Zum Start der sechsten Staffel widmete sich Jan Böhmermann ausführlich dem schläfrigen Wahlkampf - und merkte vielleicht gar nicht, dass auch seine Show nicht viel mehr als lähmende Routine verkörperte. Das größte Spannungsmoment war bereits nach drei Minuten Geschichte.
Fast drei Monate Sommerpause gönnte sich das «Neo Magazin Royale» nach der mit 20 Folgen längsten Staffel seiner Geschichte - eine ganz schön lange Zeit, die nach Einschätzung vieler Fans allerdings auch nötig war, da man dem Format im Mai und Juni doch zunehmend anzumerken begann, dass es an Inspiration verlor und an Routine gewann. Die Rückkehr aber in einem Bundestagswahljahr erst auf den 14. September anzusetzen, kritisierten dann aber doch einige Fans und Medienbeobachter, schließlich war bei Bekanntgabe im Hochsommer noch nicht final abzusehen, welch schläfrigen Kuschel-Wahlkampf sich Angela Merkel und Martin Schulz liefern würden. Dieses politische Dauer-Gedöse in all seinen Facetten zu persiflieren, war dann auch der rote Faden, der sich durch weite Teile der ersten neuen Folge zog. Doch nach einem spannenden Auftakt ging dieser schon enttäuschend schnell wieder die Luft aus, sodass der Hashtag der Woche auch auf das Gesehene zutrifft: #GähnOfThrones.
Denn quasi alles, was danach kommt, kann unter "solider «Neo Magazin Royale»-Durchschnitt" einkategorisiert werden: Der eine oder andere Gag zur Tagesaktualität im Stand-Up, wo natürlich auch die aktuellste Meldung zur AfD-Frontfrau Alice Weidel nicht fehlen darf. Ein kurzer Blick ins neueste Machwerk von Kay One und Pietro Lombardi, das Böhmermann treffend als "die kleine, nuttige Schwester von Despacito" bezeichnet, eine weitere Ausgabe der Rubrik "Alarmstufe Print", ein sensationell schlechter Gag von Martin Schulz, den dieser übrigens für ausreichend wertig befand, um ihn am Dienstag noch einmal im ZDF zur besten Sendezeit zu reproduzieren und sendungsintern zum Anlass genommen wird, "Chroma-Key-Christoph" als neuen Kollegen von "Photoshop-Philipp" zu installieren. Alles nicht wirklich der Rede wert.
Wer also auf eine unvergessliche Dreiviertelstunde Böhmermann-Action gehofft hat, muss von diesem relativ lauen Lüftchen enttäuscht sein. Vom Prolog einmal abgesehen hätte diese Episode nämlich auch ohne weiteres irgendwo in der Mitte der vergangenen Staffel laufen können, einzig das Publikum begrüßt seinen Star zu Beginn weitaus frenetischer als gewohnt - lässt anschließend aber ebenfalls spürbar nach. Eine ordentliche Folge abzuliefern, ist nun gewiss keine Schande. Dass überhaupt mehr erwartet wird, ist ja nicht zuletzt auch dem Umstand geschuldet, dass die kreativen Köpfe der bildundtonfabrik immer wieder zeigen, wie grandioses satirisches Fernsehen mit popkultureller Relevanz geht.
Deshalb schon irgendeinen Abgesang andeuten oder Böhmermann eine latente Unzufriedenheit mit seiner Position im Zweiten andichten zu wollen, wäre wohl ein wenig an den Haaren herbeigezogen. Die Frage nach dem weiteren Engagement des Satirikers jedoch wird in den kommenden Monaten vermehrt aufkommen und mit gut vier Jahren hat sich die Marke «Neo Magazin» längst etabliert - ein toller Begriff für die Merkels der Politik oder der Kai Pflaumes der Showbranche, aber auch für einen Jan Böhmermann? Man darf so seine Zweifel haben, zumal falls die Stagnation hinsichtlich Ausstrahlungsumfang und Sendeplätze weiter anhält. Andererseits: Um sich für mehr als das anzubieten, muss die inhaltliche Wucht seiner Angebote aber dann vielleicht auch größer ausfallen als an diesem Donnerstagabend, wo nun wahrlich nicht auf eine Alternativlosigkeit der Expansion hingearbeitet wurde.