«Bares für Rares» zur Primetime: Etwas mehr Hochglanz bei etwas weniger Charme

Den ersten Ausflug des Daytime-Superhits in die Hauptsendezeit hat das ZDF solide inszeniert. Fans dürften sich aber fragen, ob es dieser Inszenierung mitsamt Promi-Verkäufer überhaupt bedurft hätte.

Angekündigte Veränderungen

  • anderes Set (Schloss im Bergischen Land)
  • "sehr, sehr, sehr besondere" Verkaufsgegenstände
  • pro Folge verkaufen auch zwei Promis "tolle Dinge"
  • Fans sollen dennoch ihr Format wiedererkennen können
Dr. Oliver Heidemann, Leiter der ZDF-Hauptredaktion Show, gegenüber Quotenmeter.de.
Es gab in den vergangenen Jahrzehnten nun wahrlich schon unsympathischere Überraschungshits im Tagesprogramm als «Bares für Rares». Die launige Trödelshow mit latenter Wohnzimmer-Atmosphäre kann als größter Vertreter der aktuellen Bewegung betrachtet werden, den Schrei-, Brüll- und Dümmlichkeitsfaktor, für den zunächst die Talkshows, dann die Court Shows und zuletzt die meisten Scripted Realitys standen, so langsam einmal wieder zurückzufahren für Inhalte, die auch mit funktionstüchtigem Frontalkortex noch seh- und sogar genießbar sind. Dass man beim Zweiten Deutschen Fernsehen angesichts grandioser Marktanteile von nicht selten knapp 25 Prozent Ambitionen hegen würde, die Sendung in die Primetime zu befördern, war da nicht weiter überraschend, bedeutete aber zugleich einen Spagat, da die am Nachmittag so angenehme Heimeligkeit hier nicht unbedingt den Primärbedürfnissen der meisten Zuschauer entspricht, man zugleich aber nicht die alten Fans mit allzu großem Bombast und allzu vielen Veränderungen erzürnen durfte.

Wie gut oder schlecht dieser Spagat nun am Donnerstag geglückt ist, hängt auch ein wenig von der Betrachtungsweise ab: Ja, die Sendung kam nun etwas aufgemotzter daher, integrierte mit Bernhard Hoecker und Boris Becker zwei prominente Verkäufer in den Ablauf und wich auch ein wenig vom bekannten Look ab. Und Steven Gätjen als Moderationsgehilfe Horst Lichters hat sogar eine leicht verzweifelte Note, immerhin haben er und das ZDF noch immer keinen einzigen gemeinsamen Hit auf die Beine stellen können - dann muss er halt sein TV-Dasein in bereits etablierten Formaten fristen, könnte man sarkastisch einwerfen. Die Grundpfeiler des Erfolgs bleiben allerdings unangetastet, das Konzept kommt an sich völlig identisch wie in der Daytime daher, ließe sich entgegnen.

Und ob Veränderung immer schlecht sein muss, kann man ja auch einmal hinterfragen. So ist es zwar zunächst einmal etwas gewöhnungsbedürftig, Lichter mit seinen Experten nun nicht mehr in einer muffigen Bude, sondern vor einem Schloss unter freiem Himmel und von Publikum umkreist zu sehen, wirkt aber visuell nach kurzer Eingewöhnungsphase doch eigentlich weitaus edler und ästhetischer als das altbekannte Studio. Ebenso der Raum der Experten, in diesem Fall ein großes Zimmer inmitten des Schlosses. Für eine Fließbandproduktion im täglichen Programmplan wären die Kosten und Mühen sicherlich zu hoch, für ein großes 90-minütiges Special allerdings erscheint dieser Rahmen durchaus angemessen. Doch mit Ausnahme der dauerempörten "und dafür zahl ich meine Rundfunkbeiträge, Skandal!"-Marktschreier dürfte sich daran auch kaum ein Fan ernsthaft stören.

Was hingegen wirklich etwas stört, sind die etwas zu zahlreich platzierten Show-Elemente, in denen die Moderatoren einen aufgrund ihrer Steifheit im "Schauspiel" eher unfreiwillig komischen Eindruck machen, die dann in der Tat als etwas nutzloser Ballast daherkommen. Und es sind die viel zu oft gesehenen Gesichter von Becker und Hoecker, die die Frage aufwerfen, ob diese Menschen nicht schon genügend Bühnen haben, um ihre TV-Präsenz aufzustocken - auch wenn man zumindest bei Beckers Wimbledon-Schläger von 1999 nachvollziehen kann, dass er genügend Relevanz besitzt, um vor einem besonders großen Publikum verhökert zu werden.

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9,7%
Ganz ordentlich, die Veränderungen fielen nicht groß ins Gewicht.
33,3%
Naja. War okay, aber ich bleibe doch lieber beim Original.
47,9%
Ganz mies, das konnte man sich ja gar nicht antun.
9,1%


Letztendlich ist der ersten Primetime-Ausgabe von «Bares für Rares» aber in erster Linie mit Gelassenheit zu begegnen, denn sie ist weit davon entfernt, den Bogen des für Anhänger des Originals Tolerierbaren zu überspannen und überzeugt mit der Beibehaltung wesentlicher Show-Elemente und Verantwortlicher. Das Bisschen Heckmeck drumherum muss man nicht mögen oder für nötig halten, ist aber kein so wesentliches Störfeuer, dass man ihn nicht tolerieren könnte. Und vielleicht finden sich ja sogar noch ein paar neue Fans, die nun regelmäßiger auch am Nachmittag zuschauen. Der Unterhaltungswert des Originals bleibt jedenfalls bestehen, die Mischung aus kleineren und spektakuläreren Sammlerobjekten stimmt auch hier und die Stimmung zwischen den Protagonisten ist launig und angeregt wie eh und je. Da hat man nun wirklich schon schlimmere Griffe nach den Sternen gesehen in der Fernsehgeschichte.

Das ZDF möchte am 13. Juli eine weitere «Bares für Rares»-Primetime-Folge zeigen. Im täglichen Aufgebot ist die Sendung wie bisher auch um 15:05 Uhr zu sehen.
15.06.2017 23:35 Uhr  •  Manuel Nunez Sanchez Kurz-URL: qmde.de/93813