Endemols Showchef Fabian Tobias: ‚Zuschauer sind mehr denn je auf der Suche nach echten Geschichten‘

Ein spannender TV-Herbst für EndemolShine Germany beginnt: Am Montag startet die zweite Staffel von «MasterChef» bei Sky1 mit einigen Überarbeitungen. Aber auch an «6 Mütter», «Hot oder Schrott» oder «Wer wird Millionär?» schraubt der für Shows verantwortliche Fabian Tobias derzeit. Im Exklusiv-Interview gibt er sich aber auch zufrieden selbstkritisch mit der RTL-Sommershow «The Wall».

Zur Person: Fabian Tobias

Fabian Tobias wurde 1978 in Solingen geboren. Nach dem Abitur hat er sein Studium der Medienwirtschaft an der Rheinischen Fachhochschule Köln zum Diplom-Medienökonom absolviert. Bevor Fabian Tobias 2014 als Executive Producer zu Endemol Shine wechselte, war er bei itv Germany als Senior Producer für «Hells Kitchen» (Sat.1) und Show-Producer für «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus» (RTL) tätig. Außerdem verantwortete er bei i&u TV als Producer unter anderem Formate wie den ARD-Jahresrückblick «Das Quiz», «Klein gegen Groß» (ARD) oder «Zeig mir deine Welt» (ARD) für das Kai Pflaume mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde. Seit April 2017 ist Fabian Director der Unit „Show & Factual“ bei Endemol Shine Germany und verantwortet Formate wie «Hot oder Schrott» (VOX), «The Wall» (RTL), «6 Mütter» (VOX) oder «Kaum zu Glauben» (NDR).
Herr Tobias, der nächste Endemol-Shine-Neustart wird «MasterChef», die zweite Staffel bei Sky1, sein. Für Sie ist es die erste Staffel. Heißt: Sie konnten recht unbeschwert in die Analyse aus Staffel eins gehen. Was war gut, was war schlecht?
Die Sendung ist für uns etwas ganz besonderes, denn sie ist einer der internationalen Superhits unserer Gruppe. «MasterChef» ist in 58 Ländern On Air, in Australien ist es die erfolgreichste Show, die jemals dort im Fernsehen lief. Für die zweite Staffel von «MasterChef» Deutschland hatten wir einen sehr kreativen Austausch mit Christian Asanger von Sky und waren uns einig, dass wir das Format auf das nächste Level heben wollen.

Daher stehen die neuen Folgen unter dem Motto „Mehr von allem“. Was heißt das? Wir haben „Mehr Jury“: Nelson Müller verstärkt die drei schon bekannten Juroren. Nelson ist zweifelsfrei einer der bekanntesten und beliebtesten TV-Köche. Er vermittelt Leidenschaft und Spaß am Kochen. Wir haben „Mehr Außenchallenges“. Das sind wahrlich gigantische Bilder geworden, die wir da aufgezeichnet haben. Wir haben am Gletscher von Zell am See gedreht oder im Stuntpark Area 47 – um nur zwei Locations zu nennen. Und wir haben „Mehr Kandidaten“. Statt 20 ziehen nun 24 Hobbyköche in die „Masterclass“ ein. Letzter Punkt: „Mehr Storytelling“. Zum einen haben wir den Fokus verstärkt auf das Thema Casting gelegt, schließlich sind wir eine Casting-Show. Unser Ziel war es, die Geschichten und das Storytelling stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Damit könnte man sagen, dass wir etwas soapiger geworden sind. Auch die Jury haben wir anders erzählt.

Die kam in Staffel 1 vor allem als ziemlich streng rüber. Das war für mich als Zuschauer manchmal nicht verständlich, warum die drei sich quasi immer als Gegner der „Masterclass“ positioniert haben.
Das kann ich mir vorstellen. Wir haben diesen Punkt auch hinterfragt. Unsere Analyse hat ergeben, dass die Juroren vor allem zu gleichförmig waren. Wir wollen sie nun facettenreicher erzählen. Das enge Korsett hat manchen Juroren nicht so gut getan. Sie werden in der neuen Staffel eine strenge, aber teils auch humorvolle Jury sehen.

Wird die deutsche Version der Show nun der amerikanischen ähnlicher oder entfernen Sie sich eher weiter davon?
Ich denke, wir werden deutscher. Dadurch, dass wir näher rangehen an die Geschichten wird das Format aus meiner Sicht authentischer, was auch mehr dem Zeitgeist entspricht. Die Zuschauer haben, oft fälschlicher Weise, das Gefühl, dass im Fernsehen kaum noch etwas echt ist. Sie sind mehr denn je auf der Suche nach echten Geschichten. Das bieten wir mit der neuen Staffel zu 100 Prozent.

Die Außen-Challenges spielen bei «MasterChef» eine wichtige Rolle. In Staffel 1 kamen sie grob in jeder Doppelfolge einmal vor…
Davon wird es jetzt mehr geben. Insgesamt hatten wir zwölf Außenchallenges – man kann sagen, dass diese das Filet-Stück der Sendung sind.

Schauen wir mal auf die Gerichte, um die es geht: Die waren in Staffel eins oft recht ungewöhnlich. Dass ein Kandidat ein gutes Schnitzel zubereiten kann, spielt in «MasterChef» keine Rolle?
Ich will nichts vorwegnehmen, sage aber: gleich zu Beginn der Staffel dürfen die Kandidaten ihr Leibgericht kochen oder etwas, von dem sie meinen, dass sie es besonders gut können. Da gab es also keine redaktionellen Vorgaben. Durch diese Freiheiten erfahren wir natürlich auch wieder mehr von den Kandidaten selbst. Und vielleicht ist hier ja auch ein gutes Schnitzel dabei…


Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie bewertet Fabian Tobias die RTL-Show «The Wall», die er mit seinem Team im Sommer produziert hat und was würde er in einer möglichen zweiten Staffel ändern?


Buschi hat das hervorragend gemacht. Er hat nicht nur ein exzellentes Gefühl für Menschen, sondern war in jeder Hinsicht absolut stilbildend. So etwas binnen sieben Folgen hinzukriegen, muss man erst einmal schaffen.
Fabian Tobias über die Moderation von Frank Buschmann bei «The Wall»
Im Sommer hatten Sie die erste Staffel von «The Wall» bei RTL On Air – über sieben Wochen hinweg war das Format „Talk of the Town“. Somit dürften Sie Ihr Ziel erreicht haben?
Es hat mich sehr gefreut, dass unser Programm binnen kurzer Zeit so dermaßen ins Bewusstsein der Zuschauer gekommen ist. Wenn man heute über «The Wall» spricht, haben alle diese futuristische und ein bisschen mystische Wand vor Augen. So muss es sein. Das heißt aber nicht, dass wir uns nicht auch kritisch mit den sieben Episoden auseinandergesetzt haben.

Wenn wir über den Moderator sprechen: Frank Buschmann war hierfür ein Glücksgriff?
Buschi hat das hervorragend gemacht. Er hat nicht nur ein exzellentes Gefühl für Menschen, sondern war in jeder Hinsicht absolut stilbildend. So etwas binnen sieben Folgen hinzukriegen, muss man erst einmal schaffen. Er hat unsere sehr energiegeladenen Kandidaten toll gehandelt. In den sozialen Netzwerken wurde wild spekuliert, ob wir da vielleicht Schauspieler gecastet haben. Das ist natürlich Quatsch. Aber hier sind wir an einem Punkt, den wir selbst kritisch hinterfragen. In einer möglichen zweiten Staffel würden wir also darauf achten, dass das Natürliche noch mehr in den Fokus rückt.

Anders gesagt: Würden wir in einer zweiten Staffel genauso oft „Schatzi, ich liebe dich und wir haben so tolle Kinder und ein wunderbares Leben, für das ich so dankbar bin“ hören?
Man muss wissen: Ja, die Kandidaten waren sehr aufgedreht an der Wand. Wir haben ihnen aber keine Texte an die Hand gegeben und sie diese aufsagen lassen. Natürlich haben wir bewusst sehr temperamentvolle Kandidaten ausgewählt. Das wollten wir so. Ich glaube, dass die Wand das Temperament noch befeuert hat. Das hat man auch an den Reaktionen des Publikums gesehen, denn auch das war teilweise extrem angespannt, elektrisiert und ergriffen. Das hat sich dann auch wieder auf die Kandidaten übertragen. Vermutlich würden wir in Staffel zwei nicht nur die Entertainer unter den Kandidaten suchen, sondern auch welche, die etwas bodenständiger wirken.

«Hot oder Schrott» holte zuletzt bis zu 13,6 Prozent am Vorabend, über neun Prozent in der Primetime. Somit ist das Format eine der großen Überraschungen der vergangenen Monate?
Die Sendung ist ja schon Anfang 2016 gestartet und hatte direkt zu Beginn starke Werte. Die Überraschung war eher, dass wir uns 2017 nochmal sehr deutlich steigern konnten. Das Erfolgsrezept ist hier aus meiner Sicht der enorm starke Cast, der sich mit etwas befasst, was Deutschland interessiert. Wir sind das Land in Europa mit den meisten Patent-Anmeldungen. Die Leute interessieren sich einfach für verrückte Produkte und Erfindungen. Und wir haben bei «Hot oder Schrott» eine neue und für Zuschauer wohl spannende Erzählweise gefunden. Ein eigenes Storytelling mit hohem Tempo und teilweise im Clip-Show-Stil. Nicht zuletzt ist es uns gelungen, dem Format in Deutschland einen eigenen Anstrich zu geben. Die Show kommt ja aus England, heißt dort «Big Box, Little Box». Wir haben das Format gemeinsam mit der starken VOX-Redaktion um Kai Sturm überarbeitet. Wir haben die Preisfrage am Schluss formatiert. Das machen die Engländer so nicht. Wir stellen Stärken und Schwächen des Produkts stärker heraus. Auch das gibt’s im Original nicht.

Und auf der letzten Seite des Interviews: Wie groß sind die Sorgen um den Endemol-Klassiker «Wer wird Millionär?»?


«Wer wird Millionär?» ist ein langjähriges, ja fast schon historisches Format. Das wird auch mal eine schwächere Ausgabe überstehen.
Fabian Thomas zur zeitweiligen Quotenschwäche seines Quizrenners «Wer wird Millionär?»
Wir erleben derzeit einen Quizboom - «Wer weiß denn sowas?», «Gefragt – gejagt» und andere Sendungen holen starke Quoten. Das geht offenbar zulasten etablierter Formate: «Wer wird Millionär?» holte zuletzt mit weniger als neun Prozent am Montagabend so wenig Quote wie nie bei den Jungen. Machen Sie sich Sorgen um den Klassiker?
«Wer wird Millionär?» ist ein langjähriges, ja fast schon historisches Format. Das wird auch mal eine schwächere Ausgabe überstehen. An dem Montag, den Sie ansprechen, hatten wir den Tiefschlag ja auch, weil Angela Merkel zeitgleich im Ersten aufgetreten ist.

Denken Sie, dass Sie im Zuge des Quiz-Booms auch Ihre Formate «Rette die Million» oder «Deal Or no Deal» nochmal beleben können?
Das sind sicherlich alles frühere Hits in Deutschland gewesen, ohne Frage. Ich will das nicht ausschließen, zumal es ja auch den Trend gibt, Klassiker zurückzuholen. Konkrete Pläne gibt es aber nicht.

Ein Ausläufer des Quizbooms ist sicher auch der große NDR-Hit «Kaum zu glauben»…
…der jetzt bereits in der vierteln Staffel ist. Ich kenne keine andere Sendung in der Kandidaten so verrückten Geschichten im Gepäck haben: Vom Kellner, der Merkel eine Bierdusche verpasst hat bis zu einem über 90-Jährigen Bungee-Opa. Und wir haben ein Panel auf höchstem Niveau, das einen riesen Spaß hat. Schön finde ich auch, dass Moderator Kai Pflaume der Sendung so verbunden ist. Er hat sie von Anfang an mit entwickelt und maßgeblich geprägt. Er hat all sein Herzblut reingelegt. Wahrscheinlich ist sie auch deshalb ein so großer Spaß.

Für RTL produzieren Sie zur Zeit eine Sendung, die «Zahltag» heißt: Arbeitslose bekommen hier ihre Leistungen nicht monatlich, sondern einen großen Batzen auf einmal. Was können Sie von der Produktion berichten?
Dass es ein außergewöhnliches Format ist. Wenn Deutschland demnächst über eine Sendung sprechen wird, dann über diese. Man weiß während der Produktion nie, was als nächstes passiert. Eine Herausforderung für das ganze Team. Schon jetzt zeigt sich, dass die Familien vollkommen unterschiedliche Strategien haben.

Im späten Herbst wird die zweite Staffel von «6 Mütter» zu VOX kommen. Staffel eins startete stark, ließ dann aber deutlich nach. Welchen Schrauben haben Sie gedreht?
Wir hatten in der Tat eine sensationelle erste Quote, danach haben wir uns um den Senderschnitt bewegt. Ein Learning: in der ersten Sendung waren damals schon alle Mütter auch Zuhause zu sehen, zahlreiche Einblicke waren möglich. Der Zuschauer hatte vielleicht das Gefühl, er hat nach Folge eins schon alles gesehen. Hier haben wir in Staffel 2 einige Veränderungen vorgenommen. Wir haben wieder einen starken Cast, Verona Pooth wird dabei sein und Ute Lemper - diesmal als Gastgeberin. Im Grunde genommen werfen wir in der Sendung ja alles um, was für Fernsehmacher eigentlich gilt: es gibt keine Regeln, es gibt keinen Gewinner, es gibt keine Jury. Und dennoch lösen wir durch die Nähe zu den Müttern eine große Faszination aus.

Danke für das Gespräch.
25.09.2017 13:23 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/96001