Auf dem Fantasy Filmfest lief «It Comes at Night» bereits. Nun kommt der paranoide Thriller, der alles andere als ein Horrorfilm ist, auch regulär in die Kinos.
Das Ende der Welt. Eine tödliche Infektionskrankheit hat fast alles Leben auf der Erde ausgelöscht. Der siebzehnjährige Travis (Kelvin Harrison, Jr.) und seine Eltern Paul (Joel Edgerton) und Sarah (Carmen Ejogo) gehören zu den letzten Überlebenden. Schwer bewaffnet leben sie in einem einsamen Haus im Wald. Getrieben von Angst und Paranoia versucht die Familie, mit ihren spärlichen Vorräten zu überleben, als ein verzweifeltes junges Paar (Riley Keough, Christopher Abbott) mit seinem kleinen Sohn bei ihnen Schutz sucht. Trotz ihrer guten Absichten, sich gegenseitig zu helfen, rücken die Schrecken der Außenwelt immer näher. Sie haben tiefe Spuren in den Seelen der Menschen hinterlassen, so dass bald Panik und Misstrauen zwischen den beiden Fa-milien regieren. Denn jeder kann die Krankheit in sich tragen und zur tödlichen Bedro-hung werden. Wie weit wird Paul gehen, um Frau und Sohn zu schützen?
In «It Comes at Night» ist nicht irgendein außerweltliches Monster das Problem, sondern der Mensch an sich. Das Szenario: Nach einem bis zuletzt konsequent im Dunkeln bleibenden Zwischenfall ist ein Großteil der Menschheit verseucht und die Außenwelt daher so gut wie kontaminiert. Nur noch mit Atemmaske wagt man sich aus dem Schutz der eigenen vier Wände und gegenseitige Kontaktaufnahme artet in der Regel sofort in Mord und Totschlag aus. Schon früh deutet Regisseur und Drehbuchautor Trey Edwart Schults (dass dieser Film nach «Krisha» erst seine zweite allein beaufsichtige Langfilmarbeit ist, ist aufgrund der peniblen Inszenierung kaum zu glauben) an, dass die größte Gefahr in der Ungewissheit ob des Szenarios sowie der gegenseitigen Skepsis liegt – wer ist in dieser Ausnahmesituation Freund und wer ist Feind, wenn sich doch gerade im Hinblick auf eine große Katastrophe jeder selbst der nächste ist? Nach einem überraschend reißerischen Intro, in welchem Hauptfigur Paul den offenbar unheilbar infizierten Großvater der Familie verbrennt, nimmt sich das Skript viel Zeit, um das Undurchschaubare greifbar zu machen.
Viel mehr verraten, als dass Pauls Familie auf das Oberhaupt einer anderen trifft, wollen wir an dieser Stelle auch gar nicht. Denn nicht nur der erste Dialog der beiden wird in seiner Identität direkt zu einem fesselnden Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die vermeintliche Rollenverteilung sehr bald aufgehoben wird. Auch all das, was danach kommt, lässt sich am besten genießen, wenn man möglichst ahnungslos an die Sache herangeht. Vollkommen ohne das Szenario gezielt reißerischer zu gestalten, ist «It Comes at Night» voll von bitterem Kalkül, das die Figuren in nahezu jeder Szene in einem völlig neuen Licht erscheinen lässt. Dass hier Niemand dem Anderen über den Weg traut, ist daher vollkommen realistisch und nachvollziehbar. Auch der Zuschauer wird mehr als einmal auf eine große Vertrauensprobe gestellt, wenn selbst der zu Beginn noch als klare Identifikationsfigur angelegte Paul sowie seine Familie und erst recht der äußerst charismatische Teeniejunge Travis Dinge aussprechen und Taten begehen, die im Kontext zweifelhaft erscheinen.
Der den Film mit produzierende Joel Edgerton («The Gift») ist es, der «It Comes at Night» erst im Alleingang trägt und sich die Bühne später gern mit Christopher Abbott («Whiskey Tango Foxtrott») teilt. Die Prämisse zweier Familien unter einem Dach lädt dazu ein, dass sich die Stimmung auf diesem beengten Raum nach und nach hochschaukelt, doch genau das Gegenteil ist der Fall. In der betonten Routine des Alltags sind es winzige Details, die skeptisch machen und die Menschen aus ihrer Lethargie reißen. Das fast schon minimalistische Agieren Edgertons steht stellvertretend für die Unaufgeregtheit, mit der Trey Edwart Schults hier voranschreitet, während Kelvin Harrison Jr. («The Birth of a Nation») das brodelnde Geschehen erst nüchtern und später immer skeptischer betrachtet – die fast schon menschlichste aller Performances in «It Comes at Night» und damit auch die, mit welcher sich der Zuschauer am ehesten identifizieren kann. Abbott setzt in seinem Agieren vereinzelt zu sehr auf größtmögliche Undurchsichtigkeit und lässt jene Subtilität vermissen, die sein Kollege Edgerton an den Tag legt.