G20-Gipfel in Hamburg: Großes Politspektakel oder abgehobenes Eliten-Projekt?

Das Gipfeltreffen der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer ist in vollem Gange - und das klare Mehr der deutschen Bevölkerung schwankt zwischen Gleichgültigkeit und offener Ablehnung. Doch wie interessiert sind die Deutschen eigentlich an den TV-Übertragungen rund um das Politevent?

G20-Gipfel: Wenig Zustimmung, weniger Glauben an Problemlösung

Laut einer repräsentativen Umfrage von Spiegel Online und dem Meinungsforschungsinstitut Civey haben gerade einmal 31,8 Prozent eine positive Einstellung gegenüber dem G20-Gipfel in Hamburg, während ihn 44,1 Prozent ausdrücklich ablehnen - fast ein Viertel der Befragten artikuliert keine Haltung. Noch desolater fallen die Werte im Hinblick darauf aus, ob die Befragten in der Veranstaltung einen Beitrag zur Lösung globaler Probleme sehen. Das tun nämlich gerade einmal 20 Prozent, 70,3 Prozent glauben da nicht dran.
Wenn sich die großen Staats- und Regierungschef der Weltpolitik sowie wichtige internationale Organisationen treffen, um über die zentralen Problemlagen der Gegenwart und Zukunft zu beraten, dann klingt es doch zunächst einmal nach einer guten, produktiven und bedeutsamen Veranstaltung. Im Vorfeld des G20-Gipfels in Hamburg dominierte jedoch einmal mehr eine gänzlich andere Grundstimmung bei der deutschen Bevölkerung (siehe auch Infobox): Viel zu teuer sei das mit ziemlicher Sicherheit dreistellige Millionensummen verschlingende Spektakel, viel zu wenig Hoffnung habe man darin, dass es zu wirklich wegweisenden Entscheidungen kommen würde, viel zu viel Show werde um viel zu wenig Substanz gemacht.

Und dann gibt es da ja auch noch die Nebenkriegsschauplätze des Gipfels: Etliche teils gewalttätige Demonstrationen von radikalen Linken, die in dem elitären Projekt ein Feindbild ausgemacht haben, gefährden die Sicherheit der Bewohner. An ein normales Arbeitsleben ist nicht zu denken, die Freiheit der Bewohner wird erheblich eingeschränkt, die Stadt befindet sich an manchen Stellen regelrecht im Ausnahmezustand. Und all das für was? Aus (gesellschafts)politischer Sicht dürfte das in den kommenden Tagen noch emsig diskutiert werden, hinsichtlich der Einschaltquoten jedoch lässt sich schon jetzt sagen: Für vergleichsweise wenig. Die zahlreichen Sondersendungen von ARD und ZDF jedenfalls erfreuen sich bislang eher überschaubarer Beliebtheit.


Warm-Up am Mittwoch - vor überschaubarem Publikum


So zeigte Das Erste etwa schon am Mittwoch um 22:50 Uhr ein viertelstündiges «Weltspiegel extra» zum «Machtpoker G20», das beim deutschen Publikum durchwachsen lief: Enttäuschende 9,5 Prozent Gesamt-Marktanteil bei 1,69 Millionen Zuschauern standen immerhin ordentlichen 6,9 Prozent bei 0,43 Millionen jungen Fernsehenden gegenüber. Im Anschluss daran widmete sich auch «Maischberger» dem Gipfel der Mächtigen und stellte die Frage in den Raum, ob "Merkel Trump und Co. zähmen" könne. Dieser Frage widmeten sich 1,22 Millionen Menschen, was im Vergleich zum direkten Vorprogramm quasi unveränderten 9,7 Prozent des Gesamtpublikums entsprach, während bei den 14- bis 49-Jährigen der Marktanteil deutlich auf 5,1 Prozent zurückfiel. Und trotzdem: Zuletzt lief die Gesprächsrunde von Sandra Maischberger Mitte Mai besser als in dieser Woche.

Aber auch das ZDF ließ es sich nicht nehmen, über den G20-Gipfel zu debattieren: Sowohl die erste neue Folge der dritten «Dunja Hayali»-Staffel (zuvor noch «Donnerstalk» genannt) als auch die aktuelle «Markus Lanz»-Ausgabe nahmen das Thema auf, ohne ihm eine monopolistische Stellung einzuräumen. Die Einschaltquoten fielen mit 10,9 bzw. 11,4 Prozent des Gesamtpublikums sowie 4,1 und 4,5 Prozent der 14- bis 49-Jährigen durchwachsen aus, wobei zumindest Lanz eine gute Entschuldigung für sein Mittelmaß hatte: Die «ZDFzoom»-Reportage über die Lufthansa, die etwas unglücklich zwischen den beiden Talks platziert wurde, kam um 23:15 Uhr auf viel zu schwache 7,0 und 2,6 Prozent, sodass Lanz im Nachgang sogar für eine deutliche Revitalisierung des Programms sorgte. Trotz der weitaus schlechteren Sendezeit stieg übrigens sogar die Zuschauerzahl minimal von 0,95 auf 0,98 Millionen. Hayali erreichte ab 22:15 Uhr immerhin 2,13 Millionen Menschen.


Aufziehende Warmfront am Donnerstag - doch nur «Brennpunkt» begeistert


«Sturm der Liebe»-Vergleichswerte

Zwischen 1,64 und 1,79 Millionen sahen an den drei Wochentagen zuvor die tägliche Serie, was durchweg sehr guten 15,8 bis 17,7 Prozent des Gesamtpublikums entsprach. Bei den 14- bis 49-Jährigen standen ebenfalls durchweg überzeugende 7,4 bis 9,7 Prozent auf dem Papier.
Am Donnerstag, also einen Tag vor dem Gipfel-Auftakt, häuften sich bei ARD und ZDF dann schon in der Daytime die Sondersendungen. Das Erste verzichtete etwa auf «Sturm der Liebe» und zeigte stattdessen ab 15:10 Uhr eine einstündige Sondersendung, was hinsichtlich der Einschaltquoten kein allzu gewinnbringender Schritt war: Gerade einmal 0,92 Millionen Menschen sahen zu, mit 9,2 Prozent insgesamt bzw. 3,3 Prozent der Jüngeren fielen die Marktanteile weit unterdurchschnittlich aus. Mies lief es für den Sender auch am Spätabend mit der Sondersendung «Pop trifft Politik - G20 in Hamburg», die sogar nur 5,9 Prozent des Gesamtpublikums bei 0,77 Millionen Fernsehenden erreichte. Bei den 14- bis 49-Jährigen wurden immerhin 4,8 Prozent bei 0,23 Millionen generiert. Zu überzeugen vermochte dagegen mit einem knapp 20-minütigen «Brennpunkt» zur besten Sendezeit die TV-Instanz schlechthin bei besonderen Geschehnissen auf der Welt: Durchschnittlich 4,27 Millionen Menschen sahen hier zu, die Marktanteile beliefen sich auf richtig tolle 17,6 und 10,4 Prozent.

Das ZDF hielt sich hingegen noch zurück bei der Implementierung von Spezialsendungen, einzig um 19:20 Uhr änderten die Mainzer ihren gewohnten Ablauf für das 15-minütige «Gipfel der Mächtigen», das zumindest ordentliche 13,6 Prozent Gesamt-Marktanteil bei 2,68 Millionen Zuschauern erreichte. Das jüngere Publikum hielt sich dagegen mit nur 4,1 Prozent bei 0,23 Millionen zurück. Ab 22:25 Uhr lief dann «Maybrit Illner» mit 14,9 Prozent bei 2,64 Millionen auf gewohntem Niveau und performte in der jüngeren Zuschauergruppe angesichts von 5,3 Prozent sogar für ihre Verhältnisse leicht überdurchschnittlich. «Markus Lanz» thematisierte im Anschluss die G20 eher zaghaft und beiläufig mit seinen Gästen (unter anderem Gregor Gysi und Hans-Ulrich Jörges), steigerte die Diskrepanz zwischen älterem und jüngerem Publikum aber noch: Insgesamt wurden tolle 17,4 Prozent bei 1,79 Millionen verbucht, bei den Jüngeren gerade einmal 4,0 Prozent bei 0,16 Millionen.


Gipfelstart am Freitag - und das Interesse geht zurück


Als der Gipfel der Großen 20 am Freitag begann, setzte Das Erste abermals auf einen «Brennpunkt» zur besten Sendezeit. Dieser erwies sich erneut als gefragteste aller Spezial-Sendungen, schließlich informierte er ab 20.15 Uhr durchschnittlich 2,79 Millionen Menschen. Für Das Erste ergaben sich somit solide Marktanteile von 11,8 Prozent bei allen und 8,5 Prozent der 14- bis 49-Jährigen. Und trotzdem: Gegenüber dem Vortag gingen der Sendung rund sechs Prozentpunkte bzw. 1,5 Millionen Zuschauer abhanden. Völlig erfolglos hatte sich ab 18.50 Uhr zudem die Sondersendung «G20 - Der Gipfel in Hamburg» geschlagen, die vor der «Tagesschau» nur 1,16 Millionen Menschen informiert hatte. Mehr als äußerst dürftige 6,3 Prozent waren so nicht zu holen.

Und das ZDF? Das schlug sich mit seiner Sondersendung am Vorabend solide, wenngleich auch die Mainzer keinen überragenden Erfolg verzeichneten. «ZDF spezial: Gipfel der Mächtigen» informierte zwischen 19.30 Uhr und 20.15 Uhr durchschnittlich 2,41 Millionen Zuschauer, was 11,6 Prozent am Gesamtmarkt gleichkam. Als wenig gefragt erwies sich die Sendung beim jungen Publikum, das nur zu 0,26 Millionen vertreten war. Als Folge resultierte hier ein schwacher Marktanteil von 4,8 Prozent. Abseits von ARD und ZDF überzeugten am Freitag die Nachrichtensender mit stark überdurchschnittlichen Tagesmarktanteilen. n-tv etwa sicherte sich die höchsten Reichweiten des Freitags am späteren Abend, als der Kölner Sender von den Ausschreitungen im Hamburger Schanzenviertel berichtete (mehr dazu hier).

Fazit: Die G20 sind keine Gipfelstürmer


Fasst man nun die Eindrücke zusammen, welche die Sondersendungen von ARD und ZDF zum G20-Gipfel hinsichtlich der Einschaltquoten bislang hinterlassen haben, scheint er weder als völliger Quotentod noch als Lebenselizier eines jeden Sendeplatzes zu fungieren. Als sinnvolle Maßnahme hat sich vor allem der kompakt gehaltene Primetime-«Brennpunkt» im Nachgang an die «Tagesschau» erwiesen, während ellenlange Sondersendungen am Nachmittag oder Spätabend doch eher am Interesse der breiten Masse vorbeigingen. Die bekannten Talkshows wiederum, die sich mal mehr, mal weniger spezifisch dem Event widmeten, generierten quasi durchweg Werte auf dem Niveau, auf dem sie auch sonst rangieren - hier lässt sich also weder eine besondere Zuneigung noch eine echte Aversion ausmachen. Mit überdurchschnittlichem Interesse seitens der Zuschauer wurden hingegen n-tv und N24 für ihre Live-Berichterstattung gewürdigt.

Das Gesamtbild spricht dennoch für eine reichlich gelassene Haltung des Massenpublikums gegenüber dem Politevent, die weder den militanten Befürwortern noch Gegnern wirklich zupass kommt. Ein Grundinteresse ist gegeben, eine Bereitschaft, sich zumindest in Form von Fernsehübertragungen dem Thema allzu vertieft zu widmen, hingegen kaum. Und in diesen Stunden biegen die Teilnehmer dann ja auch schon wieder in die Zielgerade ein.
08.07.2017 15:00 Uhr  •  Manuel Nunez Sanchez Kurz-URL: qmde.de/94289