Sonntagsfragen an Dr. Torsten Rossmann

Herr Rossmann, vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben.

Im März lag N24 erneut vor dem Konkurrenten n-tv. Ist die Freude da groß?


Ja, natürlich freuen wir uns darüber.



An einem ganz normalen Nachrichtentag gelang es N24 sogar mit 0,8 Prozent Marktanteil doppelt so viele Zuschauer einzufahren, wie n-tv (0,4%)…

Das passiert in der Tat häufiger.



Dennoch möchte ich Sie zu den Zahlen eines ganz spektakulären Nachrichtentages befragen. Der Tag, an dem Papst Johannes Paul II. im Sterben lag und der Tag, an dem bekannt wurde, dass Harald Juhnke verstorben ist. Dort lag n-tv mit 1,8 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe deutlich vor N24 mit „nur“ 1,1 Prozent. Heißt das: Immer wenn wirklich was auf der Welt los ist, schauen die Menschen doch eher n-tv?

Das ist etwas komplexer: Unser Sender ist seit fünf Jahren auf Sendung, n-tv ist seit 13 Jahren dabei. Das hat Konsequenzen: Die technische Reichweite von n-tv ist noch knapp 3,5 Millionen Haushalte höher. Die Marktanteile, über die wir sprechen, beziehen sich aber auf alle TV-Haushalte, also auch auf die, in denen N24 gar nicht empfangen werden kann. Hinzu kommt die „Gnade der frühen Geburt“, die darin besteht, dass n-tv auf den Fernbedienungen eine deutlich bessere Platzierung hat, weil der Sender eben früher schon programmierbar gewesen ist. Es sind also gewissermaßen ungleiche Wettbewerbsbedingungen mit denen wir es zu tun haben.



Vor diesem Hintergrund können wir mit unserer Performance zufrieden sein. Nehmen wir Ihr Beispiel der Papst-Berichterstattung:

Wir erzielen bei solchen Großevents höhere Verweildauern als n-tv – und das zeigt ganz klar, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Hinzu kommt, dass wir mit jedem dieser Großereignisse neue Zuschauer gewinnen. Sie bieten uns die Gelegenheit, Zuschauer, die unser Programm noch nicht so häufig oder gar nicht gesehen haben, für uns einzunehmen.



Zum Start von N24 hat es wahrscheinlich niemand für möglich gehalten, dass Sie „die Mutter“ der Nachrichtensender in doch relativ schneller Zeit überholen können. Wie ist Ihnen das gelungen?

Wir verfolgen seit gut einem Jahr eine andere „Nachrichtenlinie“ - weg von den klassischen Formatnachrichten, wo alle halbe Stunde oder jede Stunde immer dasselbe gemeldet wird, hin zu lebendigen Nachrichten mit viel Interaktion, vielen Gästen im Studio und Schalten zu Reportern auf der ganzen Welt.



Wir versuchen, das Nachrichtengeschehen erlebbar zu gestalten. Hinzu kommt, dass wir seit Ende 2002 ein weiteres Genre ins Programm genommen haben – unsere Dokumentationen. Das ist eine Farbe, die insbesondere am Hauptabend sehr wettbewerbsfähig ist. Trotz heftiger öffentlicher Angriffe wegen der Dokumentationen gegen uns setzt n-tv inzwischen auf dieselbe Farbe: Sie wiederholen das RTL II-Format «Welt der Wunder» und senden jetzt regelmäßig Dokumentationen. Hier kopiert uns n-tv inzwischen also trotz anders lautender Äußerungen ohne große Bedenken, außerdem haben wir die Tages-Programmierung in den vergangenen zwölf Monaten optimiert.



Von 7 Uhr bis 13:30 Uhr haben wir jetzt eine große, zusammenhängende Nachrichtenfläche – zu einer Zeit, die für Nachrichtensender die Prime Time ist. Dies war einst eine äußerst erfolgreiche Strecke von n-tv. Am Vormittag haben wir den Abstand zu n-tv im Trend des laufenden Jahres auf nur noch 0,2 Prozentpunkte reduziert. Vor einem Jahr war der Abstand noch deutlich höher. Nachmittags schließlich zeigen wir im Regelfall Magazine und Reportagen.



Wie wichtig sind die Dokumentationen für N24?

Die Dokumentationen machen heute noch rund ein Viertel der Programmfläche aus.



N24 strahlt das Wetter sowohl vor als auch nach den Nachrichten aus. Welchen Grund hat dies?

Das hat mit der tagesaktuellen Feinplanung und dem Timen der Sendungen zu tun. Um jede Stunde auf die Beginnzeit :00 zu kommen, brauchen wir das Element des Weltwetters.



Seit geraumer Zeit starten Ihre Nachrichten nicht mehr exakt zur vollen Stunden, sondern meist 15 bis 20 Sekunden früher. Was hat Sie zu diesem Schritt bewegt?

Es kann schon mal passieren, dass man da ein bisschen früher startet. Es ist kein Nachteil, wenn man etwas früher beginnt.



Sie haben in der vergangenen Zeit viele kleine Service-Grafiken für Ihre Zuschauer eingeführt. Bei der Einblendung «N24 kompakt» werden so zum Beispiel nochmals die wichtigsten Fakten zusammengefasst. Wie wichtig ist so etwas für die Zuschauer?

Dieses Element bringt einen zusätzlichen Nutzen für den Zuschauer. Wir sind mit Hilfe von «N24 kompakt» in der Lage, Zuschauer, die sich etwas später zugeschaltet haben, darüber zu informieren, was schon passiert ist. Wir setzen dieses Element daher sehr oft und sehr gezielt ein.



Wenn wir die ProSieben Nachrichten anschauen oder auch Ihre Nachrichten betrachten, fällt auf, dass die Doppelmoderation bei Nachrichtensendungen an Häufigkeit zunimmt. Worin liegen die Vorteile, wenn zwei Nachrichtensprecher die Nachrichten verlesen?

Die Steifheit, die den klassischen Formatnachrichtensendungen in Deutschland oft zu eigen ist, wird dadurch überwunden. Wenn zwei Menschen im Studio sind, die sich gegenseitig die Bälle zuwerfen, wirkt das lockerer und sympathischer, als wenn Sie nur einen Sprecher haben, der alles mit sich alleine und der Kamera ausmacht. Das ist die Idee dahinter. Das greift vor allem, wenn Sie „im Freiflug sind“ – also lange Live-Strecken ohne Teleprompter moderieren. Wenn es um lange Nachrichtenstrecken geht, dann ist das ein sehr belebendes Element.



Wenn es um Nachrichten geht, kommen wir an einem Thema nicht vorbei. In Sachen Studio gibt es zwei Möglichkeiten: Virtuell oder Real. Welches Studio bevorzugen Sie?

Ich bevorzuge ganz klar das reale Set, weil es Authentizität vermittelt. Die Menschen fühlen sich in einer echten Umgebung mit Tisch, Farben, Hintergründen und Monitoren einfach wohler. Sie sind wesentlich natürlicher, als wenn sie vor einer grünen Wand sitzen.



Das würde heißen, dass viele Sender, die Sie mit Ihren Nachrichten beliefern, ein eher schlechtes Studio haben, weil es virtuell ist.

Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Für einen Nachrichtensender wie N24, der täglich stundenlang aus dem Studio sendet, ist das reale Set richtig und gut. Für die Formatnachrichten der Sender Sat.1 und ProSieben, die 15 oder 20 Minuten lang sind, ist ein virtuelles Set die richtige Wahl. Da habe ich überhaupt keine Einwände – im Gegenteil: Man kann so kostengünstig sehr attraktive Hintergründe bauen und verfügt über eine Vielzahl von virtuellen Möglichkeiten, um das Nachrichtengeschehen zu illustrieren.



Es hieß oftmals, dass es sehr schwierig sein könnte, wenn sich die Sender Sat.1 und ProSieben die Nachrichten zuliefern lassen. Nun klappt dieser Nachrichtenaustausch nicht nur im Senderverbund sehr gut, sondern beschert insgesamt auch gute Quoten. Ist das auch ein Lob für Ihre Redaktion?

Ich denke schon. Wir haben unser Know-how in den letzten fünf Jahren aufgebaut, um dann aus einer Redaktion die Beiträge für die gesamte Senderkette herzustellen. Dabei variieren wir, was Auswahl, Aufbau und Machart der Beiträge angeht, soweit es die Sender wünschen und es unsere Möglichkeiten zulassen. Das klappt zunehmend besser und ist allseits akzeptiert.



Hinzu kommt, dass das Thema Information bei meinen Kollegen von ProSieben und Sat.1 einen deutlich höheren Stellenwert genießt als früher. Bei Sat.1 beispielsweise haben wir mit Roger Schawinski, Thomas Kausch und Nik Niethammer gleich drei Ansprechpartner, die sehr großen Wert auf gute Nachrichten und das Informationsprofil von Sat.1 legen und mit denen die Zusammenarbeit Freude macht…



Nächsten Sonntag wird uns Dr. Rossmann unter anderem verraten, welche Pläne er mit N24 hat und wer seiner Meinung nach die besten Nachrichten im deutschen Fernsehen macht.
01.05.2005 10:08 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/9613