Dr. Christoph Schneider: „Auch bei Amazon gibt es genau kalkulierte Business Pläne“

Mit «Pastewka» startet am Freitag das nächste deutsche Amazon-Original. Der Chef von Amazon Prime Video spricht mit uns über einen veränderten Bastian, die Wichtigkeit von Matthias Schweighöfer, weitere Pläne und Ziele für 2018 sowie die vorherrschende Meinung, sein Unternehmen könne quasi achtlos mit dicken Geldbündeln um sich schmeißen.

Zur Person: Dr. Christoph Schneider

Manche nennen ihn den VOD-Pionier. Der jetzige Amazon Prime Video-Chef arbeitete vorher bei ProSiebenSat.1, unter anderem für Maxdome. Schon den 90ern war er bei der damaligen Kirch Gruppe angestellt, Anfang des neuen Jahrtausends zog es ihn dann zu Burda.
Herr Schneider, vom großen Quoten-Blackout war zuletzt die Rede. Haben Sie die Quoten am Morgen eigentlich vermisst?
Nicht wirklich. Für Amazon direkt spielen diese Quoten keine große Rolle. Wir schauen uns aber schon Werte von Programmen an, die wir auch haben. «The Big Bang Theory», Staffel 11 oder auch den «Young Sheldon»-Start. Aber die Zuschauerzahl eines ZDF-Films interessiert uns und auch mich privat eher wenig. Entsprechend bin ich auch niemand, der jeden Morgen auf die Quoten wartet.

Und wie oft schauen Sie auf Ihre internen Amazon-Werte?
Täglich bis mehrmals die Woche. Wir haben da ja verschiedene interne Messwerte. In Wochen, in denen wichtige Originals starten, schaue ich mir die Zahlen täglich an. Für uns ist es wichtig zu sehen, wie sich das Interesse unserer Kunden entwickelt.

Wie entwickelt es sich denn für gewöhnlich?
Unterschiedlich. Wenn wir von einem Donnerstag oder Freitag als Starttag ausgehen, dann ist es schon so, dass - ähnlich wie im Kino – das erste Wochenende sehr gut läuft. Bei neuen Staffeln, auf die die Fans schon warten, etwa bei «Fear the Walking Dead», ist oft schon am ersten Tag ein großes Interesse vorhanden.

Helfen Zuschauerzahlen unseren Kunden, die richtigen Inhalte für sich zu finden? Eher nicht. Als Zuschauer will ich wissen, ob ein Film oder eine Serie gut ist und für mich passt. Diese Informationen liefert mir nicht, wie viele Menschen zugesehen haben.
Amazon Prime Video Chef Dr. Christoph Schneider auf die Frage, warum der Dienst keine Zuschauerzahlen veröffentlicht
Warum sind Sie in Sachen Zuschauerzahlen so schweigsam?
Es ist eine grundsätzliche Haltung von Amazon, den Kunden in den Mittelpunkt aller Überlegungen zu stellen. Da darf man sich schon fragen: Helfen Zuschauerzahlen unseren Kunden, die richtigen Inhalte für sich zu finden? Eher nicht. Als Zuschauer will ich wissen, ob ein Film oder eine Serie gut ist und für mich passt. Diese Informationen liefert mir nicht, wie viele Menschen zugesehen haben. Wichtiger ist da, wie sie denen gefallen hat, die sie gesehen haben. Und dafür gibt es bei uns ein sensationelles Tool: die Kundenrezensionen mit dem fünf-Sterne-System. Sie sehen mit einem Blick, wie Kunden eine Serie oder einen Film durchschnittlich bewerten, wie viele einen, wie viele fünf Sterne vergeben haben. Transparenter geht es nicht. Zuschauerzahlen sind für die Branche interessanter als für den Kunden.

Am Freitag startet die achte «Pastewka»-Staffel. Erzählen Sie mir mal, wie diese Zusammenarbeit zu Stande kam. Ich weiß, dass die siebte Staffel in Sat.1 lief und die Serie danach quasi lange „on Hold“ war. Was ist passiert?
«Pastewka» gibt es auf unserem Service ja schon lange – schon damals, als wir noch Lovefilm waren. Dass ich ein großer Fan der Serie bin, darf ich nebenbei erwähnen. Das war aber nicht ganz maßgeblich. Wir waren ja schon länger auf der Suche nach tollen Ideen und sind ständig im Gespräch mit verschiedenen Produzenten – natürlich auch mit Brainpool. Und irgendwann kamen wir mal drauf, dass doch auch «Pastewka» etwas für Prime Video sein könnte. Man muss ja nicht zwingend etwas Neues machen, wenn es da schon so ein tolles Format gibt. Sat.1 hatte zu diesem Zeitpunkt schon das Problem, dass es keine Halbstunden-Slots mehr hatte und so kam eins zum anderen.

Ich will jetzt nicht von einem Neuanfang sprechen, aber das Format hat sich verändert. Bastian ist erwachsener geworden, er wird sich mehr trauen. Wir schauen über Genre-Tellerränder hinaus, erzählen sehr mutig.
Dr. Christoph Schneider, Geschäftsführer Amazon Prime Video
Die achte Staffel wird serieller erzählt sein.
Es ist eigentlich auch gar nicht eine klassische Staffel acht. Ich will jetzt nicht von einem Neuanfang sprechen, aber das Format hat sich verändert. Bastian ist erwachsener geworden, er wird sich mehr trauen. Wir schauen über Genre-Tellerränder hinaus, erzählen sehr mutig. Bastian ist sich in den neuen Folgen für nichts zu schade. Er hat zum Beispiel noch nie so viel Haut gezeigt. Die alten Fans werden „ihre Serie“ wieder erkennen, es gibt aber auch neuen Fans die Chance, einzusteigen. In jedem Fall finde ich die Folgen unglaublich lustig.

Wie schnell werden wir wissen, ob es eine neunte Staffel geben wird? Oder steht das vielleicht sogar schon jetzt fest?
Ich bin sicher, dass «Pastewka» bei uns sehr gut funktionieren wird. Dennoch wollen wir als Unternehmen natürlich schauen, ob der Erfolg so eintritt, wie wir vermuten. Das wissen wir in der Regel relativ schnell. Ich würde sagen, dass wir uns da binnen der ersten 30 Tage entschieden haben.

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Welche weiteren Highlights wird es 2018 geben?
«You Are Wanted» Staffel 2 ist abgedreht. Eine super Staffel. Es ist nochmal schneller geworden, ein bisschen mehr Action. Das Niveau ist nochmals gestiegen und Matthias Schweighöfer hat noch einmal einen draufgesetzt. Die erste Staffel war für uns schon ein herausragender Erfolg, ich freue ich mich schon auf die neuen Folgen. Ich glaube auch, dass sich die freuen dürfen, die sich während Staffel eins noch kritisch geäußert haben. Die erste Staffel wurde ja von unseren Zuschauern überragend aufgegriffen, sie ist die Serie mit den meisten Fünfsterne-Rezensionen aller Zeiten bei uns. Den ein oder anderen Kritikpunkt gab es auch. Das haben wir uns angeschaut und mit Matthias und seinem Team daran gearbeitet, es in Staffel 2 noch besser zu machen.

Matthias Schweighöfer ist Ihr bekanntestes Gesicht?
In Deutschland sicherlich. Wir sind froh über die Zusammenarbeit. Aber wir sind nicht nur «You Are Wanted». Ich habe kürzlich Bilder von «Deutschland86» aus Südafrika gesehen. Ich war begeistert. Ich habe mich sehr gefreut, dass «Der Lack ist ab» als Prime Original vor Weihnachten so gut gestartet ist. Die Serie hat in besonderem Maße diesen Word-of-Mouth-Effekt. Allgemein zeigt sich, wie gut eigene deutsche Serien von unseren Kunden angenommen werden.

Grob gesagt: «You Are Wanted» vor der Fußball-WM, «Deutschland86» danach.
Wann warten die neuen Staffeln, Herr Schneider?
Wann können wir «Deutschland86» und die neue «You Are Wanted»-Staffel erwarten?
Grob gesagt: «You Are Wanted» vor der Fußball-WM, «Deutschland86» danach. Wir haben ja sonst auch noch Highlights, wenn ich z.B. an die Prime Original Serie «The Marvelous Mrs. Maisel» denke, gerade erst mit zwei Golden Globes ausgezeichnet. Das funktioniert schon jetzt im Original-Ton super, aber wir wissen, dass wir mit Original-Versionen rund 90 Prozent der Zuschauer noch nicht erreichen. Am 26. Januar kommt die Serie auf Deutsch. Wir haben im Februar «Bullyparade – Der Film»-Film noch vor dem Home-Entertainment-Window. Mit «The Bold Type» startet im Februar eine Serie, die sicher unsere weiblichen Mitglieder begeistern wird. Später im Jahr darf man sich auf «Tom Clancy’s Jack Ryan» freuen. Wir haben ein tolles Line-Up für 2018.

Sie haben 2017 viele deutsche Serienprojekte angestoßen. Geht es in dieser Schlagzahl 2018 weiter?
Das hängt immer auch vom Angebot ab. «You Are Wanted» haben wir auch eineinhalb Jahre lang gesucht. Wir wollen spannende, hochwertige Serien produzieren, haben aber auch den Anspruch, dass diese sich von Bestehendem abheben. Solche Projekte liegen nicht einfach auf der Straße. Wir sind in regem Austausch. Ich hoffe auch, dass Sie da von uns noch hören werden in diesem Jahr, aber nichts ist so konkret, dass wir in den nächsten zwei Wochen damit um die Ecke kommen können.

Haben Sie gejubelt, als die Bestätigung einer «Herr der Ringe»-Serie als Prime Original kam. Immerhin ein Projekt, bei dem allein schon die Buch-Rechte einen dreistelligen Millionen-Betrag kosten sollen…
Natürlich freuen wir uns. Solche Leuchttürme helfen der Marke Prime Video. Das Format hat sicherlich das Zeug dazu, eine der besten Serien der Welt zu werden.

Wo wollen Sie 2018 besser werden?
Wir wollen natürlich wieder den besten Content für unsere Kunden lizensieren und produzieren. Ich habe ja schon erwähnt, dass wir alle Entscheidungen danach ausrichten, für unseren Kunden das beste Ergebnis zu erzielen. Nur darum geht es. Wir wollen weiter auch kreativ sein, um spannende Projekte voranzutreiben. Und wir wollen den richtigen Content für den einzelnen Zuschauer noch sichtbarer machen. Gerade im Film-Bereich bin sogar ich immer wieder überrascht davon, welche Perlen wir da im Angebot haben. Der Zuschauer sieht da auf seinem Bildschirm ja oft nur einen Ausschnitt davon. Ich denke, dass wir hier noch bessere und zielgerichtete Vorschläge für unseren Kunden machen können.

Welche Rolle werden Informationsangebote oder Shows für Sie spielen? Es sind ja (politisch) aufregende Zeiten hier in Deutschland.
Der Non-Scripted-Bereich ist sehr interessant. Schauen wir mal, was da kommen wird. Bis jetzt ist uns nichts Ideales über den Weg gelaufen, aber wir haben da Ideen.

Sie haben ja auch schon einen Fuß in die Tür der Sportrechte bekommen, bieten die Bundesliga über Amazon-Channel-Partner Eurosport und bei Amazon Music als Webstream zum Hören an. Lief die Hinrunde gut?
Amazon Music ist zwar nicht mein Bereich, aber nach allem, was ich gehört habe, ist das Projekt super angelaufen.

Dass es jüngst Meldungen gab, Amazon interessiere sich in England für Live-Fußball der Premier League spielt Ihnen in die Karten, weil es die Gesamtmarke attraktiver macht?
An Spekulationen beteiligen wir uns nicht. Wir sind ein kundenorientiertes Unternehmen und haben viele Ideen, die immer auf dem Prüfstand sind. Ich freue mich natürlich über alle Inhalte, die Amazon noch attraktiver machen.

Ein gutes Stichwort. Manchmal hat man das Gefühl, es herrsche die Meinung, Amazon als Internet-Riese könnte sein Geld wahllos verteilen.
Wir müssen schon auch Geld verdienen. Das erwarten letztlich auch die Aktionäre. Auch bei Amazon gibt es genau kalkulierte Business Pläne. Manchmal können wir solche Pläne vielleicht etwas langfristiger anlegen. Große Projekte lassen sich eben nicht ohne zum Teil erhebliche Anfangsinvestitionen umsetzen.

Danke für das Gespräch.

24.01.2018 10:51 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/98536