«Star Wars: Episode VIII» – Die Letzten müssen nicht die Besten sein

Kritik des Monats: Mit «Star Wars: Die letzten Jedi» wird eine der erfolgreichsten Filmreihen aller Zeiten fortgeführt. Dieses Mal müssen sich die Helden, Anti-Helden und Schurken des «Star Wars»-Universums mit innerer Zerrissenheit, Mutlosigkeit und einem Ungleichgewicht in der Drehbuchmacht herumplagen.

Die letzten Spots


Filmfacts: «Star Wars - Die letzten Jedi»

  • Regie und Drehbuch: Rian Johnson
  • Produktion: Kathleen Kennedy. Ram Bergman
  • Darsteller: Mark Hamill, Carrie Fisher, Adam Driver, Daisy Ridley, John Boyega, Oscar Isaac, Andy Serkis, Domhnall Gleeson, Anthony Daniels, Gwendoline Christie, Kelly Marie Tran, Laura Dern, Benicio del Toro
  • Musik: John Williams
  • Kamera: Steve Yedlin
  • Schnitt: Bob Ducsay
  • Laufzeit: 152 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Die Trailer und TV-Spots zu «Star Wars: Die letzten Jedi» wurden in den Wochen und Monaten vor Kinostart zu einem Streitpunkt. Nicht nur unter Fans, sondern auch zwischen ihnen und dem in den sozialen Netzwerken sehr aktiven Regisseur und Drehbuchautor Rian Johnson («Looper»). Dieser warnte zwischenzeitlich Fans, sie sollten Abstand zu kommendem Promomaterial halten, nur um kurz darauf seine Warnung zurückzunehmen. In einem 'Yahoo'-Interview untermauerte Johnson letztere Position:

Demnach hätten sein Produktionspartner Ram Bergman, er und das Team des «Star Wars»-Studios Lucasfilm sich über ein Jahr vor Kinostart zusammengesetzt, um einen detaillierten Fahrplan für die Promotion zu «Star Wars: Die letzten Jedi» zu erstellen. Darin sei festgelegt worden, welche Filmszenen zu welchem Zeitpunkt in Spots, Trailern und sonstigem Werbematerial enthüllt werden. Im Rahmen dessen habe Johnson nach eigener Aussage eine detaillierte Liste an Tabuszenen erstellt: Darin enthaltene Wendungen und Augenblicke dürfte die Disney-Werbemaschinerie auf gar keinen Fall vor Kinostart kommunizieren.

Der Langtrailer zu «Star Wars: Die letzten Jedi» hat, so fürchten viele Fans, dennoch zu konkrete Storyangaben gemacht. Und ein acht Tage vor US-Kinostart veröffentlichter TV-Spot enthielt für etwas mehr als einen Sekundenbruchteil einen Anblick, den wohl kein Spoiler fürchtender Fan einfach so in einem Stück Werbematerial entgegengeschleudert bekommen möchte. Aber Johnson gab erneut Entwarnung. Das Marketing zu «Star Wars: Die letzten Jedi» sei bewusst manipulativ, würde den Film aber nie fehlinterpretieren. Ein kniffliger, sonderbarer Drahtseilakt, den Johnson dem von ihm mitgestalteten Marketing da unterstellt. Kann das gelingen?

Da unmarkierte Spoiler in einer Vorabkritik generell nicht von der feinen Art sind und zudem Disney von der Presse ein explizites "Wir werden in Kritiken keine inhaltlichen Überraschungen verraten"-Versprechen abgerungen hat; kann, darf und soll es an dieser Stelle keine mit konkreten Beispielen untermauerte Antwort geben. Stattdessen heißt es: Wie ein Porg vorsichtig um den heißen Brei herumstapfen. Denn manipuliert hat das «Star Wars: Die letzten Jedi»-Marketing zweifelsohne. Und gleichzeitig hat es sich nur mäßig viel Mühe gemacht, den mit Trailern und Spots konfrontierten Fans ein unbehelligtes erstes Mal mit diesem Film zu gestatten.

Das von diabolischem Rot, finster-pompöser Musik und allerhand dramatischen Aussagen dominierte Marketing zu «Star Wars: Die letzten Jedi» hat das Publikum insofern manipuliert, als dass der Film längst nicht so düster ist, wie er verkauft wird. Und hier ist nicht die Rede vom typischen Überbetonen der Dramatik von Blockbuster-Fortsetzungen. Um im Lager des Disney-Konzerns zu bleiben: «The First Avenger: Civil War» und «Avengers: Age of Ultron» waren ebenfalls nicht so grimmig wie ihr Marketing, aber im Falle von «Star Wars: Die letzten Jedi» sind die Werbetreibenden weit übers Ziel hinausgeschossen.

Der achte Part der «Star Wars»-Kernsaga ist wesentlich humoriger und hoffnungsvoller als das Marketing suggeriert – aber er ist auch deutlich ernster und emotional zerrissener als sein unmittelbarer Vorgänger «Star Wars: Das Erwachen der Macht». Denn längst nicht alle, aber einige der Fans zum hitzigen Spekulieren und Spoilerpanikschieben einladenden Situationen aus dem Marketing kommen sehr wohl unverändert im Film vor – und nicht etwa in einem vollkommen veränderten Kontext.

Kurzum: Johnson und Lucasfilm haben mit dem Marketing ihr Publikum auf die falsche Fährte gelockt und «Star Wars: Die letzten Jedi» zu einem deprimierend-finsteren Weltallepos erhoben, das dieses Weltraumabenteuer nicht ist. Und gleichzeitig haben sie sich zwischen manch cleveren, verzeihbaren Irreführungen hier und da doch zu sehr aus dem Fenster gelehnt und zu stark auf Schockmomente vorbereitet. Rückgängig lässt sich das nicht mehr machen, aber es hilft vielleicht, die eine oder andere Erwartungshaltung zu korrigieren – und im Idealfall erwägt im Hause Disney irgendwer in Zukunft, das Marketing kommender Filme nicht zu nah am «Star Wars: Die letzten Jedi»-Modell auszurichten.

Die letzten Widerständler


«Star Wars»-Filme haben nie den Fokus auf nur einen einzelnen Handlungsaspekt gelegt. «Star Wars: Die letzten Jedi» bleibt der Saga insofern treu und weist zwei zentrale Handlungsfäden auf. Einer erzählt, was sich an dem Ort ereignet, an dem Rey zum Abschluss von «Star Wars: Das Erwachen der Macht» Luke Skywalker ausfindig gemacht hat. Der andere zeigt, wie sich der Konflikt zwischen dem Widerstand und der garstigen Ersten Ordnung weiterentwickelt. So weit, so gut. Bedauerlich ist jedoch das enorme Ungleichgewicht zwischen diesen beiden Handlungsfäden.

In «Star Wars: Das Imperium schlägt zurück» war die Flucht Han Solos und Leias vor dem Imperium von ebenso großer Bedeutung wie Luke Skywalkers Ausbildung zum Jedi. «Star Wars: Die letzten Jedi» versucht etwas ähnliches. Und, keine Sorge: All jene da draußen, die fanden, dass sich «Star Wars: Das Erwachen der Macht» viel zu sehr an «Star Wars: Eine neue Hoffnung» entlanghangelt, und nun fürchten, dass Episode VIII quasi ein Remake von Episode V sein könnte, dürfen sich beruhigen. Es bleibt einzig bei der Parallele, dass ein Handlungsstrang vom Jedi-Mythos handelt und der andere von einem militärischen Konflikt.

Ersterer bekommt allerdings dadurch, dass bislang angenommene Fakten über die Religion der Jedi sowie das Wesen wichtiger Handlungsträger in Frage gestellt werden und mitunter die gesamte, fortlaufende Ausrichtung des Franchises hinterfragt wird, deutlich mehr Bedeutung zugesprochen. Wann immer Johnson Rey und Luke Skywalker links liegen lässt, um zum Widerstand zurückzuschneiden, wirkt es daher so, als würde jemand von einem intensiven, introspektiven und vor inneren Konflikten berstenden, übernatürlichen Drama zur Füllerepisode einer Sci-Fi-Serie zappen.

Erschwerend kommt hinzu, dass ein zentraler Konflikt innerhalb des Widerstand-Plots nicht erst bei näherer Betrachtung in sich zusammenfällt, sondern schon, sobald nur ein laues Lüftlein in seine Richtung weht. Der Anti-Spoiler-Klausel zuliebe sei an dieser Stelle nur angedeutet, dass weite Teile des B-Plots von «Star Wars: Die letzten Jedi» hätten vermieden werden können, wären bestimmte Figuren nicht so starrsinnig. Und anders als im A-Plot, in dem über vergangene und mögliche kommende Fehlentscheidungen sinniert wird, werden im Widerstand-Plot eklatante Fehlurteile entweder unkommentiert hingenommen oder gar zelebriert. Nicht auf filminterner Ebene, wohlgemerkt – dass Figuren Missgeschicke nicht als solche erkennen, darf natürlich vorkommen. Nein, es ist Johnson, der Irrwege konstruiert, die die Erzähldynamik stören und die verantwortlichen Figuren dumm dastehen lassen, ohne später konsequente Schlüsse daraus zu ziehen.

Das führt im mit 152 Minuten Laufzeit bislang längsten aller «Star Wars»-Filme wiederholt zu Leerlauf und zu klassischen "Moment, wozu war das eben alles gut?"-Situationen, die rückwirkend auch sehr unterhaltsamen Sequenzen einen schalen Nachgeschmack verleihen. Nicht, dass alle Szenen rund um den Widerstand für die Katz wären. John Boyega punktet erneut als gutherziger, aber wankelmütiger Finn, dem mehr an seiner Außenwirkung als an seinem wahren Handeln gelegen ist – die "Tollpatsch, der arrogant spielt"-Nummer hat Boyega toll raus, und er darf Finn auch ein Stück weit weiterentwickeln.

Newcomerin Kelly Marie Tran weist neben ihm nicht nur komödiantisches Timing auf, sondern auch solides Geschick darin, muntere Filmmomente blitzschnell dramatisch zu erden. Und Oscar Isaac ist als hitzköpfiger Meisterpilot Poe Dameron weiterhin eine Wonne, selbst wenn er an einigen fahrigen Skriptszenen zu leiden hat. Dafür darf sich wieder der knuffig-kugelige Droide BB-8 durch einige urkomische Momente schlagen – und die Raumschiffschlachten, die Johnson abliefert, sind mit ruhiger Hand und Gespür fürs Dramatische inszeniert. Darüber hinaus führt uns der Widerstand-Plot auf zwei sehr originelle Planeten, die das «Star Wars»-Universum visuell bereichern. Trotzdem: Eine völlig verschenkte, dennoch viel Filmlaufzeit in Anspruch nehmende Laura Dern und die verknotete Erzählweise des eigentlich so simplen Plots "Gut und Böse liefern sich ein Wettrennen" rauben diesem Handlungsfaden viel Kurzweil und trüben die erzählerische Stimmigkeit des Gesamtwerks.

Die letzten Trainingsstunden


Alle «Star Wars»-Interessierten, die sich noch nicht vor Frust, Wut oder Enttäuschung von dieser Filmrezension verabschiedet haben, sondern geduldig Seite zwei angeklickt haben, werden nun für ihre Geduld entlohnt. Ähnlich, wie die Sequenzen mit der Protagonistin Rey eine Belohnung innerhalb von «Star Wars: Die letzten Jedi» darstellen. Denn hier schlägt das Herz des Films: Johnson kreiert ein inneres wie äußeres, wortwörtliches wie auch sprichwörtliches Machtgezerre rund um Rey. Und die dabei entstehende Anspannung innerhalb des «Star Wars»-Universums sowie innerhalb unserer Filmheldin ist genau die Kraft, die «Star Wars: Die letzten Jedi» seine Spannungskurve verleiht.

Daisy Ridley meistert mühelos die Aufgabe, eine junge, von dem Abenteuer, in das sie gestürzt wurde, ebenso überforderte wie faszinierte Frau zu spielen, die dringend Hilfe sucht – und die gleichzeitig zu stolz und welterfahren ist, um sich dabei rumschubsen zu lassen. Ridleys facettenreiches Minenspiel und vor allem ihre Fähigkeit, in einem Moment komplexe, unklare Gefühle auszudrücken und dann schlagartig zu einer glasklaren, überbordenden Emotion zu schwenken, beleben den Film und machen Rey zu einer der faszinierendsten Figuren im «Star Wars »-Pantheon. Mark Hamill gibt als Luke Skywalker eine gleichermaßen humorvolle, wie sensible Darbietung ab – und die sich stets zwischen Enttäuschung, Respekt und Unsicherheit reibende Dynamik zwischen Luke und Rey lässt Skywalker in einem neuen, der Figur trotzdem gerecht werdenden Licht dastehen. Und obwohl Johnson den Machtkonflikt rund um Rey auf wenige Handlungsorte beschränkt, erschafft der Regisseur im Laufe dessen erstaunliche Bilder – darunter die zweifelsohne "trippigste" Szene des «Star Wars»-Realfilmkanons.

«Star Wars» an den deutschen Kinokassen

  • «Krieg der Sterne»: 8,02 Mio. Ticketverkäufe
  • «Das Imperium schlägt zurück»: 5,05 Mio. Ticketverkäufe
  • «Die Rückkehr der Jedi-Ritter»: 5,05 Mio. Ticketverkäufe
  • «Die dunkle Bedrohung»: 8,97 Mio. Ticketverkäufe
  • «Angriff der Klonkrieger»: 5,70 Mio. Ticketverkäufe
  • «Die Rache der Sith»: 5,62 Mio. Ticketverkäufe
  • «Das Erwachen der Macht»: 9,02 Mio. Ticketverkäufe
  • «Rogue One»: 3,99 Mio. Ticketverkäufe
Auch Adam Driver darf als Kylo Ren eine innerlich zerrissene, mehrdimensionale Performance abgeben und für einige der größeren Überraschungsmomente im Film sorgen. Umso ärgerlicher, dass Drivers intensives Spiel und der zunächst mit solch minutiösen Doppeldeutigkeiten und Unklarheiten verfasste Plotfaden um den «Star Wars: Das Erwachen der Macht»-Schurken letztlich durch eine für diese Figur inkonsequente Storyführung untergraben werden. Aber im Franchisekino weiß man wohl nie, ob nicht etwas für ein Buch, einen Comic oder einen anderen Film aufgehoben wird …

Wenigstens werden sowohl Kylo Ren als auch Rey von Kameramann Steve Yedlin («Brothers Bloom» während ihrer Kampf- und Trainingsakrobatik in kraftvollen Kamerafahrten eingefangen und wie Cutter Bob Ducsay («Godzilla») mit dualer und gegensätzlicher Bildsymbolik arbeitet, hat großen Reiz. Dabei ist die Style-Komponente stellenweise nur die Kür des Ganzen – anders als beim fahrigen Widerstands-Subplot wissen im Hauptfaden von «Star Wars: Die letzten Jedi» sehr oft schlichte Gespräche Aufregung zu vermitteln. Das Geheimnis dessen dürfte Johnsons Balance aus akzentuierter Situationskomik, gesund dosiertem «Star Wars»-Pathos und bodenständiger Dramatik sein. Ärgerlich, dass Johnson dieses Gleichgewicht nicht den kompletten Film über durchziehen konnte – gelegentlich übt er sich in ärgstem visuellem und verbalem Kitsch, besonders gerne, wenn sich gerade ein Akt dem Ende entgegenneigt.

Die letzten Gedanken


Dass sich Snoke nach zwei Jahren heftigster Fanspekulationen als Andy Serkis' langweiligste und designtechnisch am wenigsten beeindruckende Motion-Capture-Rolle seiner bisherigen Karriere entpuppt, dürfte im großen Ganzen wohl unbedeutend sein, ist angesichts des Redebedarfs rund um Snoke wohl dennoch erwähnenswert. Und dass John Williams die neuen musikalischen Themen aus «Star Wars: Das Erwachen der Macht» routiniert-konsequent weiterentwickelt, mit älteren «Star Wars»-Themen verschränkt und vereinzelte, neue Melodien erschafft, stand eh zu erwarten. An der Effektfront präsentiert sich «Star Wars: Die letzten Jedi» beeindruckend und führt die von J.J. Abrams vorgelebte Vereinigung aus praktischen sowie digitalen Effekten nahtlos fort – nur beim Greenscreen ist Episode VIII unsteter als die siebte Episode, selbst wenn Lucasfilms neuste Produktion noch immer mit dem Chromakey aus «Thor – Tag der Entscheidung» oder «Justice League» den Boden aufwischt.

Ansonsten bleibt vor Kinostart wohl nur zu sagen, dass «Star Wars: Die letzten Jedi» eine visuell ansprechende, ambitionierte Fortführung der Saga ist, die sich bei einigen inhaltlichen Spiegelungen zwischen den einzelnen Plotfäden verheddert. Gerade der unstimmige B-Plot rund um den Widerstand hätte, manch launiger Momente zum Trotz, definitiv eine Drehbuchrevision gebraucht. Der zentrale Faden rund um Rey, die Macht, Kylo Ren und Luke Skywalker wartet indes mit starken Darbietungen sowie denkwürdigen Leinwandmomenten auf – selbst wenn Johnson im finalen Akt manches Potential verschenkt, weil er sich dann doch auf zügige, teils inkonsequente Lösungen stürzt, statt die Komplexität früherer Szenen fortzuführen.

Fazit: «Star Wars: Die letzten Jedi» treibt Mark Hamill, Adam Driver und Daisy Ridley zu gutem Performances an und beschert dem Multi-Milliarden-Franchise einige denkwürdige Augenblicke. Doch selbst der akzentuierte Humor des Films und die Bemühungen Rian Johnsons, eine dramatische Fallhöhe zu kreieren, können nicht von einer fahrigen Erzählweise, umständlich erteilten Lektionen und so manchem Leerlauf ablenken.

«Star Wars: Die letzten Jedi» ist ab dem 14. Dezember 2017 in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D.
12.12.2017 18:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/97714