Die Kritiker: «Der Polizist, der Mord und das Kind»

Leider bleibt der Film so generisch wie sein Titel – und verzettelt sich heillos in Nebensächlichkeiten, anstatt eine kohärente Narrative zu entwickeln.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Matthias Koeberlin als Carlos Benede
Joshio Marlon als Alexander (11 Jahre)
Vincent zur Linden als Alexander (17 Jahre)
Stefanie Stappenbeck als Valerie
Michael Wittenborn als Herr Jacobs
Barbara Auer als Rechtsanwältin Zech
Ilir Rexhepi als Veljko Mitrovic

Hinter der Kamera:
Produktion: Hager Moss Film
Drehbuch: Dorothee Schön
Regie: Johannes Fabrick
Kamera: Helmut Pirnat
Produzentin: Kirsten Hager
«Der Polizist, der Mord und das Kind» zeichnet schon im Titel vor, worum es gehen soll: um einen Polizisten, einen Mord und ein Kind. Nur leider wird es auch im Verlauf des Films nicht wesentlich konkreter. Wenn der Titel so generisch, so allgemein und damit unweigerlich so nichtssagend ist wie dieser, ist das oft ein schlechter Vorbote dafür, dass es dem Film an etwas besonders Wichtigem fehlt: nämlich an einer narrativen Essenz und an einer Klarheit, was für eine Geschichte erzählt werden soll.

Der elfjährige Alexander (Joshio Marlon) muss mitansehen, wie seine tote Mutter blutüberstömt und mit einem Messer in der Brust auf dem Küchenfußboden liegt. Sein cholerischer und stets gewaltbereiter Vater hatte sie im Streit abgestochen. Alexander wird nun vorerst bei einer entfernten Verwandten untergebracht, die zwar nett und freundlich ist, den ganzen Tag aber nichts anderes tut, als Wein zu trinken und den Wildecker Herzbuben zuzuhören. Eine enge Bindung kann der Junge jedoch zu Carlos Benede (Matthias Koeberlin) aufbauen, der sich als für seinen Fall zuständiger Polizist rührend um ihn kümmert. Auch wenn Alexander Wünsche hat, die ihn und die Justiz vor gewisse Herausforderungen stellen: Er will gegen seinen Vater aussagen und beim ganzen Prozess anwesend sein – auch dann, wenn die grauseligsten Details der Tat rekapituliert werden.

Benede ist ihm dabei eine Stütze und bleibt das auch lange nach dieser Zeit: Nachdem der Mörder abgeurteilt ist, zieht Alexander zu Carlos, der die Pflegschaft für den Jungen übernimmt, die schließlich in eine Adoption mündet. Die untypischen Lebens- und Familienverhältnisse ziehen sich schon durch Carlos‘ ganzes Leben: Seinen Vater hat er nie kennengelernt, seine Mutter ihn gleich nach der Geburt weggegeben. Aufgewachsen ist er bei Nonnen im Allgäu, wo er eine glückliche Kindheit verbracht hat.

Dieser Film erzählt im Grunde viele in sich geschlossene Geschichten: Alexander und der Prozess gegen seinen Vater, Alexander und seine Annäherung an seine wichtigste Bezugsperson Carlos und schließlich: die Fackelübergabe, als Alexander erwachsen ist und Carlos mit einem neuen Fall zu tun bekommt, der ähnlich gelagert ist. Doch «Der Polizist, der Mord und das Kind» gelingt es nicht, diese Geschichten sinnvoll miteinander zu einem großen Ganzen zu verweben. Denn dazu fehlt es an einem klaren Thema, beziehungsweise einem spezifischen Gedanken, den uns dieser Film vermitteln möchte.

Gleichzeitig driftet er ständig in allerhand Nebensächlichkeiten ab, die nichts Wesentliches zu dem diffus bleibenden Thema und der Geschichte beitragen können: Der Jugendpsychiater hat einen exzentrischen Hang zu fernöstlichem Tee, die entfernte Verwandte, zu der Alexander zunächst zieht, ein Alkoholproblem. Diese Elemente mögen dem Umstand geschuldet sein, dass dieser Film auf einer tatsächlichen Begebenheit basiert – doch hier hätte genauer sondiert werden müssen, was wirklich etwas zum Kern beiträgt. Stattdessen scheint jeder Justizbeamte seine Wants und Needs erfüllen zu müssen, ohne dass sie auch nur das Geringste zur Sache tun.

Am Schluss bleiben von diesem psychologisch oberflächlichen Stoff leider nur wenige berührende Momente. Schuld daran ist der fahrige Erzählduktus, der an Tiefgreifendem kaum Interesse zeigt. Die an sich komplexe Figur Alexander muss möglichst einfach sein und nahezu jedweder Komplexität als Figur entbehren. Als er Carlos‘ Partnerin nicht akzeptiert, darf nur kurz darüber schwadroniert werden, dass er nicht bereit sei, eine neue Mutterfigur zu akzeptieren, und als Carlos daraufhin konsequent die Beziehung beendet, darf diese Entscheidung nur als symbolhaftes Ereignis dafür gelesen werden, dass er für Alexander all seine eigenen Bedürfnisse hintenan stellt. Ein gutes Drehbuch, das seinen Figuren mit aufrichtigem Interesse begegnet wäre, hätte nicht nur klügere Ideen gehabt, sondern aus diesem Material auch wesentlich Vielsagenderes, Komplexeres konstruieren können. So bleibt jedoch nur eine halbgare Geschichte um einen Polizisten, einen Mord und ein Kind.

Das ZDF zeigt «Der Polizist, der Mord und das Kind» am Montag, den 11. Dezember um 20.15 Uhr.
08.12.2017 14:00 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/97576