21st Century Fox: Ein Wirtschaftsporträt in drei Akten

Gewalthaltige Filme, Serien der Toleranz und konservative Politik: Rupert Murdochs Medienimperium macht Gewinn durch Werteopportunismus.

20th Century Fox Television und seine Fernsehserien: Politisch aufgeschlossen


Die meistgesehenen Serien beim Network Fox (umworbene Zielgruppe, TV-Saison 2016/17)

  1. «Empire»
  2. «Die Simpsons»
  3. «Lethal Weapon»
  4. «24: Legacy»
  5. «Star»
  6. «Family Guy»
  7. «Son of Zorn»
  8. «Gotham»
  9. «The Mick»
  10. «Lucifer»
Eines lässt sich dem Fox-Imperium nicht vorwerfen: Eine kohärent durchgezogene, verbissene politische Linie. Während der News-Sektor des Konzerns als Paradebeispiel für konservative Berichterstattung (im US-amerikanischen Sinne) gilt, verantwortet Fox im fiktionalen Bereich immer wieder Serien, die sich kaum mit konservativen Meinungen vereinen lässt. Dies fing schon mit «Die Simpsons» an, die von George H. W. Bush 1992 als abschreckendes Beispiel bezeichnet wurden. Der Graben zwischen der gelben Familie aus Springfield und den Republikanern konnte nie geschlossen werden – und so machen die Serienverantwortlichen in ihrem Dauerrenner kein Geheimnis aus ihrem Unverständnis für Fox News oder Donald Trump.

Aber auch abseits von «Die Simpsons» sorgt Fox regelmäßig für Kopfschmerzen auf der konservativen Seite des Politspektrums – selbst wenn man die in alle Richtungen schießende Trickserie «Family Guy» und ihren derben Humor ignoriert. Seit 2009 produziert 20th Century Fox Television etwa für das Disney-Network ABC die Serie «Modern Family», die in der US-Popkultur viel dafür getan hat, gleichgeschlechtliche Paare zu einem alltäglichen Anblick zu machen und im öffentlichen Diskurs beispielsweise die Adoptions- und Eherechtedebatte zu entschärfen. Im selben Jahr startete auch die Musicalserie «Glee», die sechs Jahre lang bei Fox' eigenem Network für mehr Akzeptanz und weniger Vorurteile kämpfte. Beide Serien mussten sich zwar gelegentlich von Liberalen Kritik anhören lassen, ob sie diese Ziele auf dem bestmöglichen Wege erreichen – dennoch waren beide Formate wichtige Bollwerke in einem Kampf, der nun, unter Trump, neu geschlagen werden muss.

Auch für ethnische Diversität tut Fox erstaunlich viel: «Empire» war als riesiger Hit mit einem hauptsächlich afro-amerikanischen Cast 2015 ein Befreiungsschlag in der zunehmenden Debatte über den starken Fokus, den Film und Fernsehen auf Weiße legen. Mit der Comedyserie «Fresh Off the Boat» produziert Fox für den Konkurrenten ABC zudem ein fesches Format, das zeigt, wie sich asiatische Einwanderer in den USA zuweilen fühlen und «This is us», das 20th Century Fox Television für NBC produziert, wird von der US-Kritik als eine hochemotionale Serie gefeiert, die mit ihrer Botschaft der Verständigung derzeit leider aktueller und wichtiger ist, als einem lieb sein müsste. Da will man Fox es ja fast verzeihen, dass sein nie so ganz sterbendes «24»-Franchise so unbesonnen Folter-Verhörmethoden darstellt …

Fox News: Dem Präsidenten gefällt das


Im November 2016 kam es im US-Nachrichtengewerbe zu einem historischen Führungswechsel: Erstmals in seiner 20-jährigen Geschichte setzte sich Fox News an die Spitze der Kabelnachrichtensender – der jahrelange Platzhirsch CNN musste sich mit der Silbermedaille begnügen. Und seither hat sich nichts geändert. Eine Marktforschungsstudie, die diesem Reichweitenaufschwung von Fox News nachgeht, gibt es noch nicht, so dass aus wissenschaftlicher Sicht kein Kausalgrund genannt werden kann. Doch in Ehren der Fox-News-Faktentreue und unserem postfaktischen Zeitalter reicht auch die Korrelation: Donald Trump, damals zum US-Präsidenten gewählt, ist lautstarker Anhänger von Fox News. Und auch seit seinem Amtsantritt gibt er dem Sender regelmäßig Gratispromo, indem er stundenlang über dessen Berichte live twittert oder scheinbar aus dem blauen Himmel heraus dessen Frühstückssendung Fox & Friends empfiehlt.

Ein solches Mediengebärden ist in einer Demokratie höchst ungewöhnlich. Führende Politiker geben ihre Favoriten unter den Informationsmedien bestenfalls implizit preis – etwa, indem Angela Merkel zwar «Anne Will» ein ausführliches Einzelinterview gibt, nicht aber dem «Sat.1 Frühstücksfernsehen». Wie dieser bewusst alberne Vergleich vorführt, lässt sich Politikern aber selbst durch die Wahl ihrer Gesprächspartnern kein Strick namens "Da wählt wohl jemand seine Lieblinge" drehen – der größten seriösen Talkshow Aufmerksamkeit zu schenken, ist für ein Regierungsoberhaupt eine intuitive Entscheidung. Es könnte durchaus sein, dass Angela Merkel viel lieber «hart aber fair» schaut und am allerliebsten das «Sat.1 Frühstücksfernsehen». Wir werden es so schnell nicht erfahren – denn zum stillschweigenden Abkommen zwischen Politik und Presse gehört es, eine gewisse Unabhängigkeit und (zumindest oberflächliche) Neutralität zu wahren. Im «heute-journal» wird Claus Kleber keine Wahlempfehlung aussprechen, im Gegenzug wird sich kein führende Person aus dem Politzirkus in den medialen Wettkampf einmischen und seiner Anhängerschaft empfehlen, sich nur noch via Tageszeitung X, Wochenmagazin Y und TV-Sendung Z zu informieren.

Die höflichste Interpretation Donald Trumps Verhalten: Als Außenseiter, der quer in die Politik eingestiegen ist (und prompt das höchste Amt erhalten hat), durchlief er nicht die harte Schule der unausgesprochenen Regeln. Insofern überrascht es nicht, dass er im Gegensatz zu seinen Vorgängern in aller Weltöffentlichkeit klare mediale Partei für seine Favoriten ergreift und ebenso klar gegen andere Sender und Publikationen (wie die New York Times oder CNN) schießt.

Gelinge gesagt haben sich da Pott und Deckel gefunden. Fox News behauptet schließlich stur, überparteilich zu sein, doch Medienwissenschaftler sind sich einig, dass der Sender voll und ganz die republikanische Sichtweise übernimmt – einige Kritiker werfen ihm gar einen nahezu propagandistischen Tonfall vor. Im nahezu täglichen Medienrummel, den Trump und seine Regierung verantworten, fällt es ungleich schwerer, tiefergehende Berichte bei Fox News zu finden als bei allen anderen relevanten US-Newsportalen – und auch in der Vergangenheit gab der Sender republikanischen Präsidenten den Rücken stärkte.

So hielt eine Studie aus dem Jahr 2010 fest, dass Fox News deutlich weniger Negativnachrichten über George W. Bushs Irakkrieg verlas als die Konkurrenz – gleichwohl wurde in den Folgejahren Obama von Fox News stärker durch die Mangel genommen als von anderen US-Newssendern. Und nicht nur die Polit-, auch die Entertainment-Konkurrenz ist Fox News nicht heilig: Ende 2011 bezeichnete der Sender Disneys Komödie «Die Muppets» als liberale, womöglich gar kommunistische Gehirnwäsche.

Wenn die Kinosparte gegen den Strom schwimmt


Die weltweit erfolgreichsten Fox-Filme

  1. «Avatar – Aufbruch nach Pandora» (2009; 2,79 Milliarden Dollar)
  2. «Titanic»* (1997; 2,19 Milliarden Dollar)
  3. «Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung» (1999; 1,03 Milliarden Dollar)
  4. «Ice Age 3 – Die Dinosaurier sind los» (2009; 886,7 Mio. Dollar)
  5. «Ice Age 4 – Voll verschoben» (2012; 877,2 Mio. Dollar)
  6. «Star Wars: Episode III - Die Rache der Sith» (2005; 848,8 Mio. Dollar)
  7. «Independence Day» (1996; 817,4 Mio. Dollar)
  8. «Deadpool» (2016; 783,8 Mio. Dollar)
  9. «Krieg der Sterne» (1977; 775,4 Mio. Dollar)
  10. «X-Men: Zukunft ist Vergangenheit» (2014; 747,9 Mio. Dollar)
*«Titanic» wurde in Nordamerika von Paramount Pictures vertrieben
(Stand der Top Ten: 17. Mai 2017)
Sechs Hollywood-Konglomerate teilen den Großteil des Kinomarkts unter sich auf – abseits von Disney, Warner Bros., Fox, Universal, Sony und Paramount bleiben nur noch Krümel vom Kuchen übrig. Innerhalb dieses Sextetts zeichnete sich in den vergangenen Jahren allerdings eine Zwei-Klassen-Gesellschaft ab: Paramount und Sony kämpfen seit 2013 damit, auf ihrem Heimatmarkt einen zweistelligen Marktanteil zu erreichen, für die anderen Studiogruppen hingegen ist ein Geschäftsjahr, in dem zehn Prozent der nordamerikanischen Kinoeinnahmen eingesackt werden, ein Jahr der Blamage.

Innerhalb des Erfolgsquartetts bilden sich ebenfalls Fronten. Disney und Universal befinden sich in einem ständigen Kopf-an-Kopf-Rennen um Branchenrekorde, Warner Bros. positioniert sich als eifriger Mitbewerber, der zwar so seine Rückschläge hinnehmen muss, aber mit den DC-Comicadaptionen und stabilen Beziehungen zu namhaften Regisseuren wie Christopher Nolan ebenfalls so seine wirtschaftlichen Asse im Ärmel hat. Und Fox? Fox hat zwar die «X-Men»-Saga, doch an den Kinokassen ist es keine derart sichere Bank wie das im Hause Disney beheimatete «Avengers»-Universum. Und aller Nostalgie zum Trotz gehört «Stirb langsam» (aus kalter, geldgieriger Sicht) zum alten Eisen – die "Schweinebacken" von heute stürmen lieber in Universals «Fast & Furious»-Reihe. Gewiss, James Camerons «Avatar» ist bei Fox zuhause, aber bis die Fortsetzungen anlaufen, ist es noch ein langer Weg.

Wie also im hart umkämpften Kinomarkt bestehen, wenn Disney und Universal die sogenannten "Vier-Quadranten-Filme" (also Produktionen, die alle großen Zielgruppen anlocken und daher richtig große Blockbuster werden können) mittlerweile vermeintlich im Schlaf beherrschen? Ganz einfach: Statt der Konkurrenz hinterherzurennen, baut sich Fox langsam seine Nische – im Bereich der etwas stärker an Erwachsene gerichteten Filmunterhaltung. David Finchers Thriller «Gone Girl – Das perfekte Opfer» (369,3 Mio. Dollar weltweit bei 61 Mio. Dollar Budget) und die derbe Agentenkomödie «Kingsman: The Secret Service» (414,4 Mio. Dollar // 94 Mio. Dollar) waren die Vorboten. «The Revenant – Der Rückkehrer» (533 Mio. // 135 Mio.)) die unerwartet populäre Bestätigung, «Deadpool» (783,1 Mio. // 58 Mio.) der große Knall. Und 2017 dient nun als Härtetest dieser Taktik.

Denn die Dichte an erwachsenenorientierten Fox-Projekten ist 2017 bemerkenswert. Mit «A Cure for Wellness», «Logan – The Wolverine», «Mädelstrip», «Alien: Covenant» und «Kingsman: The Golden Circle» hat Fox fünf Mainstream-Filme im Programm, die in den USA ein teenieuntaugliches R-Rating bekommen. Zudem stehen mit «Planet der Affen – Survival» ein vergleichsweise ernster Blockbuster und mit dem Agatha-Christie-Krimi «Mord im Orient-Express» ein weiterer Film auf der Liste, der kaum auf die von Disney und Universal bestens bedienten Teenagern giert.

Wie oft sich bei Fox solch eine Dichte an Produktionen wiederholen wird, die es eher auf ältere Kinointeressenten absehen, wird selbstredend von den Einnahmen der noch ausstehenden Starts abhängig sein. Der Geniestreich «A Cure for Wellness» setzte Fox' inhaltlich düsteres Kinojahr mit schwachen Zahlen in Gang, «Logan – The Wolverine» hingegen war ein Hit. Aber selbst wenn unklar ist, wie intensiv sich Fox im Kino diese neue Identität zu eigen macht: Schon jetzt kündigte Fox an, diesen Plan weiter im Auge zu halten. Während Universal dieses Jahr mit «Die Mumie» ein jugendtaugliches Action-Grusel-Franchise aus der Taufe heben will, arbeitet Fox an «Deadpool 2» sowie an einem neuen «Predator»-Film – Kids sollten da lieber draußen bleiben. Gewalt, ruchlose Sprache und eine offene Einstellung gegenüber Sex – was würden die Leute von Fox News nur dazu sagen?
18.05.2017 18:05 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/93208