Sülters Sendepause: Festivals im TV - Die Party ohne dich

Du hast keine Lust auf Schlamm, Schlafen im Zelt, kalte Ravioli und Sonnenbrand, möchtest aber trotzdem ganz nah dran sein an den Musikhighlights des Festival-Sommers? Dann bist du ein super Kandidat für einen Platz auf der Couch und das Live-Erlebnis für die eigenen vier Wände. Doch macht das wirklich Spaß? Eine gute Frage für die Sendepause.

Es gibt solche Menschen (und solche auch)


Menschen sind ja bekanntlich verschieden. Hier oben sagen wir: Wat den Eenen sin Uhl, is den Annern sin Nachtigall. Soll heißen: Nichts muss, alles kann. Dennoch ist es immer wieder erstaunlich, wie militant man sich im Diskurs mit Nachbarn, Freunden, Bekannten oder Kollegen die simpelsten Themen zerreden kann. Da die deutschen TV-Sender seit Jahren immer mehr Musik-Events übertragen, ist eines davon ganz klar: Macht ein Musikkonzert im TV wirklich Spaß? Oder ist das wie Angeln am Baggersee, Skifahren im Snowdome oder Hochzeitstag beim goldenen M?

Wenn wir uns dem Thema mal auf Seitenstraßen über das Thema Sport nähern, fallen uns direkt viele Parallelen auf. Es gibt jene, die ohne Stadionwurst und -bier ein Fußballspiel gar nicht genießen können und die auch gerne mittendrin hinter viel zu groß geratenen anderen Fans stehen, sich während wichtiger Spielszenen begeistert unter Riesenfahnen begraben lassen, auf Zeitlupen sowieso verzichten können und den Ball die meiste Zeit nur als huschenden Fleck irgendwo da unten wahrnehmen. Klingt das jetzt irgendwie zynisch?

Das mag daran liegen, dass es eben auch noch die Gattung jener Fußballfans gibt, die ein Spiel am liebsten Zuhause, mit einer Hopfenkaltschale in der Hand, den Chips griffbereit, dem Klo in Reichweite und vor allem mit bester Sicht auf jede noch so kleine taktische Finesse erleben. Die Thomas Tuchels mit Vereinsbettwäsche sozusagen. Hierzu zählt sich der Autor dieser Kolumne übrigens selber auch gerne. Solche Stubenhocker sind in der Szene der Stadionbesucher aber natürlich mehr als nur ein wenig verpönt.

Entscheiden kann hier aber niemand ernsthaft, was wirklich mehr Spaß oder Sinn macht - die Ansätze sind zu verschieden. Einen Punkt jedoch kann man nicht von der Hand weisen. Wer Fußball als Spiel faszinierend findet und auch gerne sieht, wie Mannschaften stehen, verschieben oder auseinanderfallen, wer Spiele zu lesen versucht und darin aufgeht, den Flow einer Partie zu erkennen, muss zwingend am TV schauen und erhält hier durch die vielen Kameras und Wiederholungen einen Mehrwert, der nicht von der Hand zu weisen ist. Doch gibt es genau diesen Mehrwert eben auch im Bereich der Live-Musik?

Deinem Star so nah


Bedingt. Natürlich ist man auch am TV in der glücklichen Lage, die Musiker eben nicht nur als Lego-Männchen erkennen zu können oder auf große Videowände seitlich der Bühne ausweichen zu müssen. Auch ist der Sound in der Regel am TV besser, weil eben perfekt abgemischt. Hier liegen zwei Pro-Faktoren definitiv auf der Hand. Auf der anderen Seite aber ist man eben nicht am selben Ort wie der große Star. Ich erinnere mich zu gut, was es damals für ein Event war, als Michael Jackson vor Urzeiten ein Open Air-Konzert in Kiel gab. Man konnte vor Menschenmassen nicht viel bis gar nichts erkennen, der Sound war nur Brei. Dennoch war man - so es denn kein Doppelgänger war - für zwei Stunden auf einem Sportplatz mit eben genau DEM Michael Jackson. Dieses Erlebnis kann fast nichts toppen. Gleiches gilt für Konzerte vom Boss Bruce Springsteen, Metallica damals in der Wuhlheide in Berlin oder vielen, vielen anderen. Mittendrin statt perfekte Optik und optimaler Sound. Schweiss und Bier statt Pausetaste und Nahaufnahme. Da geht einfach nichts drüber.

Zwiespalt


Doch warum unterscheide ich so deutlich zwischen Live-Fußball und Live-Musik? Was macht das eine am TV, das andere vor Ort attraktiver? Ist es die Austauschbarkeit der Spieler (die ohnehin zu weit weg sind) im Kontrast zur Einzigartigkeit der Künstler? Mit Sicherheit. Oder die Tatsache, dass man Musik eigentlich nur Fühlen muss, während man Sport auch intellektuell erfassen kann? Ganz bestimmt.

Conclusio


Steckbrief

Björn Sülter ist bei Quotenmeter seit 2015 zuständig für Rezensionen, Interviews & Schwerpunkte. Zudem lieferte er die Kolumne Sülters Sendepause und schrieb für Die Experten und Der Sportcheck.
Der Autor, Journalist, Podcaster, Moderator und Hörbuchsprecher ist Fachmann in Sachen Star Trek und schreibt seit 25 Jahren über das langlebige Franchise. Für sein Buch Es lebe Star Trek gewann er 2019 den Deutschen Phantastik Preis.
Er ist Headwriter & Experte bei SYFY sowie freier Mitarbeiter bei Serienjunkies, der GEEK! und dem FedCon Insider und Chefredakteur des Printmagazins TV-Klassiker und des Corona Magazine.
Seine Homepage erreicht ihr hier, seine Veröffentlichungen als Autor auf seiner Autorenseite.
Schön, dass wir mal drüber gesprochen haben. Und auch, wenn ich Konzerte im TV ein wenig hüftlahm empfinde, ist es eine tolle Sache, dass die TV-Anstalten uns diese Events nicht vorenthalten, wenn es eben mal nicht zum Besuch am Ring oder beim Hurricane reicht. Hier kann man ja vielleicht auch schlicht etwas Blut lecken und in Zukunft dann wirklich einmal live dabei sein. Also: Rock on! Egal ob Zuhause oder live in concert.

Der Sülter hat für heute Sendepause, ihr aber bitte nicht – Wie sind eure Erfahrungen? Denkt darüber nach und sprecht mit anderen drüber. Gerne auch in den Kommentaren zu dieser Kolumne. Ich freue mich drauf.

«Sülters Sendepause» kehrt in vierzehn Tagen zurück.

Die Kolumne «Sülters Sendepause» erscheint in der Regel alle 14 Tage Samstags bei Quotenmeter.de und behandelt einen bunten Themenmix aus TV, Film & Medienlandschaft.

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03.06.2017 11:00 Uhr  •  Björn Sülter Kurz-URL: qmde.de/93502