In dem unausgegoren erzählten Drama «Das Leuchten der Erinnerung» über ein Rentnerehepaar auf seiner letzten Reise, zeigen sich Helen Mirren und Donald Sutherland in Bestform.
Ohne eine kleine Prise Wohlfühlinszenierung scheint auch das niederschmetterndste Schicksal kaum noch für die breite Masse erträglich zu sein. Entsprechend erweckt auch «Das Leuchten der Erinnerung» von Anfang an den Eindruck, die beiden Rentner Ella und John seien trotz ihrer zusehends abnehmenden Gedächtnisleistung – vor allem auf Seiten Johns – immer noch rüstig genug, um mit einem kecken Spruch böse Buben in die Flucht zu schlagen, oder sich im Zuge eines nahezu hanebüchenen Subplots um die ehemaligen Bettgespielen des jeweils anderen zu sorgen. Das erweckt inmitten des mitunter recht melancholischen Tonfalls durchaus einen zwiespältigen Eindruck; das Skript von Paolo Virzi selbst, sowie seinem Dreigestirn aus Francesco Piccolo («Mia Madre»), Francesca Archibugi («Die Überglücklichen») und Stephen Amidon, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Michael Zadoorian, begibt sich einerseits auf respektvolle Augenhöhe mit den Protagonisten, leidet mit ihnen, zeigt ungeschönt den schleichenden Verfall der beiden Figuren auf, stilisiert auf der anderen Seite aber auch Einzelszenen gewaltig über, wodurch diese teilweise sogar ins Slapstickhafte abdriften.
Helen Mirren («Verborgene Schönheit») und Donald Sutherland («Die Tribute von Panem»-Reihe) sind nämlich nicht nur durch ihr realitätsnah-zerbrechliches Spiel über jeden Zweifel erhaben – erst recht, wenn sie in den entscheidenden Momenten beweisen, mit wie viel Kraft und Elan sie (immer noch) in der Lage sind, dem vermeintlich alles Notwendige für sie tuenden Staatsapparat davonzulaufen. Sie kehren in ihrem zurückhaltenden Spiel vor allem ihr ambivalentes Inneres hervor, das sich gerade im Falle von John schon mal als absolut unberechenbar erweist. Helen Mirren wirkt dagegen häufig wie das weitaus besonnenere Pendant, das im letzten Drittel jedoch so richtig aus seiner Haut fahren darf. Schon Romanautor Michael Zadoorian zeichnete seine beiden Hauptfiguren als gleichermaßen toughe wie selbstreflektierende Zeitgenossen, die sich die sukzessiven Folgen, die das Älterwerden nun mal mit sich bringt, zwar einstehen, es aber ungern wollen und somit auf dem schmalen Grat zwischen Unachtsamkeit und Vernunft balancieren. Damit stoßen die beiden nicht bloß den Zuschauer, sondern auch ihre aus der Ferne mit ihnen interagierenden Kinder vor den Kopf, die mit ihren Sorgen, Ängsten und Nöten allerdings überraschend unterbelichtet bleiben. Entsprechend ambivalent lässt sich auch das Ende auffassen, das die Einen vermutlich für absolut konsequent, die anderen hingegen für fehlgeleitet und feige befinden werden.
Doch obwohl das Zurückstellen der Belange von Ellas und Johns Kindern beileibe nicht das einzige Problem des letztlich doch sehr gefällig, immer wieder mit Anleihen an die klassische Roadmovie-Komödie inszenierten «Das Leuchten der Erinnerung» ist, pendelt sich die Romanverfilmung schließlich trotzdem auf solidem Mittelmaß ein. Neben den Darstellern, die durch ihre Präsenz Facetten aus ihren Figuren herausholen können, die das Skript gar nicht vorgesehen hat, und dem mutigen Ende mitsamt ebenso mutiger Aussage, besticht das Drama vor allem in seinen ruhigen Momenten. Die Telefonate zwischen Ella und ihrer Tochter, eine beklemmende Szene, in welcher John plötzlich verschwunden ist, oder eine dialogfreie Plansequenz, die den alten Mann ausgelassen auf einer Feier zeigt, wodurch dieser eine entscheidende Wendung in seinem Leben einfach nicht mitbekommt, sind Glanzstunden des subversiv inszenierten, herausragend geschriebenen Kinos, das leider immer wieder Platz machen muss, um den Zuschauer nie aufgrund allzu trauriger Andeutungen zu verlieren. «Das Leuchten der Erinnerung» könnte ein richtig starker Film sein, hätten die Macher ihrem Publikum zugetraut, sich auch mal mit der ungeschönten Realität des Älterwerdens auseinanderzusetzen. Denn immer dann, wenn er er es doch tut, ist «Das Leuchten der Erinnerung» am stärksten.