Der Münchner Sender steht im Sommer 2017 schlecht da wie lange nicht mehr. Gehofft wird nun auf eine starke Herbst-Performance. Doch hoffen alleine dürfte nicht reichen.
Knapp zwei Jahre nach dem „Raabschied“ kann das konstatiert werden, was Ende 2015 schon vermutet wurde. ProSieben ist vom Raab-Sender zum «Big Bang Theory»-Sender mutiert. Heißt: Es fehlen eigene Sendergesichter. Das übrigens ist erstaunlicherweise nicht nur ein ProSieben-Problem, sondern eines der kompletten Gruppe. Beispiel Sat.1: Dort holte man Jochen Bendel für die Moderation der Hauptsendung von «Promi Big Brother», opferte dafür mangels Alternativen aber die Late-Night-Show bei sixx, die dem kleinen Sender regelmäßig Quotenrekorde bescherte.
In diesem Zusammenhang nicht unwichtig ist das spätere Abendprogramm – dort, wo ProSieben über 15 Jahre lang eine feste Verabredung mit seinem Publikum hatte, die weit darüber hinaus abstrahlte. Dort also, wo «TV total» fest verankert war, zeigt der Münchner Sender nun Dutzendware. Re-Runs von diversen Sitcoms, quotenschwache US-Drama-Serien oder Tattoo-Formate von Schwestersender sixx. Brainpool-Chef Grabosch hatte schon vor einiger Zeit im Quotenmeter.de-Interview angedeutet, «TV total» hätte man auch ohne Raab und mit neuem Gesicht weitermachen können. Dieses Unterfangen wäre freilich mit Risiko verbunden gewesen. Aber gegen eine neue und tägliche Verabredung am späten Abend spricht eigentlich nichts. Im Gegenteil: Mit einem solchem Move würden die Programmmacher auf die Marke ProSieben einzahlen.
Zumal man inzwischen auch bei ProSieben erkannt haben dürfte, dass man mit US-Lizenzware kaum noch Erfolge wird generieren können. Ausnahmen gibt es nur ganz wenige. Es sind zumeist die etablierten, also schon langlebigen US-Serien, die noch halbwegs ziehen: «The Big Bang Theory», «Grey’s Anatomy», teils noch «Die Simpsons». Zahlreiche Neustarts – von «Pure Genius» oder «Supergirl» bis hin zu «Empire» oder «This Is Us» erwiesen sich als Quotenschädling. Entsprechend kann nur eine Reduzierung des US-Angebots (eventuell verbunden mit neuen und schnelleren Programmierungsstrategien) der Weg aus der Krise sein. Zugleich bedeutet das: ProSieben muss mehr Eigenproduziertes ins Programm nehmen. Erste Anzeichen dafür gibt es schon: Der Münchner Sender will eine Reality-Show namens «Get the Fuck Out of My House» zeigen. Wöchentlich. Ab Herbst.
Über Jahre hinweg war es zudem «Galileo», das mit konstant zweistelligen Marktanteilen für einen ordentlichen Einstieg in die Primetime sorgte. Dieses sichere Zugpferd ließ sich der Münchner Sender auch einiges kosten. Doch seit einigen Monaten fällt immer wieder die Schwäche des 19.05-Uhr-Formats auf. Beispiel: Zwischen dem 1. August und den darauf folgenden 22 Tagen landete das Magazin nur fünf Mal bei mehr als zehn Prozent Marktanteil. An den anderen Tagen: Mal acht Prozent, mal sogar weniger als sieben.
Nicht zuletzt täte ProSieben gut daran, wieder mehr auf eigene Ideen zu setzen. Im Sommer machte der Sender mit einer solchen Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass dem Kopf von Stefan Raab ein neues TV-Konzept entsprungen sei, das Anfang 2018 starten wird. Es ist eine Gründershow – und somit eigentlich schon wieder ein Aufspringen auf den fahrenden Zug von «Die Höhle der Löwen». Und auch wenn ProSieben viel Beifall für die Ideen bekam, die man in Düsseldorf bei den Screenforce Days präsentierte: Angesichts der aktuellen Quotendelle ist nicht ganz klar, ob das geplante Programm wirklich ausreichen wird, um doch noch halbwegs trocken an Land zu kommen. Gerade im Showbereich am Samstag, also dort, wo die fetten Marktanteile noch winken, wären frische, gute und vor allem live produzierte Shows gerne gesehen. Und dann wäre da ja noch ein potentieller neuer Abend an dem auf US-Ware zu verzichten und auf Eigenes zu setzen ist. Eigentlich eine prima Chance für die TV-Kreativen dieses Landes. Wenn ProSieben und seine eifrigen Redakteure sie mal machen ließen…