«Das Nebelhaus»-Macherin Kerstin Nommsen: ‚Die Hauptfigur bietet Raum für mehr‘

Am Dienstag zeigt Sat.1 einen Thriller mit Felicitas Woll, der auf einem erfolgreichen Eric-Berg-Roman basiert. Kerstin Nommsen (Wiedemann & Berg) hat ihn umgesetzt. Sie spricht im Exklusiv-Interview über die Faszination des Nordens, die besondere Location und die Möglichkeit, mehr von Eric Berg ins Fernsehen zu bringen. Sie spricht im Exklusiv-Interview über die Faszination des Nordens, die besondere Location und die Möglichkeit, mehr von Eric Berg ins Fernsehen zu bringen.

Zur Person: Kerstin Nommsen

Kerstin Nommsen feiert 10-Jähirges bei Wiedemann & Berg. Sie hat Ende der 90er Produktion und Medienwirtschaft in München studiert, war danach freie Redakteurin in der Spielfilmabteilung der Kirch-Gruppe sowie tätig für Diana Film und typhoon films. Produziert hat sie unter anderem Filme wie «Zweibettzimmer», «In einem wilden Land» oder «Der Kaktus».
«Das Nebelhaus» ist im Norden Deutschlands verortet, da wo zuletzt auch schon der «Usedom»-Krimi spielt und auch Reihen wie «Friesland», «Nord Nord Mord» und viele weitere gedreht werden. Was fasziniert den Zuschauer so am Norden unseres Landes?
«Das Nebelhaus» basiert auf einer sehr erfolgreichen Romanvorlage und das Buch spielt auf Hiddensee. Wir haben die Location aufgegriffen - ich kann daher nur vermuten, was die große Faszination des Nordens letztlich ist. Ich selbst assoziiere das Meer immer mit Ruhe und Entspannung, aber das ist es nicht allein. Die Landschaft ist in ihrer Wirkung sehr wandelbar. Nehmen Sie nur den Unterschied, den die verschiedenen Jahreszeiten mit sich bringen. Speziell im Herbst und Winter kann man den Norden sehr gut mystisch und düster zeigen. Das ist wirklich faszinierend und kam uns für das Genre natürlich entgegen.

Felicitas Woll spielt die Hauptfigur in dem Film: Eine Journalistin namens Doro…
Doro arbeitet bei einer Berliner Tageszeitung und hat eigentlich nichts mit Polizei- oder Ermittlungsarbeit zu tun. Sie kommt über einen persönlichen Bezug zum Fall, weil sie mit der jungen und des Mordes beschuldigten Frau, die nun im Koma liegt, gemeinsam zur Schule gegangen ist.

Die Frau liegt im Koma, einzig ihre Mutter glaubt an Ihre Unschuld. Mutter und Koma-Patientin sind ganz wichtige Anker dieser Geschichte…
Das ist richtig. Die Geschichte der Tochter erzählen wir auf der zweiten Handlungsebene des Films. Darin liegt die Besonderheit des Romans und der Verfilmung, beide erzählen auf zwei Ebenen. Wichtig war uns, dass wir beide Ebenen schlüssig und emotional berührend darstellen. In der Vergangenheitsebene erfahren wir, was damals in der "Blutnacht" wirklich passiert ist. In der Gegenwart begleiten wir Doro bei ihren Recherchen, durch die sie in Gefahr gerät. Es gibt dann einen filmisch sehr starken Moment, in dem Gegenwart und Vergangenheit direkt aufeinander treffen und sich die Zeitebenen für den Zuschauer überschneiden. Das so zu kreieren und zu inszenieren war eine Entscheidung unserer Regisseurin Claudia Garde – und es ist toll geworden.

Zunächst einmal fällt auch auf, dass nicht eine Kommissarin, sondern eine Reporterin im Mittelpunkt steht. Ein durchaus ungewöhnlicher Ansatz, der vielleicht bei dem ein oder anderen TV-Redakteur in der Film-Redaktion für Sorgenfalten gesorgt hätte?
Das sehe ich eher als Alleinstellungsmerkmal. Es wird viel ermittelt im deutschen Fernsehen - schon seit Jahrzehnten ist die Beliebtheit von Krimis ungebrochen. Wir zeigen jetzt mal keine Polizistin, die ihrem klar definierten Job nachgeht, sondern eine Journalistin, die andere und viel persönlichere Beweggründe hat, aufzudecken, was damals passiert ist. «Das Nebelhaus» ist kein Krimi, sondern ein Thriller mit einem sehr emotionalen Ansatz. Darin liegt für mich die Besonderheit.

Sie haben die Vielzahl an Krimis ja schon angesprochen. Im Ersten donnerstags, im Zweiten samstags, im Ersten sonntags – bei ZDFneo fast jeden Tag. Was macht man anders, wenn man einen 90-Minüter für einen Privatsender herstellt?
Vor «Das Nebelhaus» hätte ich Ihnen diese Frage nicht so klar beantworten können, wir haben das gemeinsam mit den Senderverantwortlichen und Kreativen in der Vorbereitung herausgearbeitet.

Der Roman von Eric Berg bringt die Struktur der zwei gleichberechtigten Zeitebenen mit und unterscheidet sich damit von bewährten Formaten. Und da Doro Kagel eben keine Polizistin ist, müssen wir die Polizeiarbeit nicht en Detail zeigen. Wir haben dadurch Raum für mehr Erzählzeit für die Figuren - und natürlich für den Spannungsaufbau, den wir gerne auskosten.
Besonders wichtig war uns auch, dass wir keinen reinen Alltagsrealismus zeigen. In Bildsprache, Motiven, Ausstattung, Schnitt und Musik arbeiten wir deshalb mit einer leichten Überhöhung, die sehr gut zu Sat.1 passt.

Sie sprechen es an, das „Nebelhaus“, das ja eine besondere Kulisse für diesen Film ist.
Danach haben wir lange gesucht, denn als Haupmotiv kommt ihm eine besondere Bedeutung zu – das Haus ist die Bühne für den Film. Mit der alten Wehrmühle haben wir einen Glücksgriff getan, der Besitzer hat das Haus aufwendig umgebaut und es hat wirklich zwei Seiten. Hinten historisch, vorne modern, das gibt dem Motiv etwas Irritierendes und gleichzeitig sehr Besonderes.

Einige Schauspieler haben in PR-Interviews gesagt, dass die Szenen wirklich bleibende Eindrücke hinterlassen hätten, die man nach Drehschluss so schnell nicht los wurde. Ging Ihnen das ähnlich?
Auf andere Art, aber ja. Obwohl ich den Film während der Post-Produktion mehrfach ganz und auch in einzelnen Sequenzen gesehen hatte – das hat ja etwas sehr technisches - war ich beim abschließenden Screening wieder absolut gepackt vom Film. Besonders der Showdown, in dem sich das gesamte Geschehen final entschlüsselt ist, emotional aufrüttelnd und hat mich mitgenommen.

Der Film beruht auf einem Roman von Eric Berg. Der aber hat keine weiteren Geschichten rund um die Journalistin Doro geschrieben. Sat.1 spricht dennoch von einer neuen Reihen-Figur. Sehen wir Doro also wieder?
Es stimmt: Es gibt mit ihr keine weiteren Bücher. Aber mit «Das Nebelhaus» hat der Autor schon sehr viele Impulse gegeben. Ihre Hauptfigur bietet Raum für mehr. Ob und wie wir das umsetzen, wird sich zeigen. Jetzt ist erst einmal wichtig, dass sich der Zuschauer ebenso für Doro begeistern kann, wie wir.

Herr Berg hat aber noch weitere Bücher, etwa «Die Schattenbucht» oder «Das Küstengrab». Eignen sich die auch für Fernsehfilme?
Man muss jeden Roman als Einzelfall betrachten, «Das Nebelhaus» war für Sat.1 perfekt. «Das Küstengrab» spielt allerdings auf 3-Handlungs-Ebenen. Eine solche Dramaturgie packend in einem 90-Minüter zu erzählen, ist sehr ambitioniert. Kategorisch ausschließen will ich es aber nicht.

Danke für das Gespräch.
28.11.2017 10:49 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/97303