Christian Richter erinnert an die großen Fernsehmomente auf der Berliner „Internationalen Funkausstellung“ und was Kümmerliches davon noch übrig ist.
Die Messe für Consumer Electronics und Hausgeräte, die gewöhnlich in der ersten September-Woche in Berlin ausgetragen wird, war bisher nicht nur ein Ort auf dem neueste Fernseh-, Video- und andere Entertainment-Geräte vorgestellt wurden, sondern stellte in der Vergangenheit auch immer wieder den Startpunkt für die Einführung neuer Rundfunktechniken dar. Am bekanntesten dürfte in diesem Zusammenhang die IFA des Jahres 1967 gewesen sein, auf der Willy Brandt den offiziellen Beginn des Farbfernsehens in Deutschland markierte. Sechs Jahre zuvor führte das Deutsche Fernsehen im Rahmen der IFA’ 61 erstmals ein Vormittagsprogramm ein und präsentierte zugleich die erste Live-Übertragung eines Konzerts. Am 05. September 1981 wurde mit einer Sonderausgabe des legendären Show-Klassikers «Musik ist Trumpf» mit Harald Juhnke zudem die erste Fernsehsendung mit Stereo-Ton von der Messe ausgestrahlt. Und auch die Testphase für den ersten Videotext von ARD und ZDF (1977) wurde anlässlich der Ausstellung begonnen, genauso wie der Betrieb der Digitalkanäle der ARD, also der Sender Einsfestival (heute One), EinsMuXx (später Eins plus) und EinsExtra (heute tagesschau24) im Jahr 1997.
Zur IFA des Jahres 1975 traute sich das ZDF auch erstmals eine eigene Talkreihe herzustellen. Zuvor hatte der WDR mit «Je später der Abend» den Grundstein für das neue Genre gelegt. Die ersten Versuche unter dem Titel «Zu Gast im ZDF» mit Guido Baumann («Was bin ich?», «Sag die Wahrheit») fanden jedoch wenig Zuspruch und wurden schnell wieder beerdigt. Während also viele Formate ihre Geburt auf der Funkausstellung erlebten, ging es der Spielshow «Super-Flip» umgekehrt. Ihre Folgen von der IFA des Jahres 1989 sollten ihre letzten werden.
Von 1985 bis 1991 wurde beispielsweise das Programm der ARD von der Show «Die Goldene Eins» bestimmt, deren Titel aber lediglich den groben Rahmen darstellte, denn im Laufe der Zeit wechselten die Moderatoren und auch die Inhalte erheblich. Im Jahr 1987 führten etwa Michael Schanze, Jürgen von der Lippe und Sigi Harreis gemeinsam durch die Sendung und boten einen Mix aus Spielen, Musik und Interviews. Zwei Jahre später setzte Hape Kerkeling dem IFA-Auftritt der ARD mit einer speziellen Version seiner zuvor beendeten Comedyshow «Total Normal» einen besonderen Stempel auf, denn in chaotischen Aktionen mit dem Publikum verschenkte er unentwegt Mitropa-Kaffeemaschinen, Mörder-Duschhauben und Surfbretter.
Das ZDF versuchte diesen Shows ähnliche Unterhaltungsformate entgegenzusetzen und veranstaltete im Jahr 1985 den «Zehnkampf der Fernsehfans». Darin vereinte der Kanal die Moderatoren Hans Rosenthal und Dieter Thomas Heck, die Messebesucher in Spielen gegeneinander antreten ließen. Auf der nachfolgenden Ausstellung im Jahr 1987 oblag dann Thomas Gottschalk die Aufgabe, durch das tägliche IFA-Programm des ZDF zu führen. Neben der einmaligen Musikparade «Disco Disco» präsentierte er mit «Na siehste» täglich eine Sendung, die seiner erfolgreichen Reihe «Na Sowas!» sehr ähnelte und in der er erneut kuriose und interessante Menschen vorstellte. Als Außenreporter wurde damals sein alter Hörfunkkollege Günther Jauch eingesetzt, der nach dem Ende der Messe auch die reguläre Variante der Show fürs ZDF übernehmen sollte.
Das Zusammenspiel zwischen Jauch und Gottschalk gefiel den Zuschauern dabei derart gut, dass die beiden auf der IFA’ 89 eine Sendung erhielten, in der sie mehr Zeit und eine gleichwertige Rollenverteilung hatten. Die Gäste, Musikdarbietungen und Spiele bei «Die 2 im Zweiten» waren dabei stets zweitrangig, denn die Zuschauer schalteten die dreistündigen Ausgaben wegen der Albernheiten, Improvisationen und Kabbeleien von Jauch und Gottschalk ein. Weil die Einschaltquoten im Nachmittagsprogramm enorm waren, kehrten die beiden Moderatoren mit ihrer Show noch einmal auf der IFA’ 91 zurück. In diesen unterhaltsamen Nachmittagen liegt übrigens auch der Ursprung für ihr derzeitiges gemeinsames RTL-Quiz «Die 2 - Gottschalk & Jauch gegen ALLE», was allein im Titel deutlich wird, der noch immer eine Anspielung auf die legendären IFA-Sommer enthält.
Der öffentlich-rechtliche Kanal folgte damit dem Weg der Privatsender, die sich stets weniger prominent auf der Messe präsentiert haben. Seit Ende der 1990er Jahre waren die meisten kommerziellen Anbieter überhaupt nicht mehr vertreten. Weder mit eigenen Shows noch mit einem Stand. Zu hoch waren ihnen die Kosten und zu gering der Nutzen eines Engagements. Die sieben Folgen, die von der IFA im Jahr 1997 von der «Harald Schmidt Show» gesendet wurden, stellten daher eine seltene Ausnahme dar. Für Schmidt war es derweil nicht der erste Ausflug nach Berlin. Bereits im Jahr 1991 wurden sechs Ausgaben seines damaligen Ratespiels «Psst...» von der ARD auf der Messe produziert.
Seit einigen Jahren ist es ruhiger um die IFA geworden. Sie zieht zwar noch immer Hunderttausende Besucher an und wird mittlerweile nicht mehr nur zweijährlich, sondern jährlich veranstaltet, doch sind kaum noch TV-Sender auf ihr vertreten. Unter den großen Fernsehanbietern bleibt einzig die ARD der IFA auch im Jahr 2017 treu und präsentiert dort als kümmerliches Überbleibsel dieser großen Traditionen einzig einige Ausgabe des «Mittagsmagazins».