Studiocanal – Ein Wirtschaftsporträt in drei Akten

Anlässlich des Kinostarts von «Paddington 2» porträtiert Quotenmeter.de die Produktions- und Vertriebsfirma Studiocanal, die mit einem Katalog von mehr als 5.000 Filmen über eines der größten Filmarchive der Branche verfügt.

Studiocanal: Die neue Heimat vom lieben Bären namens Paddington


Ende 2014 entwickelte sich eine Gemeinschaftsproduktion zwischen Studiocanal, Heyday Films und TF1 Films Production zu einem echten Überraschungshit: Obwohl die ersten Trailer zur warmherzigen Familienkomödie «Paddington» auf durchwachsene Resonanz stießen, wurde der fertige Film weltweit von Kritikern mit weit offenen Armen empfangen. Und nicht nur die schreibende Zunft verliebte sich in Paul Kings Adaption der beliebten Paddington-Geschichten des Schriftstellers Michael Bond. Weltweit generierte die rund 50 Millionen Dollar teure Produktion an den Kinokassen zirka 268 Millionen Dollar, außerdem wurde sie zu einem Volltreffer im Heimkinogeschäft. Vor allem in Deutschland rannte das Publikum Studiocanal die sprichwörtliche Bude ein:

Mehr als zwei Millionen verkaufte Kinoeintrittskarten katapultierten «Paddington» auf Rang neun der deutschen Jahrescharts 2014 – somit überholte die Familienkomödie unter anderem den gehypten Marvel-Spaß «Guardians of the Galaxy». Eine Fortsetzung war vor diesem Hintergrund alsbald beschlossene Sache, und während deren Skript Form annahm, schmiedete Studiocanal bereits größere Pläne: Im Juni 2016 erwarb das Unternehmen das Urheberrecht und sämtliche Trademarks, die mit dem gutmütigen Bären Paddington zusammenhängen – nur die Publikationsrechte für die Paddington-Bücher blieben beim Autoren, der sie kurz vor seinem Tod im Sommer 2017 für die Dauer von sechs Jahren an HarperCollins veräußerte.

Somit hat Studiocanal einen Geschäftszug getätigt, wie ihn in den vergangenen Jahren unter anderem Disney mit dem Erwerb des «Star Wars»-Universums und der Muppets häufig vollführte: Wann immer irgendwo auf der Welt ein Paddington-Spielzeug verkauft wird, verdient Studiocanal daran, und für den geplanten dritten «Paddington»-Film werden weder Lizenzgebühren fällig, noch werden ihm mühselige Verhandlungen mit Bonds Erben vorangehen. Studiocanal hat zudem explizit das Recht, Paddington für Freizeitparks oder Liveentertainment wie Theateraufführungen zu lizensieren. Eine «Paddington»-Fernsehserie ist ebenfalls geplant.

Studiocanals Mutterkonzern Vivendi gab bekannt, diese Geschäftsstrategie weiterverfolgen zu wollen und an weiteren europäischen, popkulturellen Ikonen interessiert zu sein.

Das Filmgeschäft und Studiocanal: Produktionsstätte und Verleih fremder Filme


Studios, deren Filmkatalog gegenwärtig von Studiocanal vertrieben wird (Auswahl)

  • Miramax Films (nur in Europa)
  • Carolco Pictures (u.a.: «Total Recall», «Die Piratenbraut», «Basic Instinct»)
  • De Laurentiis Entertainment Group (u.a.: «Blue Velvet», «Tanz der Teufel 2», «Rhea M – Es begann ohne Warnung»)
  • Embassy Pictures (u.a.: «Die Reifeprüfung», «Scanners», «Die Klapperschlange»)
  • Ealing Studios (u.a.: «Shaun of the Dead», «Das hält kein Jahr», «Notting Hill»)
  • EMI Films (u.a.: «Ehe mit Hintergedanken», «Tod auf dem Nil», «Ein Mann jagt sich selbst»)
  • London Films (u.a.: «Der dritte Mann», «Der Dieb von Bagdaf», «Feuer über England»)
Stand: 23. November 2017
Eine der wichtigsten Säulen von Studiocanal ist der Filmvertrieb von Produktionen kleinerer internationaler Studios, die keinen eigenen, globalen Vertriebsarm haben. So bringt Studiocanal seit Jahren die Filme des US-Mini-Majors Lionsgate sowie seines Tochterlabels Summit nach Deutschland. Durch diesen Deal sicherte sich Studiocanal dank der «Die Tribute von Panem»-Reihe in den Jahren 2013 bis 2015 einen Platz in den Top Ten der deutschen Kinocharts, Anfang 2017 wiederum winkte Studiocanal dieser Kooperation sei Dank mit «La La Land» ein waschechter, prestigeträchtiger Überraschungserfolg im Wert von rund 1,76 Millionen Kinogängern.

Darüber hinaus bringt Studiocanal seit einiger Zeit semiregulär große Filmklassiker in restaurierten Fassungen zurück ins Kino – darunter «Terminator 2 – Tag der Abrechnung» und «Die Reifeprüfung». Filmklassiker sind zudem dank des Heimkinos ein wichtiger Bestandteil des Studiocanal-Geschäfts, bringt der Verleih doch auch regulär Produktionen (erneut) auf DVD und Blu-ray heraus, deren Studios nicht mehr existieren oder die aus sonstigen Lizenzgründen ihre frühere Vertriebsheimat verloren haben – und auch die Lizensierung für VoD-Plattformen verantwortet Studiocanal. Unter anderem sind große Teile der Miramax-Filmbibliothek bei Studiocanal daheim, von Oscar-Gewinnern wie «Chicago» über zahlreiche Tarantino-Hits hin zu Dramödien wie «Garden State». Mit über 5.000 Titeln im Archiv wird Studiocanal quantitativ nur von den Hollywood-Urgesteinen Warner und MGM überboten.

Darüber hinaus verantwortet Studiocanal – wie weiter oben mit «Paddington» bereits angedeutet – eigene Produktionen. Zu den Erfolgen der jüngeren Vergangenheit zählen unter anderem «Shaun das Schaf – Der Film» (erhält 2019 eine Fortsetzung), der Liam-Neeson-Actioner «Non-Stop», die Realverfilmung «Heidi», die Dramödie «Mein Blind Date mit dem Leben» sowie «Bridget Jones' Baby».

Ins TV-Geschäft involviert – Beteiligungen sei Dank


Studiocanal: Die größten Kino-Hits der vergangenen fünf Jahre

  1. «Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 2» (4,07 Mio. Ticketverkäufe)
  2. «Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 1» (4,02 Mio. Ticketverkäufe)
  3. «Die Tribute von Panem - Catching Fire» (3,75 Mio. Ticketverkäufe)
  4. «Die Tribute von Panem – Hunger Games» (2,14 Mio. Ticketverkäufe)
  5. «Paddington» (2,05 Mio. Ticketverkäufe)
  6. «Shaun das Schaf – Der Film» (1,87 Mio. Ticketverkäufe)
Studiocanal wagte im Januar 2012 den Schritt ins Fernsehgeschäft: Das Unternehmen wurde zum Mehrheitsaktionär an der in München residierenden TV-Produktionsschmiede Tandem Communications, im Dezember 2013 folgt ein weiterer Schritt, der Studiocanal eine feste Position im TV-Business erlauben sollte. Studiocanal erwarb eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der RED Production Company, einer bis dahin unabhängigen britischen Produktionsfirma.

Tandem Communications wurde schon 1999 gegründet – von den früheren ProSieben-Mitarbeitern Rola Bauer und Tim Halkin, die ihre TV-Schmiede noch heute leiten. Im Jahr der Studiocanal-Übernahme folgte mit dem Ken-Follett-Mehrteiler «Die Tore der Welt» ein Achtungserfolg, weitere Projekte aus dem Hause sind «Crossing Lines» sowie die Dramaserie «Spotless». Durch die Red Production Company wiederum verantwortete Studiocanal unter anderem den queeren Serien-Kritikerliebling «Cucumber» und das serielle Entführungsdrama «Happy Valley».

Eine potentiell richtig große Sache steht für Studiocanals Serienarm allerdings noch bevor: Unter dem Titel «Take Two» entsteht eine Krimiserie mit Rachel Bilson in der Hauptrolle – das von den «Castle»-Machern erdachte Format wird in Deutschland bei VOX und in den USA bei ABC zu sehen sein. Zudem hat Tandem Communications einen First-Look-Deal mit Big Light Productions, der Firma des «Akte X»-Produzenten Frank Spotnitz.
24.11.2017 13:39 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/97306