In Adam Smiths Familiendrama «Das Gesetz der Familie» spielen Michael Fassbender und Brandon Gleeson ein dysfunktionales Vater-Sohn-Gespann, das nicht mit, aber auch nicht ohneeinander kann.
In der Originalversion offenbart sich für den deutschsprachigen Zuschauer sofort ein Problem: Allen voran die beiden männlichen Clan-Oberhäupter Chad und Colby frönen eines britischen Slangs, der ohne (deutsche!) Untertitel kaum verständlich ist. Es lässt sich nicht einmal die genaue Herkunft erkennen – hier werden diverse ortsbezogene Dialekte zu einem gemurmelten Kauderwelsch, das nicht einmal die englischen Untertitel entwirren können. Gleichzeitig hebt sich der gesamte Cutler-Clan aber nicht bloß durch die Sprache von ihrem zivilisierten Umfeld ab. Die Großfamilie, die mit mehreren Generationen in ihrer Wohnwagensiedlung lebt, haust nach ihren ganz eigenen Regeln und gibt sich aufgrund ihrer vermeintlich wohl geratenen Zöglinge selbst immer wieder Recht, damit auf dem richtigen Weg zu sein. Dass der jüngste Spross der Familie nicht einmal weiß, ob die Erde nun rund oder eine Scheibe ist, überspielt der sich immer mehr nach Ordnung im Leben sehnende Chad schon mal mit der Äußerung, das selbst nicht so genau zu wissen. Cutler-Patriarch Colby hingegen, der seine Kinder bewusst nie auf eine staatliche Schule geschickt hat, hält jedoch daran fest, damit die beste Entscheidung getroffen zu haben und wirkt mit seinem Nicht-Wissen gezielt der Bildung seiner Enkelkinder entgegen. So kollidiert eine vermeintliche Tradition mit einer Moderne, die eigentlich gar keine ist und der Konflikt ist geboren. Dass man nie so recht weiß, welche Ziele insbesondere Colby verfolgt, lässt «Das Gesetz der Familie» in seiner Aussage hingegen hier und da ungenau wirken.
Wenngleich die Prämisse klar auf der Hand liegt, gehen «Das Gesetz der Familie» die allzu feinen Nuancen ab. Das liegt in erster Linie daran, dass sich der hier debütierende Drehbuchautor Alastair Siddons nicht so recht entscheiden kann, ob er vor allem Colby Cutler auch als Sympathieträger zeichnen will. Während der sich der in einem moralischen Gewissenskonflikt befindliche Chad trotz diverser Widerhaken als ein solcher fungiert, bleibt die Zeichnung seines Vaters Colby leider häufig vage. Mal lässt er seinen Sohn selbst in einer absoluten Extremsituation im Stich, ein anderes Mal wiederum ist die Trauer ob der Erkenntnis, seinen Sohn in naher Zukunft möglicherweise zu verlieren, glaubhaft und nachvollziehbar. Colby Cutler schwankt in seiner charakterlichen Ausrichtung extrem und lässt den Zuschauer daher im Unklaren über dessen wahrer Mentalität. Für Brendan Gleeson ist das jedoch kein Grund, neben Michael Fassbender zu brillieren. Die beiden Männer geben in ihrer Performance als dysfunktionales Vater-Sohn-Gespann alles und lassen zwischen den Zeilen eine Menschlichkeit aufblitzen, mit deren Hilfe das Schicksal der Familie nie nichtig wird. Bis zuletzt möchte man wissen, wie denn die Geschichte der Cutlers nun ihren Lauf nimmt. Dass ausgerechnet das Finale den Zuschauer in der Schwebe hängen lässt, ist da fast schon ein wenig gemein.
Als absolut überraschend (und vom Trailer her fast verschwiegen) erweist sich dagegen der hohe Anteil an Actionszenen, die darüber hinaus auch noch hervorragend choreographiert sind. Zum pulsierenden Sound von The Chemical Brothers rast Chad Cutler sowohl bei Tag, als auch bei Nacht in halsbrecherischen Manövern über die Straßen, gönnt sich sogar mittendrin eine Auszeit an eine Tankstelle und bricht schon mal dem Polizeihund das Genick, als dieser droht, ihn zu verraten. «Das Gesetz der Familie» ist zeitweise äußerst starker Tobak, der über die Charakterkonflikte (und auch den nur angerissene Subplot über Religion und Glauben) innerhalb der Familie hinausgeht und eine Brutalität zeichnet, die für den Zuschauer nicht immer erträglich ist. So bohrt sich vor allem eine Szene ins Gedächtnis des Zuschauers: Als Chad dem leicht zurückgebliebenen Gordon (Sean Harris, «Mission Impossible – Rogue Nation») eine Lektion erteilen will, muss sich dieser erst auf alle Viere werfen, wie ein Hund bellen und wird von Chad anschließend ausgezogen und mit blauer Farbe überschüttet. Das Schockierende an dieser Aktion ist nicht die Abgebrühtheit, mit welcher der vorher noch so liebevoll mit seinen Kindern interagierende Familienvater dieses Prozedere durchzieht. Sondern die Selbstverständlichkeit von Gordon, diese Schmach über sich ergehen zu lassen. Bei den Cutlers herrschen halt andere Gesetze – die der Familie nämlich.