unser YouTube-Rahmen. Dabei versuchen wir in einer Art Kasperle-Theater 4.0 den Zuschauern bestimmte Zusammenhänge mit viel Action aufzuzeigen. Und ganz nebenbei machen wir uns auch ein bisschen über den Influencer-Hype lustig. Nicht unerwähnt sollten auch unsere satirischen Musikvideos bleiben, die wir immer mehr kultiviert haben. Zuletzt haben wir mit unserem Video „Einmal Zwerg sein“ im Kraftwerk-Style den Zustand der SPD aufgearbeitet.



Es sind dankbare Zeiten für Kabarettisten, in denen wir leben?
Ja und Nein. Natürlich bietet die Politik jede Menge Stoff und Aufreger. Ich glaube aber, wir müssen die Themen heute sehr differenziert betrachten. Schwarz-weiß-Denken ist nicht angesagt. Es würde der Komplexität der Welt nicht gerecht werden. Wir müssen also genau auf die Zwischentöne achten. Das ist natürlich eine oft strapazierte Floskel, die aber im Fall von Kabarett und Satire absolut zutrifft.

Meines Erachtens muss es gutes Kabarett schaffen, dass sich die AfD selbst der Lächerlichkeit preisgibt. Wir haben daher neulich die AfD einfach mal für sich sprechen lassen. Das war eine Sendung, die durchaus Nachhall hatte.
Tobias Mann
Immer wieder Thema in politischen Kabarett- und Comedy-Sendungen ist seit Monaten die AfD. Wie lustig ist diese Partei?
Eigentlich überhaupt nicht. Im Gegenteil. Sie ist eine sehr traurige Erscheinung. Man muss sich fragen, wie unsere Gesellschaft derart auseinanderdriften konnte, dass solche politischen Positionen, von denen man gehofft hatte, dass sie längst überwunden sind, wieder salonfähig werden. Meines Erachtens muss es gutes Kabarett schaffen, dass sich die AfD selbst der Lächerlichkeit preisgibt. Wir haben daher neulich die AfD einfach mal für sich sprechen lassen. Das war eine Sendung, die durchaus Nachhall hatte. Man muss diese Partei manchmal gar nicht in Satire kleiden, sondern kann einfach Original-Zitate präsentieren und sie damit entlarven.

Man muss aber auch aufpassen, dass man sich nicht nur gängiger Klischees bedient. Muss man nicht auch bei der AfD mal genauer hinhören und hinschauen?
Das Problem ist: Wenn man genauer hinhört oder hinschaut, wird diese Partie eigentlich nur noch unerträglicher. Was da alles schlummert… Und wir schauen sehr genau hin, auch wenn’s weh tut. Wir haben uns durchaus auch schon mit den Leuten der zweiten und dritten Reihe nebst deren Ansichten befasst, aber das Bild der AfD wurde dadurch nicht besser. Im Gegenteil.

Bekommt die AfD nicht ohnehin zu viel Raum? Sie vertritt Extreme, will Provozieren und hat deshalb Sendezeit sicher, die ernsthafte Politiker nicht bekommen.
Auch diese Frage stellen wir uns ständig. Sie ist auch nicht unberechtigt. Es ist manchmal schon schmerzhaft, der AfD über die Kritik an ihr auch noch zusätzlich Öffentlichkeit zu geben. Aber immer zu schweigen wäre auch falsch. Wir überlegen uns daher jedes Mal ganz genau, ob man die nächste Ungeheuerlichkeit thematisiert oder sie schlichtweg ignoriert.

Allgemein sind die Extremen im Kommen. Denken wir an Trump oder politische Entwicklungen direkt in unseren Nachbarländern.
Das war eine schleichende Entwicklung, deren Folgen sich aktuell gerade überdeutlich zeigen. Uns beschäftigt das Auseinanderdriften der Gesellschaft natürlich sehr. In einer Zeit, in der man global miteinander arbeiten müsste, um positive Entwicklungen anzuschieben, wird das Gegeneinander zur neuen Maxime erhoben. Schauen wir nur nach Amerika: Trumps Motto ist „America First“ – eine solche egoistische Haltung, die ich persönlich nicht nachvollziehen kann, ist leider auch in Europa absolut en vogue. Die sehr einfachen Wahrheiten, die letztlich keine sind, finden momentan einen großen Widerhall. Wir versuchen mit unseren Möglichkeiten, dies aufzuzeigen und eine Haltung dazu einzunehmen. Natürlich darf die Satire dabei nicht zu kurz kommen, denn letztlich kann man ja vieles ohne Humor gar nicht mehr ertragen.

Nach der zurückliegenden Sendung dürften bei Ihnen die Korken geknallt haben. Nach einem Champions League Spiel holten Sie mit fast 15 Prozent gesamt und über zwölf Prozent bei den Jungen die besten Marktanteile…
Ach ja, die Quotendebatte. Die gibt es natürlich. Aber mal ehrlich: Quoten lassen sich nicht vorhersagen und zumeist weiß man auch gar nicht genau, warum die Quote gut war oder mal nicht so gut. Unser Ziel muss es daher doch sein, jedes Mal aufs Neue, eine gute und relevante Sendung zu machen. Aber Sie haben natürlich recht: Gute Quoten sind Ausdruck des Zuspruchs vom Publikum und verleihen unserem Dasein gegenüber dem Sender zusätzlich an Relevanz. Selbstverständlich freut einen das. Und tollerweise gewinnen wir offenbar immer mehr Zuschauer und – ganz wichtig - das ZDF lässt uns weitermachen.

Sie machen zur Zeit acht Sendungen im Jahr. Das führt auch dazu, dass Sie unregelmäßig senden. Wenn ich nicht nachgeschaut hätte, wüsste ich nicht, wann die nächste Folge läuft…
Wenn wir senden, dann alle vier Wochen. Der Punkt ist: Mehr als acht Sendungen im Jahr schaffen wir nicht. Unser Ansinnen ist es, die TV-Sendung weiterhin in einer möglichst hohen Qualität abzuliefern und das braucht einfach seine Zeit. Christoph und ich wollen aber auch weiterhin mit unseren Live-Solo-Shows unterwegs sein und über die Bühnen des Landes touren. Diese acht TV-Folgen pro Jahr sind quasi ein Kompromiss zwischen der Fernseharbeit, die wir sehr genießen, und unserer Bühnentätigkeit, der wir ebenfalls mit großer Leidenschaft nachgehen.

Danke für das Gespräch. Und, die nächste Folge läuft am 20. März…
08.03.2018 10:57 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/99473