Popcorn und Rollenwechsel: «Star Wars» – Die lauten Meinungen

Kommt «Star Wars», kommt Zank. Und so schön Meinungsvielfalt normalerweise sein kann, bei «Star Wars» wird’s sehr gern anstrengend …

Meinungsvielfalt ist etwas schönes. Besonders in der (Unterhaltungs-)Kunst. Denn wie unfassbar langweilig wäre es, wenn wir alle über jede Serie und jeden Film exakt das Gleiche denken würden? Könnt ihr euch das vorstellen, nach jedem Kinobesuch mit Freunden auf dem Heimweg nach wenigen Augenblicken keinen Gesprächsstoff mehr zu haben, weil ihr komplett dieselben Gedanken über den Film habt?

Und dennoch sind nicht alle Meinungen gleichwertig. Fans diverser von Kritikern geschundenen Filmreihen werden nicht müde, das zu betonen: "Diese Filme wurden für Fans gemacht, nicht für Kritiker – ihr doofen Kritiker seid also nichts wert!" Ich würde den Unterschied zwischen einer "wertigen", oder sagen wir besser "gültigen" Meinung und einer, die gerne ignoriert werden kann, woanders suchen: In der Ehrlichkeit – und die lässt sich zuweilen anhand dessen überprüfen, wie stimmig sie ist. Denn es gibt Leute, die sich in eine Meinung reinsteigern, weil sie sie haben wollen, und nicht, weil sie sie wirklich haben …

Dass ich bei aller Freude, die mir «Star Wars» bereiten kann, die «Star Wars»-Fangemeinde ungeheuerlich anstrengend finde, erwähnte ich ja bereits in einer anderen Kolumne. Da gibt es jene, die «Star Wars» als kindlichen Eskapismus sehen wollen, jene, die es als düstere, ernste Filmreihe verstehen möchten, und, und, und … Und es ist ja vollkommen in Ordnung, wenn in einer großen Gruppe von Leuten, die dieselbe Filmreihe lieben, verschiedene Personen verschiedene Schwerpunkte setzen. Das ist ganz natürlich.

Frustrierend wird es allerdings, wenn diese Schwerpunktsetzung extreme Züge annimmt – so extreme, dass sie zur Verleugnung früherer Meinungen oder unübersehbarer Tatsachen führt. Und, beim Barte des Wookies, sind die filmverrückten Winkel des Internets seit Kinostart von «Star Wars: Die letzten Jedi» auf einmal voll mit heuchlerischen, allein an auffälligen Extremen interessierten, fragwürdigen «Star Wars»-Meinungen …

"Die Porgs haben «Star Wars: Die letzten Jedi» im Alleingang kaputt gemacht! Ich wusste es, Disney ruiniert «Star Wars»! Seit die das gekauft haben, nimmt sich das nicht mehr ernst! Unter Lucas hätte es solche Witze nicht gegeben …" Klar. George Lucas war ein großer Verfechter des trockenen, ernsten, nachdenklichen Science-Fiction-Dramas. Gene Roddenberry konnte sich bei ihm noch ein paar Scheiben abschneiden. Naja. Vielleicht gab es doch ein wenig Humor bei ihm. Wie R2-D2, C-3PO, Han Solos sarkastische Ader, Yoda, die Ewoks, Jar-Jar Binks, die B1-Kampfdroiden …

Ganz unabhängig davon, dass ich «Star Wars: Die letzten Jedi» eher mau finde, kann ich dieses "Disney macht «Star Wars» zur Familienkomödie"-Gerede echt nicht mehr hören (oder lesen). Mit «Rogue One» und «Die letzten Jedi» sind unter Disney zwei der dramatischeren «Star Wars»-Filme entstanden. Und wer Wut schnaubend aus «Die letzten Jedi» spaziert ist, weil der Film zu lustig sei, darf sich gerne nochmal die anderen Teile der Filmreihe anschauen … Huch, da wird ja extrem viel rumgescherzt, oder?

Wenn Disney sich in Sachen Comedy bei «Die letzten Jedi» vorwerfen lassen muss, dann, dass die Trailer den Humor des Films zu sehr unter den Teppich gekehrt und somit eine falsche Erwartungshaltung erzeugt haben. «Die letzten Jedi» ist ein relativ ernster, aber noch immer unterhaltender «Star Wars»-Film – die Promo wollte einen glauben lassen, der Streifen sei mit gigantischem Abstand der ernsthafteste des Franchises.

Noch besser sind aber Ausführungen wie diese:
"Boah, die neue Trilogie kannst du in der Pfeife rauchen. Episode VIII ist scheiße!"
-"Wieso denn?"
"Das hat nichts mit «Star Wars» zu tun!"
-"Und … wieso nochmal mochtest du Episode VII nicht?"
"Der hat ja nur bei der alten Trilogie geklaut!"
Aha. Wir wollen also weder Neues, noch Altbekanntes sehen. Hm. Vielleicht sollte man dann einfach gar keine «Star Wars»-Filme mehr gucken? Denn wenn eine Filmreihe fortgeführt wird, so werden sich die Köpfe dahinter jedes Mal entscheiden müssen, ob sie die Reihe weiterentwickeln oder ihr treu bleiben. Wenn sich ein Fan beidem verschließt, was genau will er denn bitte sonst?

Aber so etwas ist wohl unvermeidlich. «Star Wars»-Filme sind nicht wie 90 Prozent aller anderer Filme. Jeder hat für jeden Film, den er sich anguckt, eine Meinung über. Bei «Star Wars» will jeder, dass seine Meinung die einzig wahre ist – und daher wird sie doppelt und dreifach unterstrichen sowie übertrieben. Denn ins Extreme verzerrte Meinungen sind die besten, stabilsten Meinungen … Offenbar.
18.12.2017 18:38 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/97830