Der Name ist Programm: «Axolotl Overkill» ist ein einziger Overkill; und zwar von Themen und Motiven, die wir langsam aber sicher nicht mehr sehen können. Eine kaputte Hipster-Generation vor der Kulisse einer noch viel kaputteren, aber total angesagten, deutschen Hauptstadt
Wir haben es ja verstanden: Berlin ist geil und die, die in Berlin wohnen, sind einfach viel krasser drauf, als überall anders auf der Welt. Wer in den vergangenen Monaten auch nur irgendeinen bemüht hipsteresken Film mit Berlin-Bezug gesehen hat, den wird Vieles in «Axolotl Overkill» kaum noch schocken. Ja, die Hauptfigur ist 16, ja, sie treibt sich ganz selbstverständlich in zwielichtigen Nachtclubs rum, nimmt noch selbstverständlicher Drogen, konsumiert Alkohol, zieht schon mal eine Vergewaltigung in Betracht, um ihr Leben spannender zu machen und wenn all die Klischees abgefrühstückt sind, läuft auch schon mal ohne jeden Zusammenhang ein Pinguin durch die leer stehende Wohnung. Als der Berlinhype 2010 (und damit zu dem Zeitpunkt, als «Axolotl Roadkill» in der Erstauflage erschien) noch in den Kinderschuhen steckte, mögen die angeblich autobiographisch geprägten Ereignisse von Helene Hegemann alias Mifti noch schockierend gewesen sein. Doch in Zeiten, in denen das Berliner Berghain zur reinen Touristenhochburg verkommen ist, geht einem der bemühte Skandal nur noch auf den Geist. Denn nicht nur die Erlebnisse der Sechzehnjährigen erscheinen ohne einen roten Faden oder dramaturgische Entwicklung schlicht und ergreifend beliebig. Es mangelt «Axolotl Overkill» auch an interessanten Figuren. Denn die von Mifti zelebrierte Null-Bock-Haltung hat nichts Rebellisches. Diese Mifti ist einfach nur anstrengend, laut und besitzt keinerlei interessante Facette, mit der man sich länger als fünf Minuten beschäftigen möchte. Charakterentwicklung: Fehlanzeige!
Nun möchte man davon ausgehen, dass es in «Axolotl Overkill» ja genau darum geht – schließlich ist der titelgebende Axolotl ein Schwanzlurch, der das Stadium der Metamorphose nie erreicht und somit sein ganzes Leben Kind bleibt. Subtil geht zwar anders (nicht einmal dem Zuschauer ist das Entdecken der Bedeutung des Filmtitels selbst überlassen – stattdessen wird er einem von Gaststar Oliver Polak haarklein erklärt), aber hinter der Attitüde der Hauptfigur steckt durchaus System. Diese Mifti, die den besagten Lurch im Buch permanent in der Gegend rumträgt, im Film hingegen nur in zwei kurzen Szenen auf ihn trifft, will partout nicht erwachsen werden. Dahinter steckt hier allerdings kein romantischer Peter-Pan-Wunschtraum, sondern der Autorin zufolge der Gedanke an das Auflösen einer Grenze zwischen zwei Generationen, zwischen Alt und Jung, Arm und Reich, männlich und weiblich. «Axolotl Overkill» passt so gesehen also doch (noch) in die heutige Zeit, doch es ist eben einfach überhaupt nichts Besonderes mehr, mit dem Vorschlaghammer eine „Wir sind alle gleich!“-Moralpredigt auf den Zuschauer loszulassen.
So guckt sich «Axolotl Overkill» wie eine willkürliche Aneinanderreihung von Einzelszenen, mit deren Hilfe die Protagonistin nichts anderes tut, als ihren Status als unausstehliches Hipster-Girlie zu unterstreichen. Der Hauptdarstellerin Jasna Fritzi Bauer («Sommerfest») gelingt dieser Tour-de-Force-Ritt dann auch ganz famos; die ohnehin starke Schauspielerin darf in der Rolle der Mifti so richtig die Sau raus lassen. Und gerade weil die Aktrice ihr Talent schon in so vielen anderen, unterschiedlichen Rollen unter Beweis gestellt hat, ist es umso tragischer, dass für emotionale Zwischentöne in «Axolotl Overkill» kein Platz ist. Mifti bahnt sich wie ein Dampfhammer ihren Weg durch Berlin. Abstecher in eine offenbar durchaus vorhandene Gefühlswelt, die vor allem immer dann zum Vorschein kommt, wenn Mifti mit ihrer großen Liebe Alice (Arly Jover) interagiert, bleiben so vage, dass sie kaum dazu beitragen können, das Profil der Hauptfigur zu schärfen. Von den schablonenhaft skizzierten Nebenfiguren ganz zu schweigen. Da hilft es auch nicht, dass sich die Verantwortlichen hinter der Kamera sichtbar Mühe geben, ihrem Projekt einen über alle Maßen modernen Anstrich zu geben. Abgesehen von einigen inszenatorischen Kabinettstückchen wie etwa einer Sequenz, in welcher sich Mifti vorstellt, alle um sie herum wären tot, wird in «Axolotl Overkill» das Standardrepertoire des angesagten deutschen Kunstfilms aufgefahren. Schnelle Schnitte, dröhnende Beats, Wackelkamera und nackte Haut – was mal mutig war, ist jetzt einfach nur noch öde. Da fühlt man sich ja fast wie Mifti.