Oh «mother!»: Sind dies die schlechtesten Filme aller Zeiten?

Keine Versetzung für diese Filme: Ein US-Marktforschungsunternehmen bittet seit Jahrzehnten das zahlende Publikum darum, Schulnoten an neue Kinostarts zu vergeben. Nur 19 Filme erhielten mit einem F die Tiefstnote …

CinemaScore für Anfänger: So geht's!

CinemaScore befragt am Starttag das zahlende Kinopublikum in Nordamerika nach seiner Meinung zu aktuellen Kinofilmen. Aus einem Pool von insgesamt 25 Großstädten werden wöchentlich fünf Städte zufällig ausgewählt. Dort erhalten die Besucherinnen und Besucher neu angelaufener Produktionen Fragebögen, auf denen sie Filme nach dem US-Schulnoten bewerten können. Zudem werden sie nach den Gründen befragt, weshalb sie ihren Film ausgesucht haben, und ob sie ihn auf DVD oder Blu-ray erneut schauen würden. Im Schnitt werden pro Film 400 solcher Karten ausgefüllt. CinemaScore errechnet die Durchschnittsnote (auf einer nicht näher erläuterten, geeichten Skala) und teilt diese via Branchenportale, ihrer eigenen Webseite und Social Media mit.
«Das Auge - Eye of the Beholder» (1999)
Sitzengeblieben in (fast) allen Belangen: 20 Jahre nach seiner Gründung konnte das US-Filmmarktforschungsunternehmen CinemaScore auf Basis seiner Publikumsbefragungen erstmals ein "F" verteilen: Die Romanadaption mit Ashley Judd und Ewan McGregor über einen Privatdetektiv, der einer Männermörderin auf der Spur ist und sich von ihr an seine verstorbene Tochter erinnert fühlt, fiel auch bei der US-Presse durch. Zudem nahm er (trotz wohlwollender Kritik in Europa) weltweit an den Kinokassen nur rund die Hälfte seines Budgets ein.

«Dr. T and the Women» (2000)
Auch ein Altmeister wie «M*A*S*H»-Regisseur Robert Altman greift mal daneben: Die Romantikkomödie «Dr. T and the Women» mit Richard Gere, Helen Hunt, Tara Reid und Kate Hudson über einen beliebten Frauenarzt, dessen Gattin den Verstand verliert, holte zwar durchwachsene Kritiken, das zahlende US-Publikum konnte der Produktion allerdings überhaupt nichts abgewinnen. In Deutschland war der Film mit etwas mehr als 165.000 gelösten Tickets übrigens kein wirtschaftlicher Erfolg.

«Lost Souls – Verlorene Seelen» (2000)
Janusz Kamiński gehört zu den meistgeachtesten Kameramännern Hollywoods. Unter anderem filmte der zweifache Oscar-Gewinner «Schindlers Liste», «Der Soldat James Ryan» und «Schmetterling und Taucherglocke». Seine Ambitionen als Regisseur gab er indes relativ kurz nach seinem Debüt «Lost Souls» wieder auf. Neben dem "F" des US-Publikums winkten dem Horrorfilm gallige Kritiken, die neben der flachen Handlung, dem haarstäubenden Ende sowie dem schalen Schauspiel von Winona Ryder auch die "inkompetetne" Regieführung bemängelten – die Lichtsetzung fand allerdings gelegentlichen Respekt.

«Lucky Numbers» (2000)
Frei nach einer wahren Begebenheit erzählt diese Komödie von Nora Ephron («e-m@il für Dich») mit John Travolta und Lisa Kudrow die Geschichte eines Wetterfroschs, der gemeinsam mit einer Bekannten die Staatslotterie betrügt. Viele Kritiker attestierten der Komödie einen mangelnden Drive – das zahlende Publikum scheint zuzustimmen. In Deutschland wurden nur rund 23.000 Tickets verkauft, in den USA spielte «Lucky Numbers» nicht einmal ein Sechstel seines Budgets ein.

«Darkness» (2002)
Der Horrorfilm mit Anna Paquin und Lena Olin wurde von der US-Presse als vollkommen zusammenhangslos beschrieben: Szenen würden keinen Sinn ergeben, die Performances seien schwach, die Dialoge unfreiwillig komisch. Dennoch wurden die Kosten von 10,6 Millionen Dollar locker eingespielt: In den USA wurden 22,2 Millionn Dollar eingespielt, weltweit insgesamt 34,4 Millionen Dollar.

«FearDotCom» (2002)
Eine Webseite, die Menschen tötet? Ein New Yorker Cop versucht, diesem seltsamen Fall nachzugehen – und stolpert so in eine 40-Millionen-Dollar-Produktion, die weltweit nicht einmal die Hälfte ihres Budgets wieder eingespielt hat. Die US-Presse kritisierte den Film als sinnlosen, extrem derben, aber nervigen «Ring»-Abklatsch, in Deutschland dürfte er als kuriose Fußnote in der schauspielerischen Vita von Matthias Schweighöfer und Anna Thalbach eingehen.

«Solaris» (2002)
«Out of Sight»- und «Ocean's Eleven»-Regisseur Steven Soderbergh arbeitete bei diesem von James Cameron produzierten Science-Fiction-Drama erneut mit George Clooney zusammen und adaptierte Stanislaw Lems geachteten Roman, der 1972 bereits als Grundlage eines einflussreichen sowjetischen Films diente. Während die professionelle Kritik verhalten-positiv war (manche kritisierten die Unterschiede zum Film von 1972, andere feierten den Film als smarte, nachdenkliche Erzählung), fiel die Publikumsreaktion desaströs aus, da der Film nicht dem glich, was das Marketing versprach.

«In the Cut» (2003)
Der wendungsreiche Erotikthriller mit Meg Ryan, Mark Ruffalo und Jennifer Jason Leigh holte in Europa zumeist durchwachsen-postive Kritiken, in den USA dagegen gab es nur eine kleine Handvoll an Befürwortern des visuell ambitionierten Films. Trotz dessen und der miesen US-Publikumsreaktion konnte der von Oscar-Gewinnerin Jane Campion («Das Piano») inszenierte Film rund das Doppelte seines 12-Millionen-Dollar-Budgets einfahren.

«Alone in the Dark» (2005)
«Alone in the Dark» ist eine von Uwe Bolls diversen Videospieladaptionen und dient oft als Paradebeispiel für Bolls Schaffen: Sinnlose Dialoge, eine inkohärente Handlung, miese Effekte und unengagierte Schauspielleistungen sowie eine nahezu amateurhafte Kameraführung. Das Budget betrug dennoch 20 Millionen Dollar – an den Kinokassen kamen derweil nur 10,4 Millionen Dollar zusammen.

Auswahl der CinemaScore-Publikumslieblinge: Für diese Filme gab es die Bestnote

  • «Aladdin»
  • «Auf der Flucht»
  • «Der Club der toten Dichter»
  • «Der König der Löwen»
  • «Der mit dem Wolf tanzt»
  • «Forrest Gump»
  • «Gegen jede Regel»
  • «Harry Potter und die Kammer des Schreckens»
  • «Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen»
  • «Oben»
  • «Rapunzel – Neu verföhnt»
  • «Schindlers Liste»
  • «Terminator 2 – Tag der Abrechnung»
  • «Titanic»
  • «The Help»
  • «The King's Speech»
«Wolf Creek» (2005)
Der australische Indie-Horror «Wolf Creek» ist ein komplizierter Fall: Die Horror-Fachpresse war weitestgehend von dem Film angetan, feierte etwa seine stylisch-naturalistische Ästhetik und die raue Gewaltdarstellung. Die Mainstreampresse wiederum war ob der gemächlichen Erzählung und der drastischen Gewaltspitzen zwiegespalten. Weshalb das US-Publikum «Wolf Creek» so abgestraft hat? Darüber lässt sich nur mutmaßen. Die Trailer suggerierten einen klassischen Horrorfilm, während «Wolf Creek» weitestgehend die für morbides Amusement sorgende erzählerische Distanz missen lässt und das Leid der Opfer unmittelbar zeigt – vielleicht sorgte diese Publikumstäuschung für strenge Noten ...

«Bug» (2006)
Und noch ein Horrorfilm ... oder auch nicht: Die deutsch-amerikanische Koproduktion adaptiert ein gleichnamiges Theaterstück und zeigt Ashley Judd als Frau, die in einem Motel einen paraniden Mann (Michael Shannon) kennenlernt. «Der Exorzist»-Regisseur William Friedkin erachtet «Bug» als tiefschwarze Komödie mit romantisch-schaurig-abenteuerlich-melodramatischen Zügen, doch das Marketing verkaufte die klaustrophobische Erzählung als klassischen Horrorfilm.

«The Wicker Man» (2006)
Die Neuauflage eines Kult-Indie-Thrillers wurde zum Gespött des Internets – unter anderem aufgrund von Nicolas Cages maßlos übertreibender Performance, sinnloser Dialoge und einem dramatischen Mangel an Spannungsmomenten. Neben Web-Häme und grauenvollen Kritiken winkte auch die Tiefstnote bei CinemaScore.

«Ich weiß, wer mich getötet hat» (2007)
Mehr noch als Nicolas Cage hat Mitte der 2000er Lindsay Lohan einen Karriereknick durchgemacht. Den Tiefstpunkt in Sachen medialer Aufmerksamkeit erlebte sie mit diesem Psychothriller über einen Zwilling, der von einem sadistischen Killer entführt wird. Die 12-Millionen-Dollar-Produktion nahm weltweit 9,7 Millionen Dollar an den Kinokassen ein und wurde für neun Goldene Himbeeren nominiert. Von diesem Antipreis gingen letztlich acht Stück an den von Kritikern verrissenen Thriller.

«Desaster Movie» (2008)
Das Autoren- und Regie-Duo Jason Friedberg und Aaron Seltzer gehörte zum Autorenteam von «Scary Movie» und machte sich 2006 mit der RomCom-Parodie «Date Movie» erstmals einen eigenen Namen. Bereits diese Produktion wurde von der Kritik verrissen, ein Jahr später folgte «Fantastic Movie», 2008 kam es zum Doppelschlag mit «Meine Frau, die Spartaner und ich» und «Desaster Movie». Jeder einzelne dieser Filme kam bei der Kritik schlechter an als der jeweils vorherige – und mit «Desaster Movie» brach dem Duo auch ein Großteil des zahlenden Publikums weg. Da war der Name Programm ...

«The Box – Du bist das Experiment» (2009)
«Donnie Darko»-Regisseur und -Autor Richard Kelly legte fünf Jahre nach seinem gefeierten Langfilmdebüt eine Bauchlandung hin: Seine Dystopie «Southland Tales» kam bei der Presse mies weg und fand sonst kaum Beachtung. 2009 sollte der Mysteryfilm «The Box» sein Comeback markieren – stattdessen stieß der Film mit Cameron Diaz, James Marsden und Frank Langella weitestgehend auf irritierte Kritiker und ein offensichtlich sehr verärgertes US-Publikum. Seither hat Kelly keinen Film mehr in die Kinos gebracht.

«Silent House» (2012)
Das von Chris Kentis und Laura Lau inszenierte Remake eines gleichnamigen Horrorfilms aus Uruguay spaltete die Filmpresse: In Echtzeit gefilmt und mit Elizabeth Olsen in einer starken Rolle versehen, fand der sich in einer ausführlichen Plansequenz abspielende Indie einige euphorische Befürworter, während andere Kritiker ob des effektstarken Twists und der sparsamen Lichtsetzung an «Silent House» keinerlei Gefallen gefunden haben. Aufgrund des traditionelleren Bildes, den das Marketing von diesem Film zeichnete, war der Publikumsfrust wohl vorprogrammiert.

CinemaScore, der strenge Lehrer

Die Noten der CinemaScore-Auswertung sind nicht unumstritten. So kritisierte gegenüber 'Deadline Hollywood' ein anonymer Entscheidungsträger bei Paramount Pictures, dass der mit einem "F" benotete Found-Footage-Horror «Devil Inside» eine zu harsche Durchschnittsbewertung erhalten hat. Unter Berufung auf die Ergebnisse der CinemaScore-Publikumsbefragung zum Film merkt er an:


"Die Leute lieben oder hassen uns, aber ich glaube, dass ein böser Geist in CinemaScore gefahren ist. Denn die Noten, die wir erhalten haben, waren: 16% A, 18% B, 24% C, 23% D und 19% F. Ich gebe zu, nur auf eine öffentliche Schule gegangen zu sein, aber das hätte uns doch ein C einbringen müssen?!"
«The Devil Inside» (2012)
Die kostengünstige Found-Footage-Produktion «The Devil Inside» fiel bei der Kritik zwar durch, doch mit weltweiten Einnahmen von 101,8 Millionen Dollar dürfte dies den Machern dieser 1-Millionen-Dollar-Produktion relativ egal sein. Die arg frustrierte Publikumsreaktion sollte sie allerdings ebenso wenig verwundern: Der Film endet auf einem Cliffhanger, mit dem Hinweis, die Auflösung sei online zu finden.

«Killing Them Softly» (2012)
Erneut ein Film, dem das Marketing sein Genick gebrochen haben dürfte: Der nachdenkliche, das Genre dekonstruierende Gangsterfilm «Killing Them Softly» mit Brad Pitt in der Hauptrolle wurde von der Kritik als schwarzhumorige, anspruchsvolle Allegorie auf die Weltwirtschaftskrise geachtet. Dem Publikum wurde vorab vom Marketing indes ein traditioneller Gangsterthriller versprochen ...

«mother!» (2017)
Der jüngste Film von «Black Swan»-Regisseur Darren Aronofsky setzte auf ein rätselhaftes Marketing, das einen Mindfuck von einem Horrorthriller suggerierte und unter anderem Parallelen zu «Rosemaries Baby» zeichnete. Stattdessen ist das Jennifer-Lawrence-Vehikel ein kurioser Genremix aus Psychothriller und kunstvoller Allegorie, an dem sich die schreibende Zunft spaltete.
15.10.2017 12:28 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/96465