Nach «The Railway Man» widmet sich Jonathan Templitzky in seinem neuen Film «Churchill» ein weiteres Mal einer real existierenden Persönlichkeit.
In dieser Saison wird es direkt zwei Filme geben, die sich mit dem Schaffen Winston Churchills befassen. Neben Jonathan Templitzkys Biopic, das sich auf die kurze Zeitspanne rund um die D-Day-Operation konzentriert, erzählt «Pan»-Regisseur Joe Wright ab dem 18. Januar 2018 in «Darkest Hour» von der Rolle des Ministers zu Beginn der Zweiten Weltkrieges; als Winston Churchill wird in diesem Film Gary Oldman zu sehen sein. In «Churchill» schlüpft Brian Cox («Das Morgan Projekt») in die Haut dieser bedeutsamen Persönlichkeit und tritt damit in die Fußstapfen von Schauspielern wie Andy Nyman, John Lithgow, Alan C. Peterson, Richard Loncrane und Simon Ward. Sie alle durften Churchill bereits in diversen Biopics verkörpern, doch Brian Cox gelingt es mit seiner Performance erstmals, die äußerst unbequemen Ecken und Kanten seines Vorbilds herauszustellen.
Die von extremen emotionalen Schwankungen geprägte Interaktion zwischen Brian Cox und Miranda Richardson («Dido Elizabeth Belle») versorgt «Churchill» mit persönlicher Tiefe, die über das komplexe Tun und Schaffen seiner Hauptfigur hinaus geht. Die Faszination des Films entsteht in erster Linie aus dem Kontrast, der sich aus der fast schon menschenfeindlichen Attitüde des Protagonisten sowie seinem ganz und gar aufopferungsvollen Handeln ergibt. Das kann auf die Dauer ziemlich anstrengend werden; umso besser fahren Regisseur Jonathan Teplitzky («Die Liebe seines Lebens – The Railway Man») und Drehbuchautor Alex von Tunzelmann (schrieb eine Episode der TV-Serie «Die Medici: Herrscher von Florenz») damit, auch Teile seines Umfeldes näher zu beleuchten. Miranda Richardson fungiert da vor allem als außenstehende Beobachterin, mit der es sich als Zuschauer hervorragend identifizieren lässt. John Slattery («The First Avenger: Civil War») als Dwight Eisenhower gelingt es gut, seine Position als Churchills Verbündeter und Bezugsperson zu unterstreichen, während der Subplot um die Büroangestellte Helen (Ella Purnell, «Die Insel der besonderen Kinder») zunächst zum Ziel kleiner Seitenhiebe wird, deren Witz im Anbetracht der Umstände allerdings verpufft und deren Authentizität gen Ende einer emotionalen, jedoch allzu reißerisch-kitschigen Entwicklung zum Opfer fällt.
Inszenatorisch passen sich die Macher der Langsamkeit in der Erzählung an. Um die Faszination und Einzigartigkeit Winston Churchills zu unterstreichen, inszeniert Kameramann David Higgs («RocknRolla») viele Bilder wie Stillleben, welche die Hauptfigur minutenlang in einer einzelnen Positionen zeigen. Drapiert in großen, penibel ausgeleuchteten Räumen stehend, gedankenversunken am Strand entlang spazierend oder lethargisch in seinem Büro sitzend, während er dabei über den nächsten Schachzug auf dem Kriegsfeld grübelt – «Churchill» wirkt bisweilen wie eine Bildmontage seinen Hauptcharakter unterstreichender Bilder mit Symbolwert, was die Handlung zu gleichen Teilen ausbremst und ihr einen künstlerischen Mehrwert beimisst. Die Liebe zu seiner Hauptfigur ist Jonathan Templitzkys Inszenierung jederzeit anzumerken. Wenn Higgs‘ Kamera bisweilen in extremen Close-Ups an die Figuren heran fährt, sieht der Regisseur in der minimalistischen Mimik seines Protagonisten wohl mehr Aussage als in den vielen Dialogen zwischen ihm und seinem politischen Umfeld. Dadurch findet «Churchill» zu einer Persönlichkeit und Tiefe, die droht, abhanden zu kommen, wenn die politischen Wortwechsel das Geschehen über viele Szenen dominieren. Trotz einer Lauflänge von gerade einmal neunzig Minuten führt das aber auch zu Behäbigkeit und einer nicht zu leugnenden Redundanz. Wie gut, dass die Prämisse selbst in der Lage ist, derartige Schwächen oft auszugleichen. Von der fesselnden Performance Brian Cox‘ einmal ganz zu schweigen.