Wo bleibt eigentlich «German Crime Story»?

Das deutsche TV-Publikum liebt Krimis – wieso also sich nicht am US-Prestigeformat «American Crime Story» orientieren und in einer Anthologieserie Staffel für Staffel aufregende, wahre Fälle dramatisch nacherzählen? Stoff genug gibt es.

Die Bahn und ihre Technik von 1890
Am 9. Februar 2016 ereignete sich der Eisenbahnunfall von Bad Aibling: Zwei Regionalzüge fuhren mit ihrer zulässigen Höchstgeschwindigkeit aufeinander. Bei dem Unfall starben – zum Glück – "nur" zwölf Studenten, denn dadurch, dass Karnevalsdienstag war, hatten Schüler und viele Angestellte frei, die sonst den Zug genommen hätten.

Bei der Unfallaufklärung und dem Gerichtsverfahren gegen den zu dieser Zeit zuständigen Fahrdienstleister sind Umstände offenbart worden, die für viele aus der Gesellschaft nicht tragbar waren. Zum einen spielte der Angestellte der Deutschen Bahn an einem Smartphone ein Spiel, zum anderen musste er mit einer Technik arbeiten, die aus dem viktorianischen Zeitalter stammt. Über 120 Jahre sind die Gleisanlagen alt, die der Fahrdienstleister betätigen musste.

Ein weiterer Hintergrund des Unglücks: Auf kaum einer Strecke ist es möglich, dass Züge aufeinander auffahren – nur in Bahnhöfen ist dies machbar. Es gibt nämlich gewisse Mechanismen an den Gleisanlagen, die einen Auffahrunfall verhindern. Nicht so in Bad Aibling, wo die Strecke nur eingleisig ist, weshalb ein Zuständiger jedes Mal diese Sicherheitstechnik auf Anweisung aushebeln muss.

Ende 2016 wurde der Fahrdienstleiter zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. Eine Kriminal-Dramaserie könnte die Verantwortung des Fahrdienstleiters gegen den der Verantwortlichen aufwiegen, die eine Modernisierung seiner Strecke verhinderten.

Das Horrorhaus in Höxter
Dieser dramatische Fall wurde erstmals am 27. April 2016 publik, nachdem eine 41-jährige Frau an schwerer Misshandlung verstarb. Seit Herbst 2016 wird der Fall vor dem Landgericht Paderborn verhandelt, bis heute gibt es noch keinen klar bezeugten Täter. Im Fokus der Öffentlichkeit steht jedoch das Paar Wilfried W. und seine langjährige Lebensgefährtin sowie Ex-Frau Angelika W.

Die Aufgabe der Justiz, so scheint es, liegt darin, herauszufinden, ob beide gemeinsam schuldig sind oder nur einer von ihnen die hauptsächliche Verantwortung hinter den Taten trägt. Denn beide mutmaßlichen Täter beschuldigen sich gegenseitig: Wilfried W. sei von seiner Ex-Frau zu den Taten gezwungen worden, Angelika W. behauptet allerdings, dass sie nur auf seine Befehle hörte. Die zwei haben unter anderem die 41-Jährige so lange geschlagen und gequält, bis sie kurz vor dem Tod stand. Bei einer Autofahrt nach Bad Gandersheim, dem ehemaligen Wohnort des Opfers, blieb das Auto aufgrund eines Motorschadens liegen und das Paar wurde inklusive Opfer, das wenig später im Krankenhaus verstarb, entdeckt.

Auch Annika W. gehörte zu den Opfern des Paares. Sie heiratet Wilfried W., nachdem sie ihn über eine Kontaktanzeige kennen lernte. Bei einem Sturz verunglückte Annika tödlich, sodass sie zunächst eingefroren und dann verbrannt wurde. Auch eine Frau aus dem Großraum Berlin gehörte zu ihren Opfern, kam allerdings mit dem Leben davon.

Germanwings 4U9525
Mit etwas Abstand zur schrecklichen Tragödie ließe sich ein tiefgreifendes Drama aus dem Absturz von Germanwings 4U9525 formen: Der Linienflug von Barcelona nach Düsseldorf zerschellte im Süden Frankreichs und kostete 150 Passagieren das Leben. Der Copilot steuerte das Flugzeug gezielt ins Verderben, um so Suizid zu begehen. Mit viel Feingefühl ließe sich aus dem Davor und Danach eine komplexe Geschichte über die Sicherheitsfallstricke erzählen, die zu diesem Entschluss sowie dazu führten, dass der Pilot aus dem Cockpit ausgeschlossen wurde, und wie im Anschluss an das Unglück die Öffentlichkeit über den Vorfall diskutierte, wie es den Angehörigen des Verantwortlichen sowie den Opfern erging und wie ratlos die meisten Menschen noch immer sind, wenn es darum geht, Menschen mit Depressionen zu verstehen.

Die Entführung der Schlecker-Kinder
1987 wurden Lars und Meike Schlecker im Alter von 16 und 14 Jahren von einer dreiköpfigen Bande entführt, die 9,6 Millionen D-Mark Lösegeld erpressen wollten. Die Entführung dauerte zwar nur einen Tag, doch umso mehr bietet sich der Fall für eine serielle Aufbereitung an, die sich den Genrekonventionen verweigert: Nur eine Episode widmet sich dem eigentlichen Vorfall, der Rest der jahrelangen Suche nach den Geiselnehmern, während parallel dazu von deren weiteren Taten erzählt wird.

 Geiselnahme von Gladbeck 1988
Am 16. August 1988 überfielen Dieter Degowski und Hans-Jürgen Rösner eine Filiale der Deutschen Bank und nehmen mehrere Geiseln. Es entbrannte eine zweitägige Flucht durch Deutschland und die Niederlande, bei der eine 15-Jährige Geisel erschossen wurde, zudem verunglückte bei der Fluchtfahrt der Täter ein Polizist tödlich. Am 18. August endete die Geiselnahme auf der Autobahn 3 bei Bad Honnef mittels einer martialischen und daher kontrovers besprochenen Polizeiaktion – im Schusswechsel starb eine zweite Geisel, wobei bis heute debattiert wird, ob einer der Geiselnehmer den tödlichen Schuss abfeuerte – wie es die offiziellen Behördenangaben behaupten – oder ob sie durch einen Fehlschuss der Polizei getötet wurde, was die Behörden anschließend vertuschen wollten. Nicht nur das Polizeiverhalten wurde medial intensiv analysiert, sondern auch die grenzüberschreitende Arbeit mehrerer Journalisten, die im Fluchtfahrzeug mitfuhren und die Polizeiarbeit behinderten. Stoff genug, um dieselben Ereignisse innerhalb einer Staffel drei Mal mit verschobenen Perspektiven zu erzählen: Aus Sicht der Täter, der Polizei und der Journalisten.

Und jetzt ist unsere Leserschaft gefragt: Habt ihr Besetzungsideen für unsere Vorschläge? Welche Fälle würdet ihr gerne dramatisch bearbeitet sehen?
04.11.2017 13:51 Uhr  •  Sidney Schering und Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/96848