«Tatort: Fürchte Dich» oder: Der Horrorfilm in all seinen Facetten

Am Halloween-Wochenende haut das Frankfurter «Tatort»-Team mal wieder so richtig einen raus. Zur Primetime gibt es furchterregendes Horrorkino in Reinkultur - und einen paranormalen Fall für die Ermittler.

Cast & Crew

  • Regie: Andy Fetscher
  • Buch: Andy Fetscher und Christian Mackrodt
  • Darsteller: Margarita Broich, Wolfram Koch, Zazie de Paris, Luise Befort, Axel Werner, Marko Dyrlich, Hans Uwe Bauer, Bruno Cathomas, Isaak Dentler
  • Kamera: Benjamin Dernbecker
  • Schnitt: Stefan Blau
  • Musik: Steven Schwalbe, Tobias Wagner
Ein alter Mann (Axel Werner) nähert sich, nur mit einem weißen Nachthemd bekleidet, nachts dem Haus von Fanny (Zazie de Paris) und Brix (Wolfram Koch). Dort erleidet er einen Schwächeanfall, nachdem er vergeblich versucht hat, das Haus in Brand zu setzen. Dem zu Hilfe geeilten Brix erzählt er kryptische Dinge, wobei er auf ein Dachfenster starrt. Brix folgt dem Blick und findet dort unter den Holzdielen ein Kinderskelett. Er ruft Anna Janneke (Margarita Broich) an und bittet sie, auf die völlig aufgelöste Fanny aufzupassen. Während er sich auf den Weg macht, das Geheimnis des toten Kindes aufzuklären, passieren Dinge im Haus, die sich auf natürliche Art nicht mehr erklären lassen.

Brix trifft im Lauf seiner Ermittlungen auf Merle (Luise Befort), die Enkelin des alten Mannes, die ihm künftig nicht mehr von der Seite weicht. Nach und nach decken sie die finstere Vergangenheit des Hauses auf. Während Merle mit aller Macht versucht, dorthin zu gelangen, versucht Janneke verzweifelt, Brix davon abzuhalten, das Mädchen in das Haus zu bringen …

Der «Tatort» aus Hessen hat in den vergangenen Jahren einige der bestbesprochenen der jüngeren Franchise-Geschichte überhaupt hervorgebracht. Vor allem für die Experimentierfreude mit diversen Genres durfte sich der Hessische Rundfunk auf die Schulter klopfen; so brachte er unter Anderem den Italo-Western «Im Schmerz geboren», die überdrehte Meta-Farce «Wer bin ich?» und die «Sieben»-Reminiszenz «Die Geschichte vom bösen Friederich» hervor. Mit dem (vorläufigen) Wegfall von Hauptkommissar Murot ist das Spiel mit der krimiaffinen Erwartungshaltung allerdings noch lange nicht zu Ende. Regisseur Andy Fetscher («Urban Explorer») liefert mit seiner ersten Arbeit für die Krimi-Reihe nämlich einen astreinen Horrorfilm ab und zollt einer ganzen Reihe bekannter Genre-Vertreter seinen Tribut. Ob auf der bedrohlichen Tonspur («It Follows» lässt grüßen), oder im Zusammenhang mit markanten Jump-Scares und Motiven von Klassikern wie «Conjuring» oder «Saw» - Fetscher und sein Drehbuchautor Christian Mackrodt («Arne Dahl») zitieren den Horrorfilmen sowohl auf der inszenatorischen, als auch auf der erzählerischen Ebene rauf und runter. Das wird nicht jedem gefallen, denn nicht jeder kann mit dem Filmsegment des Geister- und Gruselfilms etwas anfangen. Doch einmal mehr verdient der Hessen-«Tatort» viel Respekt dafür, dieses Projekt so zur besten Sendezeit durchzuziehen.

Man bräuchte nur den prägnanten «Tatort»-Vorspann weglassen und schon könnte man «Tatort: Fürchte dich» (dessen Name übrigens für alle Beteiligten vor und hinter der Kamera Programm ist) astrein als "das deutsche Horrorprojekt des Jahres" in die Kinos bringen. Der nach einer schaurig-schönen Eröffnungssequenz in fetten, knallroten Lettern eingeblendete Filmtitel gibt die Marschrichtung vor: Hier wird es in den kommenden 90 Minuten einen Spur derber zugehen, als in den sonst so um Authentizität bemühten Whodunit-Krimis der deutschlandweiten Kollegen. Das ist zwar gewöhnungsbedürftig - zumal die Macher ihre Vision so konsequent verfolgen, dass sie gewisse übernatürliche Details bis zuletzt als "gegeben" im Raum stehen lassen und nicht etwa aufklären; mit dem das Geschehen eröffnenden und abschließenden Off-Kommentar von Kommissarin Janneke, die selbst beteuert, all das nicht glauben zu können, findet «Tatort: Fürchte dich» aber immerhin seine Verwurzelung in der Realität. Auf Diesen Krimivertreter muss man sich schlicht und ergreifend einlassen.

Das aufgefahrene Potpourri an Jumpscares und Gruseleffekten besteht zwar zu größten Teilen aus altbewährten Mitteln wie plötzlich auftauchenden Fratzen oder dem unheilvollen Anschwellen der Musik. Doch anders als bei einem bewussten Besuch eines Horrorfilms, wirken diese Mechanismen hier um Einiges effektiver; man kann sich schlicht kaum vorstellen, dass die Verantwortlichen hier tatsächlich im Rahmen eines «Tatorts» einen waschechten Horrorfilm präsentieren - und so dürfte sich manch einer doch hier mal wieder gewaltig erschrecken, während er im Kino meint, schon längst alles gesehen zu haben. Da gerät die eigentliche Handlung fast zur Nebensache, die die vielen Schauermomente durch ihre Konzentration auf einen Zeitraum von gerade einmal 24 Stunden und aufgrund der allesamt starken Darsteller (vor allem Zazie de Paris gibt eine angsteinflößende Performance zum Besten) jedoch solide beisammen hält.

«Tatort: Fürchte dich» ist am Sonntag, den 29. Oktober um 20:15 Uhr im Ersten zu sehen.
26.10.2017 10:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/96691